100 JAHRE HÖHERE TECHNISCHE BUNDESLEHRANSTALT STEYR FESTSCHRIFT
GELEITWORTE
DR. FRED SINOWATZ BUNDESMINISTER FÜR UNTERRICHT UND KUNST Es ist mir eine besondere Freude, einer Schule zu ihrem 100. Geburtstag meine Glückwünsche auszusprechen. 100 Jahre Schulgeschichte spiegeln nicht nur die Entwicklung einer Schule wider, sondern es bedeutet ganz einfach ein Stück österreichischer Geschichte. Hier bietet sich die Möglichkeit, auf Erprobtem und Bewährtem aufzubauen, Neuem gegenüber aufgeschlossen zu sein. War es vor 100 Jahren die Ausbildung zum Messerschmied, die in diesem Raum Steyr großen Anklang fand, geben uns nun die heutigen Schülerzahlen ein beredtes Beispiel für den hohen Ausbildungsstand in den Höheren Abteilungen für Maschinenbau, Motoren- und Kraftfahrzeugbau - Maschinenbau - Elektrische Nachrichtentechnik und Elektronik - Maschinenbau, Motoren- und Landmaschinenbau und in den Fachschulen für gestaltendes Metallhandwerk, und in ihrer Stellung unikat in Österreich, die Fachschulen für Motoren- und Kraftfahrzeugbau und für Hochfrequenz-und Rundfunktechnik. Gerade die berufsbildenden Schulen finden heute immer mehr Anklang und stellen immer mehr Anforderungen an den Lehrer und an den Schüler. Es ist mir daher ein persönliches Anliegen, dieser Schule weiterhin ein so erfreuliches Wirken zu wünschen.
SEKTIONSCHEF HOFRAT DIPL.-ING. WALTER MOLZER BUNDESMINISTERIUM FÜR UNTERRICHT UND KUNST Mit Freude nehme ich das hundertjährige Bestandsjubiläum der Höheren Technischen Bundeslehranstalt Steyr zum Anlaß, dieser Bildungsstätte meine besten Glückwünsche auszusprechen. Während der hundert Jahre ihres Bestehens konnte diese Schule einen bedeutenden Aufstieg verzeichnen. Die Entwicklung dieser Anstalt zeigt sich am besten in ihrem Werdegang: ab 1874 1883-1920 1938-1945 1948-1963 ab 1963 Fachschule für Eisenindustrie Fachschule und Versuchsanstalt für Eisen- und Stahlbearbeitung Staatsfach-und Ingenieurschule Bundesgewerbeschule Höhere Technische Bundeslehranstalt In dieser Schule werden jährlich mehr als 1100 Schüler unterrichtet und ca. 200 Absolventen verlassen diese Anstalt, um ihr Wissen und Können in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen. Der Jugend eine gediegene Berufsausbildung zu vermitteln, gut geschulte Techniker der österreichischen Wirtschaft und dem österreichischen Staat auszubilden, gehört zu den schönsten und wertvollsten Aufgaben einer Höheren Technischen Lehranstalt. Möge dieser verantwortungsvolle Bildungsauftrag weiterhin so erfolgreich durchgeführt werden und möge sich diese Schule weiter in den Dienst Österreichs und der österreichischen Jugend stellen. MINISTERIALRAT DIPL.-ING. PANY Ich komme gerne dem ehrenvollen Auftrag nach, dieser Festschrift ein Geleitwort zum hundertjährigen Bestand der Höheren Technischen Bundeslehranstalt Steyr zu widmen. Als ehemaliger Schüler einer Höheren Technischen Bundeslehranstalt, als Landesschulinspektor und als Leiter der Abteilung für die technischen und gewerblichen Lehranstalten beim Bundesministerium für Unterricht und Kunst weiß ich um den verantwortungsvollen Bildungsauftrag und um die Probleme gerade dieser berufsbildenden Schulen Bescheid. Die Technik hat sich in den letzten Jahrzehnten beinahe explosionsartig entwickelt, sodaß auch an die Techniker immer höhere Anforderungen gestellt werden. Diese können nur durch eine qualifizierte Ausbildung und hohen persönlichen Einsatz aller Beteiligten bewältigt werden. Dafür eröffnen sich heute der Jugend aber Aufstiegsmöglichkeiten, wie sie frühere Generationen nicht gekannt haben! Zum heutigen feierlichen Anlaß sollte man auch der vielen hervorragenden Fachleute und Pädagogen gedenken, die im abgelaufenen Jahrhundert ihr Wissen und Können, aber auch ihre ganze Kraft der Ausbildung der Jugend an dieser Schule gewidmet haben. Aus der Frühzeit der „Fachschule für Eisenindustrie" will ich nur die markante Persönlichkeit des Direktors Ing. Franz MAIER erwiihnen, der mit dem Erfinder der berühmten Maier-Schiffsform identisch ist. Unter seiner Leitung wurden der Fachschule eine Lehrwerkstätte und eine staatliche Versuchsanstalt angegliedert. Damals entstand bereits jene Form, die für die österreichischen technischen Lehranstalten charakteristisch ist, die Verbindung von Lehrsaalunterricht, Lehrwerkstätte und Versuchsanstalt. Ohne weitere verdienstvolle Leiter der Schule übergehen zu wollen. will ich nur daran erinnern, daß die erste höhere Abteilung (Ingenieurschule) mitten im Zweiten Weltkrieg entstand und daß flS das Verdienst des Direktors Ing. Josef Haßlinger war, daß im Jahre 1948 auch Steyr fünfjährige Höhere Abteilungen nach dem Lehrplan des sogenannten ,,!schier Programmes" erhielt. Derzeit wird eine höhere Ausbildung im Maschinenbau und in der Elektrischen Nachrichtentechnik durchgeführt und zusätz-· lieh in den Spezialrichtungen Kraftfahrzeugbau und Landmaschinenbau, die an den übrigen österreichischen Höheren technischen Lehranstalten - nebenbei bemerkt 38 an der Zahl - nicht oder kaum vertreten sind. Aber die Organisation allein macht es nicht: sie muß erst mit schulischem Leben erfüllt werden. Deshalb ist es mir ein Herzensbedürfnis, der Direktion und den Lehrern für ihren großen Idealismus zu danken, gerade in einer Zeit, wo der Mangel an Lehrern eine Herausforderung an alle Pädagogen und einen verantwortungsvollen Auftrag bedeutet. auch weiterhin der Jugend eine gediegene Berufsausbildung zu vermitteln, die auch in der heutigen Zeit im Inund Ausland bestehen kann. Mit diesen Gedanken zum hundertjährigen Jubiläum. verbinde ich meinen Glückwunsch, daß die Höhere Technische Bundeslehranstalt in der alten Eisenstadt Steyr ihre so gedeihliche Arbeit auch weiterhin in den Dienst Österreichs stellen möge, als eine Schule mit großer Tradition und mit großer Zukunft.
DR. ERWIN WENZL, LANDESHAUPTMANN VON OBERÖSTERREICH Die Höhere Technische Bundeslehranstalt Steyr feiert heuer ihren 100jährigen Bestand. In diesem Jahrhundert haben Tausende von Absolventen diese Schule verlassen, und es war ihnen dank ihrer guten Ausbildung möglich, die an sie gestellten Anforderungen zu erfüllen. Österreich und vor allem Oberösterreich braucht geschulte Fachkräfte, die in der Lage sind, ihr Wissen und ihr Können im wirtschaftlichen und technischen Bereich einzusetzen. Die 1100 Schüler, die heute diese Schule besuchen, zeigen von dem großen Aufschwung der Schule und dem bundesweiten Interesse an den verschiedenen Fachrichtungen. Gerade die berufsbildenden Schulen haben in dem gesamten Schulwesen einen bedeutsamen Aufschwung zu verzeichnen und so kann man dieser 100jährigen nur wünschen, daß sie weiterhin ihre große Chance als Bildungsstätte für junge Techniker wahrnimmt und damit eine wertvolle Aufgabe erfüllt. PROF. DR. KARL ALBERT ECKMAYR AMTSFÜHRENDER PRÄSIDENT DES LANDESSCHULRATES FÜR OÖ. Im Rahmen des oberösterreichischen Bildungswesens nehmen die höheren technischen Lehranstalten eine bedeutende und wichtige Stellung ein. Insgesamt muß die in Oberösterreich außerordentlich hohe Bereitschaft der Eltern und Schüler, sich für den Besuch weiterführender Schulen zu entschließen, besonders begrüßt werden. Waren es in den Jahren bis Ende 1960 vorwiegend die allgemeinbildenden höheren Schulen, zu denen der größte Strom an Interessenten führte, so ist zunehmend festzustellen. daß die höheren technischen Lehranstalten und überhaupt das berufsbildende höhere Schulwesen im Blickpunkt der Öffentlichkeit, aber auch im Bewußtsein der Eltern und der Schüler solche Attraktivität besitzen, daß mit den vorhandenc11 Möglichkeiten Lias Auslangen nicht gefunden wird. Es gibt zur Zeit in Oberösterreich sechs höhere technische Lehranstalten, in denen im Schuljahr 1973/74 282 vollbeschäftigte Lehrer Dienst geleistet haben. Besonders herauszustreichen sind im gleichen Berichtsjahr die vorzüglichen Leistungen der Studierenden bei den Reifeprüfungen. So sind etwa 1973/74 329 Bewerber zur Reifeprüfung angetreten, von denen 311 die Prüfung bestanden haben. Es haben 24 die Reifeprüfung mit Auszeichnung bestanden und 33 mit gutem Erfolg abgeschlossen. Dem gegenüber ist die Zahl von 18 reprobierten Studierenden wirklich außerordentlich gering und zeugt von der vorbildlichen Arbeit der Lehrer in diesen Anstalten und von der großen Motivation der Schüler für das Studium. Es steigt von Jahr zu Jahr die Zahl der Absolventen der höheren technischen Lehranstalten. Auf der anderen Seite aber ist auch ein ständig steigendes Interesse für die Aufnahme in diesen Anstalten zu verzeichnen. Es mutet gelegentlich des 100jährigen Jubiläums der Höheren technischen Lehranstalt Steyr als tragisch an, daß es leider nicht möglich ist. in diese traditionsreichen Schulen, die gleichzeitig von so zukunftsweisender Ausrichtung sind, alle Bewerber aufzunehmen, denn rund 25 0/o aller Bewerber für die Aufnahme müssen trotz bestandener Aufnahmeprüfung aus Gründen des Platzmangels abgewiesen werden. Wenn nun in Oberösterreich die allgemeinbildenden höheren Schulen eine solche Dichte erreicht haben, daß wirklich nach wie vor alle 10jährigen Interessenten in diese Schule aufgenommen werden können, dann ist es in diesem Land. aber auch für den ganzen Staat eine selbstverständliche Verpflichtung der Schulverwaltung, den Bewerbern für die berufsbildenden mittleren und höheren Schulen jene Chancen einzuräumen, die sie aufgrund ihres Bildungsinteresses auch verdienen. Der weitere Ausbau des höheren Schulwesens im lande kann daher nur dem Schwerpunkt der berufsbildenden Schulen gewidmet sein und innerhalb dieser Schulen nehmen die höheren technischen Lehranstalten eine vorzügliche Rolle ein. Der Höheren technischen Bundeslehranstalt Steyr, die im Schuljahr 1973/74 ihr 100jähriges Bestehen feiert, sei zu dem großen Erfolg, den sie durch so viele Schülergenerationen hindurch bereits geleistet hat, gratuliert. Nicht nur bedeutende Spitzenkönner sind aus diesem Hause hervorgegangen, sondern auch eine breite Schicht von bestens ausgebildeten Absolventen steht seit so vielen Jahren nun der Wirtschaft zur Verfügung. Im Namen des Landesschulrates für Oberösterreich darf ich als Amtsführender Präsident der Höheren technischen Bundeslehranstalt Steyr für die weitere Zukunft ein Hoch, die gleiche Fruchtbarkeit wie bisher. wünschen und nur hoffen, daß seitens der öffentlichen Instanzen alle verdienten Möglichkeiten dieser Schule eingeräumt werden.
HOFRAT DIPL.-ING. FERDINAND WEISER LANDESSCHULINSPEKTOR Die jubilierende Höhere Technische Bundeslehranstalt Steyr ist im Verlaufe ihrer 100jährigen Geschichte der ihr zugedachten Bildungsaufgabe stets gerecht geworden. Waren es vorerst die Messerschmiede und Feinstahl-Galanteriewarenerzeuger, die Ziseleure, Graveure und Stahlschneider sowie die Gold- und Silberschmiede, die in den Vorgängern der heutigen Anstalt ihre qualifizierte Ausbildung erhielten, folgte die Schule der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung durch die Hinzunahme der Fachrichtungen für Elektrotechnik, Kraftfahrzeugbau, Landmaschinenbau und schließlich der Elektrisehen Nachrichtentechnik und Elektronik. Einzelne dieser Fachrichtungen werden ausschließlich an der HTL Steyr geführt, andere wieder nur in wenigen Schulen im Bundesgebiet. Durch diesen teilweisen Unikatcharakter weist die Steyrer HTL ein Einzugsgebiet auf, das weit über den Raum von Steyr hinausreicht und zum Teil das ganze Bundesgebiet umfaßt. Es liegt daher nahe, daß eine solche Schule einen hohen Prozentsatz an internatsbedürftigen Schülern aufweist. Für die HTL Steyr war es daher eine Existenzfrage, ein leistungsfähiges Schülerheim zu erhalten. Da der Bund nur in wenigen Fällen ein Internat für eine Höhere Technische Bundeslehranstalt betreibt, in Oberösterreich gibt es keine HTL mit einem Bundeskonvikt, blieb es einem dafür gegründeten Schülerförderungsverein vorbehalten, die notwendigen Internatsplätze für die HTL Steyr zu schaffen, wobei der Bund das Vorhaben durch Errichtung des Gebäudes unterstützte. Unter der wirtschaftlich höchst umsichtigen und pädagogisch geschickten Führung ist dieses Internat zu einem sehr gefragten Zuhause für eine große Zahl von HTLSchülern geworden. Im Jahre 1964 für 360 Internatsplätze eröffnet, beherbergt das Heim heute bereits 450 Schüler, und trotzdem finden nicht mehr alle internatsbedürftigen Aufnahmewerher der HTL den ersehnten Heimplatz. Der große Andrang von Schülern an der HTL Steyr, der sich zu einem großen Teil auf das Vorhandensein dieses Internates gründet, zeigt die große Bedeutung, die Internate für die technisch-gewerblichen Lehranstalten haben. Es wäre daher im Sinne einer echten Chancengleichheit, wenn die Gesellschaft dafür sorgen würde, daß allen technisch-gewerblichen Lehranstalten ein räumlich hinreichendes und pädagogisch gut geführtes Internat zur Verfügung steht. Das Schülerheim der jubilierenden Schule kann dafür als Vorbild gelten. Mögen an der HTL Steyr in sinnvollem organisatorischen und pädagogischen Zusammenwirken zwischen Schule und Internat auch weiterhin viele junge Menschen zu tüchtigen und erfolgreichen Technikern herangebildet werden. JOSEF FELLINGER BÜRGERMEISTER DER STADT STEYR Anläßlich des 100jährigen Bestandsfestes der Höheren Technischen Bundeslehranstalt Steyr entbiete ich im Namen der Stadt Steyr die herzlichsten Glückwünsche. Jubiläen werden im allgemeinen immer zum Anlaß genommen, sich des Geleisteten zu erinnern, geben aber sicher auch Gelegenheit, Betrachtungen über die Zukunft anzustellen. Dem Schulwesen, das beweisen Geschichte und Gegenwart, war in Steyr zu allen Zeiten breiter Raum gegeben. Der Standort bedeutender Industriebetriebe brachte es mit sich, daß besonders die berufsbildenden Schulen große Bedeutung erlangten. Gerade in der wechselvollen aber kontinuierlichen Entwicklung der jubilierenden Anstalt wird dies deutlich sichtbar. Wenn heute rund 11.500 junge Menschen in Steyr ihre schulische Ausbildung erhalten, so ist es sicher nicht vermessen, Steyr zu den bedeutendsten Schulstädten des Landes zu zählen. Die Pflichtschulen, die allgemeinbildenden höheren Schulen, eine Reihe von berufsbildenden höheren und mittleren Lehranstalten bieten eine reiche Palette an Ausbildungsmöglichkeiten. Im Rahmen der vielen Schulen in der Stadt nimmt jedoch die Höhere Technische BundeslP.hrnnstl'llt nicht nm wP.gen ihrnr GrößP. und der Schülerzahl eine Sonderstellung ein. Durch sie wird besonders deutlich, in welchem Maße eine Schule über den begrenzten Raum einer Stadt hinaus zu wirken vermag. Es ist hinlänglich bekannt und darf mit berechtigtem Stolz vermerkt werden, daß Schüler aus dem gesamten Bundesgebiet ihre Ausbildung an der HTL Steyr erhalten und die Absolventen ihrer hervorragenden Ausbildung wegen überall hohes Ansehen genießen. Die stürmische technische Entwicklung unseres Jahrhunderts wird aber gerade in Zukunft ein Mithalten besonders der berufsbildenden technischen Lehranstalten erfordern. Daß die Höhere Technische Bundeslehranstalt mit dieser Entwicklung Schritt halten wird, dessen bin ich gewiß und dazu wünschen ihr alle Steyrer viel Glück in der Zukunft.
HOFRAT DIPL.-ING. W. JURKOWSKI DIREKTOR DER HTBLA STEYR Die Höhere Technische Bundeslehranstalt Steyr kann in ihrem 100. Bestandsjahr auf eine reiche Tradition zurückblicken. Heute präsentiert sie sich in einer Umstrukturierung, die den Erfordernissen der Zeit entgegenkommt. Die verschiedenen Abteilungen werden nach dem Organisationsplan 1972 geführt. In diesem Organisationsplan sind vorgesehen: die dreizügige Führung einer Höheren Abteilung für Maschinenbau die einzügige Führung einer Höheren Abteilung für Nachrichtentechnik und Elektronik eine Fachschule für Motoren- und Kraftfahrzeugbau eine Fachschule für Hochfrequenz- und Rundfunktechnik eine Fachschule für Gestaltendes Metallhandwerk eine Meisterschule für Gestaltendes Metallhandwerk und eine Höhere Technische Lehranstalt für Berufstätige, Fachrichtung: Maschinenbau. Ein besonderes Anliegen der Schule bedeutet die Führung der Höheren Abteilung für Maschinen- und Kraftfahrzeugbau, die noch nach den bestehenden Lehrplänen unterrichtet wird und ebenfalls in einer Neuorganisation nach neuen Lehrplänen gestaltet werden soll. Es ist zu hoffen, daß hier möglichst bald ein Planungsauftrag erfolgt, da gerade für diese Ausbildung ein bundesweites Interesse bei den Studierenden vorliegt. Damit liegt aber auch ein großes Problem vor: der Raummangel. Die derzeitigen Schulgebäude würden für den theoretischen Unterricht bereitgestellt werden. Für den Neubau der Werkstätten wäre der Ankauf eines entsprechenden Grundstückes erforderlich. Ein Herzenswunsch unserer Schule geht mit dem Bau des Turnsaales in Erfüllung. Der offizielle Spatenstich soll vom Herrn Bundesminister für Unterricht und Kunst anläßlich des Festaktes im Oktober 1974 vorgenommen werden. Für jede Schule und für jeden Direktor bedeutet der heute herrschende Lehrerrnangel ein schwer zu lösendes Problem. Die Schule braucht Diplomingenieure für den fachtheoretischen, Professoren für den allgemeinbildenden und Lehrer für den praktischen Unterricht, die alle ihre Kenntnisse und Erfahrungen der Schule und den Schülern auch in Zukunft zur Verfügung stellen.
STEYR Industriegebiet vor ca. 100 Jahren
PROLOG von Dr. Veronika Handlgruber-Rothmayer
Fahnen 1Vehen bunt voHt Portal der Anstalt, grüßen Stadt und L,md und der Gäste Vielzahl, die zu feiem Immen ein Jubiläu111 stolzen Bestandes. Hundert Jahre sd1uliscl1es Wirfren. Facltgebundnes Unterridrten im Dienst des Eisens, das Symbol sdron immer der Stadt, an Enns rrnd Steyr gelegen. Hundert Jahre frud1tbarer Bildungsarbeit, traditionsbe1Vußt und zugleich dem Neuen aufgescJrlossen, dies ist fünvat,r ein stolzer AnlafJ zum Feiern. Zunädrst soll ein Abriß der Sd1ulgesd1ichte. die zugleid1 ein farbiges Zeitbild unserer weitbelrnnnten Eisenstadt Steyr zeidmet, Einblicfr ge1Vähren in das reidt bewegte Gesdricfr der Anstalt, deren Gründung ;ust i11 den sd1iveren Jahre11 t,arter Wirtschaftsfrä111pfe, bedrohten Heimwerhs rül1rigen Männern dieser Stadt gelang, die voll Mut, in \Veiser Planung, Widerständen zum Trotz, den Grundstein zu der Lehrstatt legten, die seither gilt als scl1ulisd1es Vorbild. W edrsclvoll das Scl1icfrs11I der ;ungen A11stt1lt: Lclmvcrhstiitten werden erlnmt, als Folge 11eHe Unterhün/te gclmmcl1t, erweitert Lelrrplan und Lctrrzicl. Khtge Männer len!?en mit reicl1e111 Wissen das Gcdeih'11 der Sclt11/c ;:u111 Wo/,/ der Biirgcr, die, IVie einst, noclt i111111er dc,,1-1 Stnt,I. dem Eisrn viclfad1 vcrbunde11. Neuer Sd,ulbau, Stätte erfolgreidten Wirhcns. Dodt es werden 1Vicder zu /dein die Klassrnzi~t-tH1er, Pliine scueitern aH Rm11m-1ot, nrncltt der Wclthrieg z1micl1te. Nac/1 deH wirren JahreH der Prüfu11g IVird de11 Sdrülern nun111el1r Hcimredtt gewährt ilH iüngst envorb'11en, große11 Gebäude der altcn ./ägerlrnserHe. Wieder wird der Lehrpl1111 erneuert. ;ctzt 1111clt Unterricht erteilt i~, Elel~trotedmil~, Werhzeug- und Mascl1inenba11 traben Zulmnft, und auch des Stahlsclrnitts Kunst, metallgestaltendes Ha11dwcrh, lehrt im Geiste Blr'.imelhubers man nun der Jugend. Eigner Sd1ülerhei11te bedarf die große Zal,I der Externen. Bleibt so 111a11d1cs Ziel 111,c/1 vcrwe/,rt der Anstalt, wird sie cndlidt B 11 11 des g e wer b c s c Ir u I e. Wieder Krisrn;ai1rc W erl?stattgebiiudes. wrd dc1111odt Bmt des Aclrtunddreißig Ansc/1/uß : Jetzt Staats{acl1sd1u/e. Kriegs1rnslmtcl1 - gestörter Betrieb - dan11 völlig ci11gcstcllter U11terridtt - bitt'rcs Ende: Plii11dru11g des 1-laHscs. Doclr vcrforc11 dHr(te 11idtt sein das Erbe. Aus dcrn Nicltts gelingt es, gleidt ei11c111 Wunder, wiedera11{zubauc11 die Bildrmgsstätte, Lcl,rlrnus der Tedrnih. Neue Fäclrer weit CH des Lc/.,rp/ans Bogen: BnH vo11 Kra(t{nhrzcugen. Motoren - Hnd Masdtiuen nller Art, Elchtro11il~. Hoc/1frec11tcnz wird vermittelt <'11ter ständig wncl1scnde11 Zahl von Scl,ülcrn. Lnngerstrcbtes endlich erreicltt: V 0111 Staate ,mcrlrn1111t die „J-1 ö her e Te c h n i s c h c Bundes1 e 11 r n n s t a I t S t e y r" . Nun Erridttung nötiger Nebenbautc11 far den Lehrbetrieb 111it modernsten Mitteln, /:eine Kosten scJreut man und !?eine Müh'n im Dienste der Tedtnik. Nicltt nur Fnch-, audt Allgemeinwissen wird geboten den Studenten vo11 Professoren. Erste Reifeprüfungen nacl, dem Krieg sind ,10/zes Ergebnis. Ein Besuch der Anstnlr gewährt dem Fremden Ei11blich in den regen Betrieb der ScJrule. ,lie sowo/1/ im Lehrsnal wie in der W erhstatt /Wstzcug anbietet. Bestrns nusgebildet, ~11it HocJrscJrulreife, gern gesef1n in Wirtsclraf t und Industrie, bewiittren ;ät,rlic/1 zahlreiche Maturanten sid1 in der Praxis. Weit belrnnut und gescl1iitzt ist heute die Anstalt, ,merlrnnnt ihr Wirken ilu In- und Ausland. denn vermittelt wird von beruf'nen Lel1rern Wissen und Kö1111en. Ist der Stolz auch durdtaHs bered1tigt auf das ,mn Erreid1tc, wollen wir uicJrt vergessen, was vor hundert Jahren bescl1eiden, docJr er- (olgreic/1 begonnen. Deslrnlb wehn /1eute Fa/111en vom Dach der ScJrule, grü/.len Stadt und Land und der Gäste Viclza1tl. die nacJr Steyr ka,.nen, mit uns das Jubiläun1 zu feiern.
INHALTSVERZEICHNIS Geschichtliches Organisation der Anstalt Gliederung Stundentafeln Zweck und Lehrziel der Höheren Abteilungen, Berufseinsatz ihrer Absolventen HK HM HL HN Zweck und Lehrziel der Fachschulen, Berufseinsatz ihrer Absolventen Fachschule für Metallbearbeitung Fachschule für Starkstromtechnik Fachschule für Hochfrequenz- u. Rundfunktechnik Fachschule für Gestaltendes Metallhandwerk Bilder aus dem theoretischen u. praktischen Unterricht Kuratorium der HTBL Steyr . . 10 Jahre Elternverein der HTBL Steyr Der Absolventenverband . . . 10 Jahre Internat im neuen Gebäude Allgemeine Artikel Ingenieur und Gesellschaft Denken und Glauben . . Wissenschaft und Glaube 17 18 22 22 23 23 24 25 25 25 26 26 27 31 32 33 36 42 43 44 Schulische Artikel Ein Weg zum Goldschmied Die Anfertigung von Schmiedegesenken im dreidimensionalen Gravierverfahren Sehen lernen . Die Problematik der schulischen Berufsausbildung im Atelierunterricht . . . . . . . . . . . . 100 Jahre Fachschule - 100 Jahre Metallgestaltung Entwicklung, Stand und Ende der Fachschule für Starkstromtechnik . . . . . . . . . . . Physikalische Versuche - Grundlage für das technische Verständnis . . . . . . . . . . Bildungsberatung - auch an unserer Anstalt 46 48 49 50 52 53 54 55 Sportliche Veranstaltungen u. Leistungen der Schüler 56 Musik an der HTBL Steyr Lehrwerkstätte - Grundausbildung im Wandel der Zeit . Der Fachschüler in der Schule und der Absolvent im Beruf . . . . Der Kath. Religionsunterricht an der HTBL Steyr . Religionsunterricht - Erziehung zum Glauben? . Fachartikel Andesner Ernst, .,ILS" Bachmann Friedrich, ,,Neue Testmethoden im Rahmen moderner KFZ-Servicetechnik" . . Bauer H., Krisper G., ,,Geräuschbekämpfung an Traktoren" . . . . . . . . . . . . . . 57 58 59 60 60 64 67 69
Eichlseder Josef, ,. Ein aktuelles Problem im Physikunterricht: Der Bau von Kernkraftwerken" . . . . . Faatz Hans, ,,Festigkeitsberechnung kurzer Kragarme" 79 79 Faatz Hans, ,.Der Kraftfluß" . . . . . . . . . . . . 83 Haunschmid Josef, ,.Wörterbücher für den Techniker" Deutsch-Englisch, Englisch-Deutsch . . . . . . . . 87 Hubmer Hermann, ,,Das Biosubstrat-Filterverfahren" 93 König Johann, ,.Elektroheizung - Ausweg aus der Energiekrise?" . . . . . . . . . 101 Poulakos Georg t, ,.Die Berechnung von Maschinengründungen unter Berücksichtigung des Einflusses des dynamischen Tragkörpers des Baugrundes" 107 Slatkovsky Othmar, ,.Nur ein Ziegel" .... Sonnbichler Heinrich, ,.Analyse des Schnittes bei einem Fingermähwerk" Sonnbichler Heinrich, ,.Berechnungsgrundlagen für einen selbstfahrenden Längsmähdrescher mit T-förmigem Einzug und Druckwindreinigung" 119 123 131 Wieringer Franz, ,,Das verzerrte Bild" . . . . . . . 139 Wieringer Franz, ,.Was ist orthogonale Axonometrie?·· 143 Wieringer Franz. ,.Geometrie im Raum betrieben" . . 145 Verzeichnis aller Lehrer, die während der letzten zwanzig Jahre an der HTBL Steyr unterrichtet haben . . L11fü111fnr1hme dP.r LP.hrer der HTBL Steyr Lehrer an der HTBL Steyr (Stand vom 31. 8. 1974) Personal der HTBL Steyr Schülerlisten 149 150 153 155 159 Graphische Darstellung der Schülereinzugsgebiete . 177 Graph. Darstellung der Schulentwicklung 1874--1974 179 GESCHICHTLICHES
ALLGEMEINES Nachdem das aufkommende Bürgertum auf die mittelalterliche Stadtschule seinen Einfluß geltend gemacht hatte, erfuhr sie durch die Reformation eine weitere sehr bedeutende Umgestaltung. Die neuen Lateinschulen und die etwas später entstandenen „deutschen Schulen" bedeuteten den Beginn eines Volksunterrichtes. Daneben bestanden zeitweise sog. Winkelschulen, die aber von den Stadtschulen heftig bekämpft wurden. 1732 errichteten die Jesuiten im Zuge der Gegenreformation ein Gymnasium, das jedoch mit der Aufhebung des Ordens im Jahre 1773 aufgelöst wurde. Im 18. Jahrhundert führte die allgemeine Unzulänglichkeit des niederen Schulwesens zu einer ernsten Bedrohung durch die Winkelschulen, derer es schon in der Zeit der protestantischen Schulen einige gegeben hatte. Die Sagan'sche Schulreform unter Maria Theresia stellte diese Mißstände ab, indem die bisherigen fünf Stadtschulen in ein- od. zweiklassige Trivialschulen umgewandelt wurden. Gemäß dem neuen Gesetz eröffnete der Magistrat 1775 eine dreiklassige k. k. Hauptschule, die nun im früheren Gymnasialgebäude der Jesuiten untergebracht wurde. Der von den Ursuliner Nonnen aufgenommene Unterricht für Mädchen schloß die neue Ordnung ab. Inzwischen bahnte sich in der Wirtschaft eine umwälzende Entwicklung an. Seit eh und jeh hatte das Eisen die Hauptquelle des zeitweilig beträchtlichen Reichtums der Steyrer Bürgerschaft gebildet. Sie hatte durch ihren Handel die Roheisen produzierenden Radmeister ebenso wie die Hammermeister, die Weicheisen und verschiedene Stahlsorten herstellten, von sich abhängig ge2 macht. Die Grobschmiede, Klingenschmiede, Schleifer und Messerer, deren mit dem Bindenschildwappen geschlagene Erzeugnisse im ganzen Reich und darüber hinaus sehr begehrt waren, die Büchsenmacher und Büchsensehiller, die Feil- und Zirkelschmiede und das Handwerk der Zweckschmiede, Lederer, Schuhmacher und Seiler prägten das Bild der Eisenstadt. 1511 kam es zu einem Aufstand gegen die Handel treibenden Ratsbürger, in dem letztere jedoch die Oberhand behielten. Nur gegen Ende des Jahrhunderts wurden die Ratsbürger durch das Eingreifen von landesfürstlichen Behörden und durch die Gründung der „Steyrer Eisenkompagnie" etwas eingeschränkt. Schließlich wurde zur Zeit des größten wirtschaftlichen Tiefstandes während der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts das gesamte Eisenwesen in der „lnnerberger Hauptgewerkschaft" vereinigt. Einzelne Handelsherren gelangten zu einem Riesenvermögen. Die aus Tirol stammenden Mittermayr, durch die Steyr auch zur Niederlagsstadt für Quecksilber wurde, erhob der Kaiser 1718 sogar in den Grafenstand. Die Kleineisenindustrie blühte erst wieder unter Maria Theresia und Josef II. auf, gleichzeitig entstanden die ersten Fabrikbetriebe: die Gewehrfabrik des Herrn Penzenstein in Unterhimmel und die Manchester-Fabrik des Daniel Pellet und Anton Schaitter im Dominikanerkloster. Die Erzeugung von Gewehrbestandteilen, die Leopold Werndl im Werk von Letten 1830 aufnahm, gab der Eisenindustrie wohl den bedeutendsten Anstoß. Viele Handwerker, Meister wie Gesellen, zogen in die Fabriken an den Wehrgräben entlang des Steyr-Flusses. Im Donner der schweren Hämmer und vor rastlos schmetternden kleineren Hämmern erwarben sie nun ihren Lebensunterhalt, im Getöse der dumpfen Papiermühlen und zahlloser Hämmerchen, die klirrend und klappernd, an größeren hängend, Pfannen und Kupfer trieben. Die Gewerbeordnung von 1859 brachte schließlich die fällige Aufhebung der Innungen und die Gewerbefreiheit. Die Vergesellschaftung des Handwerks beeinträchtigte andererseits den früher oft ausgeprägten Kunstsinn. Die geänderte Form des Gewerbes fand ihren Niederschlag in der Gründung von Industrieschulen und gewerblichen Vereinigungen. Das Institut für Büchsenmacher-Lehrlinge im ehemaligen Kolleg der Jesuiten nahm 60 Knaben auf, die durch 6 Jahre hindurch unter der Leitung eines Artillerie-Hauptmannes ausgebildet wurden. Auf Grund der gebesserten wirtschaftlichen Verhältnisse konnte 1841 eine angesehene industrielle Lehranstalt eröffnet werden, aus der 1849 die zuerst unselbständige zweiklassige, ab 1863 dreiklassige Unterrealschule hervorging, eine Schulart, die auf deutschen Erfahrungen fußte. Mit der Bewilligung einer Staatsoberrealschule wurde die Schulzeit 1872 von sechs auf sieben Jahre verlängert, womit das Ziel der Steyrer Bestrebungen nach einer vollwertigen Mittelschule erreicht war, obwohl das ursprünglich angestrebte Realgymnasium abgelehnt worden war. Nach einem vorübergehenden Rückgang der Schülerzahl um 1890 nahm die Staatsoberrealschule einen anhaltenden Aufschwung. Ihre Nachfolge trat um 1924 das Bundesrealgymnasrum an, dem das seit 1910 bestehende Mädchenlyzeum angegliedert wurde. Die industrielle Revolution schritt indessen rüstig voran. Steyr brachte zu dieser Zeit einige weltberühmte Männer der Technik hervor: Ferdinand Redtenbacher führte als Direktor das Polytechnikum in Karlsruhe zu großem Ansehen, indem er dort die Vorausberechnung des Wirkungsgrades einer Maschine lehrte und sich den Ruf eines .. Schöpfers des wissenschaftlichen Maschinenbaues" erwarb. - Josef Werndl widmete seine umfangreichen Fachkenntnisse, die er in Thüringen und in den Vereinigten Staaten abrundete, seiner Heimatstadt, die durch ihn eine Blüte erleben sollte wie selten zuvor. Zusammen mit seinem Werkmeister Karl Holub, erfand er einen Verschluß für Hinterladergewehre, der ihm nach der Schlacht von Königgrätz gewaltige Aufträge der österreichischen Heeresverwaltung und einen einträglichen Export in viele andere Staaten sicherte. Durch sein Unternehmen stieg Steyr schließlich zur „Waffenschmiede des Kontinents" empor.') Und als um 1882 der Absatz von Gewehren zu stocken begann, wandte er sich ohne Zögern der Erzeugung elektrischer Geräte zu. Steyr wurde die erste Stadt Europas, in der Bogenlampen als Straßenbeleuchtungskörper Verwendung fanden. Josef Werndl machte schon 1884 darauf aufmerksam, daß die Produktion elektrischer Energie durch Wasserkräfte unserem Land ungeheure Möglichkeiten eröffnen könne. Im selben Jahr veranstaltete er in Steyr seine berühmte Elektrizitätsausstellung, die nach Paris, München und Wien die vierte ihrer Art auf dem ganzen Erdkreis darstellte. Die so hoch entwickelte Industrie benötigte dringend geschulte Kräfte. Schon seit 1837 hatte man in Steyr die Errichtung einer technischen Schule geplant. Die schon genannten Vorläufer gehen auf die Initiative des 1837 von Erzherzog Johann gegründeten lnnerösterreichischen Gewerbevereines zurück. Oberösterreich war diesem angeschlossen und bildete unter dem Steyrer Eisenhändler Josef v. Koller eine eigene Zweiggruppe. Seit 1864 gab es an Abenden Fortbildungskurse für Gewerbetreibende. Gleichzeitig entstanden die sogenannten Wiederholungs-(Fortbildungs-)Schulen und Fachschulen in den Räumen der Volksschulen. Die Wiederholungsschulen boten Lehrlingen nach Verlassen der Volksschule an Sonntagen drei Stunden Unterricht, während die Fachschule zwei Klassen Unterrealschule oder eine gute Absolvierung der Wiederholungsschule voraussetzte. Um 1870 wurden in der Monarchie allgemein viele Fachschulen gegründet, davon jedoch nur in Klagenfurt und Komotau je eine für das Metallbearbeitende Gewerbe. Erstaunlicherweise mußte Bürgermeister Moritz Crammer aus Briefantworten erfahr.en, daß selbst Altona, Remscheid, Solingen, Iserlohn, Nürnberg und andere Städte keine Schulen dieser Art besaßen und daher keine Ratschläge geben konnten, wie das berufsbildende Schulwesen in Steyr zu fördern sei. 1872 richtete die Stadtgemeinde eine Petition an den oberösterreichischen Landtag, worin darauf hingewiesen wurde, daß sich Steyr immer mehr zum Mittelpunkt der Eisenindustrie in diesem Land entwickle und eine entsprechende Schule dringend benötigt werde; selber wolle man .,die Kosten für Beheizung, Beleuchtung und Wartung übernehmen und die zum Unterrricht notwendigen Lokalitäten beistellen" .2) Die daraufhin beschlossene Enquete von Fachleuten, der unter anderen Josef Werndl und Karl v. Koller angehörten, ermunterte die Stadt, um Bewilligung der Schuleröffnung anzusuchen. Schon am 23. Jänner 1874 konnte der rege Bürgermeister Crammer die bevorstehende Eröffnung einer Fachschule für Eisenindustrie bekanntmachen. In zwei Abteilungen sollte der unentgeltliche Unterricht im Gebäude der Staatsoberrealschule an Sonn- und Feiertagen von 7.30 bis 11.30 Uhr und von 13.00 bis 16.00 Uhr für alle jene aufgenommen werden, die schon eine Lehre in einem metallbearbeitenden Beruf begonnen hatten und Interesse zeigten. Die Eröffnung fand am Sonntag, den 8. Februar 1874, um 10.00 Uhr statt. 3
Bekanntmachung. ~n~ b11bc f. f. .j;l1111bt14mi11iflrtht111 bot Oir ; (frridJtung rinrr Jad>fdlnlr ltir tirrn -Jnbnnrir in Sttor btmilli11t, null bicmlt d11r111 lt1nnft 11r~1·Mrn, 11011 bn· (~.ir111d11br, l!.lrrtrtl11no wtrbnl)oli unb 11nd), l'nh:flidJ 311111 •!lus brmfr nrbrod)trn !lli1111fdir brr Eitttbl I.Rrdi1111110 ortrnnrn. ~Jlod) brm l\orlirornbrn ~dmlftntutr br!turcft brr ,rn brr -S dJulc All trtl)tllrnbc llntrrrid)t: a.) - il' fnd) lhf)r -l}rranbil Onn 1 11011 •fübrltrrfritftrn für Nr {§;ifru, unb ®to~(,~ubuftri t 11011 ®ttl)r unb Umgrbuno. - b) '.Die 3ci1ormllfic \jottbilb111111 bn mtl brr ~lfrn <)11b11ftrir ndJ btfd)1lfliqc11brn @crorrbt, lrutc uon ®ltl)r. 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NilµNtitilm :R,tumro m ~tn ~d)nM!ornhmrn nrt talt ir. 1)1t G-rliifnm10 trr ed)!!_k 11rit!Jit~! ~m ,~onntag tim 8. ~cbrunr 187,1 um 10 U~t t3ormittag un ll:lnidn !'Nl .::::~tth<5o_u11te a. ~ . _. . _ _ . • $t!!'tm ilt fo11at\l (licm1t 1'1t fünd}lllllg Nr <YOdJJd)u!t l!H ij11rn,:)nbn11m, b1r oel!' be, brn t f ,fhmMom imitm11m fcfort 11111 rin« rtii!Jrn •)tnownbl uon ~cfirm urrln ani\qql~!l't ll>ttfbt , 'r-nrntltt\l Munlll lllddlf, cr4d}tf 1d) c~ 'W!kld/ hir m11nc '.IHl!d!I. Jllt illhl!rld:'JI ~r, 11&i-1m11 b.r ,2.t,ult uui·nromm, Mt ~!lrm, IIIÖ\lt tr ale !l.l<mttt fltl ()}nrnbr l!lb1tudt1~U! lltll\'!b(ll, ol'n ,,1;, ~lfiilit c\lrr l?tbrllll<j lll ~fra!Cllhllll} j\d.)(ll, \;irlti1rnbw b!llfl, udi llrt rtrf -litlltll ~tnit, @t ~l,'l)(T lltt \Sti<~npaftnc. Ilm!! f!rllt un\l ttr bcM1tml't11 tionmrun; 1HI ~t}fln. @(1'1rtc tllfW~II .i'tffi!ltlU!l( jU li\Wlld!l., . ... ,~ , m mo {u'(lß1m. DIE FACHSCHULE FOR EISENINDUSTRIE (1874 - 1878) Nur drei Lehrer standen anfangs zur Verfügung: Der Professor der Realschule Josef Wurzinger stand der Schule als Leiter vor und unterrichtete sechs Wochenstunden Geometrie, geometrisches Zeichnen und die kaufmännischen Fächer Schnell- und Schönschreiben, kaufmännisches Rechnen und Buchhaltung. Freihandzeichnen und Modellieren lehrte in drei Wochenstunden der Inhaber einer gewerblichen Zeichenschule Karl Petrusch, und Maschinenlehre und -zeichnen, ebenfalls mit drei Wochenstunden, der Beamte der Waffenfabrik Ludwig Matzka. 72 Schüler meldeten sich zur Fachschule, davon 64 als ordentliche. Der älteste war 42, die jüngsten 15 Jahre, 20 Schüler hatten das zwanzigste Lebensjahr schon überschritten. Schon im gleichen Jahr stieg aber die Schülerzahl auf 105 und erreichte mit 177 im Jahre 1877 ihren Höchststand. Innerhalb der fünf Jahre besuchten insgesamt 644 Schüler die Fachschule, unter denen das Höchstalter 45 Jahre bildete. - Trotz guter Ausbildung und Beliebtheit konnte der eigentliche Zweck der Fortbildung von Gewerbetreibenden nicht voll erreicht werden. Es fehlte, anders als in Klagenfurt und Komotau, eine Lehrwerkstätte. Um Abhilfe zu schaffen, wandte sich der Gemeinderat an den Handelsminister, der daraufhin den Professor am Polytechnikum in Wien, der heutigen Technischen Hochschule, Ludwig Hauffe, zu einer Untersuchung der Lage entsandte. Dieser stellte fest, daß zur wirtschaftlichen Wiederbelebung der Kleineisenindustrie eine Versuchsanstalt errichtet werden müsse, wobei eine engere Zusammenarbeit mit der Industrie angestrebt werden solle, und daß vor allem zur Förderung der Messererzeugung eine Lehrwerkstätte den theoretischen Unterricht ergänzen müsse. Aber erst durch eine persönliche Vorsprache beim Kaiser erreichte Bürgermeister Crammer die Errichtung einer solchen Versuchsanstalt im sogenannten Leopoldsedergut. Diese alte Nagelfabrik mit Drahtzug in der heutigen Sehleitergasse in Aichet wurde auf fünf Jahre von der Gemeinde gepachtet, die auch die Kosten für die Adaptierung, Beleuchtung, Beheizung und Reinigung trug. Direktor der „Versuchsanstalt für Stahl- und Eisenindustrie" wurde der 33jährige Wiener Ingenieur Fritz Franz Maier, der später durch die Entwicklung der „Maier-Schifform" berühmt wurde. Schon als Student hatte er hydromechanische Versuche durchgeführt. Für seine fünfjährige Tätigkeit in Steyr brachte er aus Triester Werften, den USA und aus einer Budapester Werft reiche Erfahrung mit.3) Trotz des ungünstigen Geländes, der ständigen Feuchtigkeit infolge der Lage dicht an der Steyr, und trotz der sehr notdürftigen Ausstattung erzielte die Versuchsanstalt so befriedigende Erfolge, daß sie bald erweitert wurde. Schließlich ließ man die bisherige Fachschule auf und verlegte den theoretischen Unterricht an die Versuchsanstalt, die nun zwar weiterhin dem Handelsministerium unterstand, aber unter einem anderen Namen am 15. Oktober 1878 den Unterrichtsbetrieb fortsetzte. 5
Bild Seite 5 „Ansicht der ersten Zeugstatt im Wehrgraben, deren jügster Teil die neu erbaute Nagelfabrik war Reproduktion eines alten Bildes aus dem Steyrer Heimathaus Bild rechts: Leopoldsedergut 1964 1877 6 ~~~ -~'.; : r ~ lr.,f1t...;.-~ :. - ••~ _7, __ - - , ..11 1 g,,,~i.--=~~b~~~~~~.. J-.J~-~~~~~~~ ~ ' "'" l.-~..........r,,.l(ot...... - J,lt-- ===--- .,}/.~~ .J.... ~" DIE K. K. VEREINIGTE VERSUCHSANSTALT UND LEHRWERKSTÄTTE FOR STAHL- UND EISENINDUSTRIE (1878 - 1883) Nur zehn Schülern wurde dort vom Direktor und seinen fünf Lehrern theoretischer und praktischer Unterricht erteilt. Schon läßt sich aber die Form erkennen, die noch heute in der Verbindung von Lehrsaal- und Werkstättenunterricht besteht. Für den ersten Jahrgang waren Arithmetik. Geometrie, Technologie, Handelsgeographie, Geschäftsaufsätze, Geometrisches Zeichnen, Freihandzeichnen und Schönschrift vorgesehen. Diese Gegenstände ergänzten im zweiten Jahr Mechanik, Buchhaltung, Fachzeichnen, Maschinenzeichnen, Entwerten und Kalligraphie. Nicht nur das Messerschmiedegewerbe, sondern auch die Erzeugung feiner Stahlgalanteriewaren sollte erlernt werden. Die Schule erfreute sich tatkräftiger Unterstützung durch die Linzer Handelskammer und die Landes- und Gemeindebehörden in Form von Stipendien. Zur Wahrung der wirtschaftlichen Interessen wurde ein Kuratorium angegliedert, das aber auf pädagogische Belange keinen Einfluß nahm. Viele Handwerker bezogen Halbfabrikate und, gegen geringe Gebühr, auch maschinelle Einrichtungen der Schule. Von der Anstalt hergestellte Werkzeuge und Geräte konnten sie zum Selbstkostenpreis erhalten. Nur vereinzelt war Ablehnung oder Feindschaft zu beobachten. Die sehr ungünstige Lage und Unterbringung machte bald die Errichtung eines anderen Gebäudes unumgänglich. Die sparsame Stadtverwaltung sah die Notwendigkeit zwar ein, bot Direktor Maier zunächst aber nur die recht baufällige Heindlmühle in Zwischenbrücken an. Erst als dieser das Ansinnen energisch zurückwies. fand sie sich bereit, die benötigten 45.000 II. zu bewilligen. Daraufhin verzichtete das Ministerium für Kultus und Unterricht. das kurz vorher das gesamte technischgewerbliche Schulwesen übernommen hatte, auf jede weitere Beitragsleistung durch die Stadt und sicherte ihr das Eigentumsrecht zu. 1882/83 entstand das Gebäude in der Schwimmschulstraße 13, das drei Lehrsäle, sechs Werkstättenräume, zwei Sammlungszimmer. einen Maschinenraum und mehrere Nebenräume umfaßte. Noch während der Bauarbeiten schied Direktor Maier. einer anderen Berufung folgend. aus dem Amte. Die Eröffnung am 15. Juli 1883 fand schon unter Direktor Ing. Alfred Musil statt. An der Einweihung am 23. September 1883 nahmen neben anderen prominenten Gästen der Unterrichtsminister Conrad von Eybesfeld, der Handelsminister Pino, der Statthalter Freiherr Weber-Ebenhof, der Bischof von Linz Rudigier und der Generaldirektor der „österreichischen Waffenfabriksgesellschaft" Josef Werndl teil. Die rund dreißig Schüler hatten eine angenehmere Unterrichtsstätte gefunden. Schulgebäude 1883 -1921 - Erbaut 1882 -1883 Foto 1954 7
FACHSCHULE UND VERSUCHSANSTALT FOR EISEN- UND STAHLBEARBEITUNG (1883-1920) Der Umbenennung der Schule entsprachen zwei einschneidende Änderungen in der Organisation: Die Schuldauer wurde um ein Jahr aufgestockt, und die Abteilung für Messerschmiede, die bisher den Hauptzweig gebildet hatte, wurde durch eine weitere für Feinzeugschmiede und Werkzeugschlosser ergänzt. Aber erst die zweiten Jahrgänge wurden getrennt geführt, während der erste für beide die gemeinsamen Grundlagen schuf. Die große Konkurrenz modernster deutscher Industrien. besonders der von Solingen. liP.A allerdings die Steyrer Messerindustrie nicht mehr recht aufkommen, obwohl man sich bemühte, Qualität, Geschmack und Ausführung zu verbessern. Die Abteilung für Werkzeugschlosser hingegen gewann aus dem Fortschritt der Schwerindustrie und erfreute sich ständig steigender Schülerzahlen. Gleichzeitig tauchte die Absicht auf, auch eine Abteilung für Elektrotechnik zu errichten, was zweifellos auf den Einfluß der Elektrizitätsausstellung Josef Werndls zurückzuführen ist; als aber in der Waffenfabrik wieder große Aufträge der Heeresverwaltung für das Repetiergewehr „System Mannlicher" einliefen, wurde dieser Plan alsbald begraben. Auch so verdoppelte sich die Schülerzahl nach und nach, und seit 1889 bestand für Gewerbetreibende und Gehilfen die zusätzliche Möglichkeit, an Werktagsabenden und Sonntagvormittagen Fortbildungskurse in einem Umfang von 19 Wochenstunden zu besuchen. Bald darauf wurde Direktor Ing. Musil, dem diese eindrucksvolle Ausgestaltung der Schule gelungen war, als Professor an die Technische Hochschule in Brünn berufen. 8 Sein Nachfolger, der bisherige Fachvorstand Ritzinger, versuchte als letzter Direktor, das Gewerbe der Messerschmiede aus der Krise zu führen. Seine Vorliebe für das Kunstgewerbe, die er schon als Absolvent des Museums für Kunst und Industrie in Wien ausgeprägt hatte, reifte in ausgedehnten Studienreisen im Auftrag der Unterrichtsverwaltung zu besonderer Höhe. Viele Objekte der bewundernswerten Petermandl'schen Messersammlung, die von seinem Kunstsinn und Interesse zeugP.n, wurden von ihm gestiftet. 1882 war diese der Schule als wertvolles Anschauungsmaterial überlassen worden. Jedes Jahr kamen neue hinzu, fast jede Gegend der Erde ist vertreten.') 1917 wurde sie dem Technischen Museum in Wien übergeben. - Darüber hinaus schuf er 1894 eine Lehrstelle für Ziselieren und Gravieren und ließ sie von dem bedeutenden Künstler Leo Zimpel besetzen, der auch die 1905 errichtete eigene Abteilung für Graveure, Ziseleure und Stempelschneider leitete. Diese wahrte in der Folgezeit, als die Abteilung für Messerschmiede immer weniger Interessenten fand und schließlich aufgelassen wurde, allein das Erbe des alten Eisengewerbes von Steyr. - Im selben Jahr, als Direktor Ritzinger diesem historisch begründeten Zweig eine neue Richtung gab, errichtete er, den betrieblichen Entwicklungen der Wirtschaft Rechnung tragend, auch einen Kurs für Kesselheizer und Dampfmaschinenwärter, der sich großer Beliebtheit erfreute und bis 1922 von 852 Personen besucht wurde. Die Tagesschule zählte um 1900 60 bis 80 Schüler, wovon der größte Teil auf die Abteilung für Werkzeugschlosser entfiel. Nach dem Tod dieses künstlerisch überaus aufgeschlossenen Direktors trat der bisherige Professor an der Schule Ing. Rudolf Pawlicka im Jahr 1901 die Nachfolge an. Da sich Steyr inzwischen zum größten Industriezentrum Oberösterreichs entwickelt hatte und die Fachschulen von Klagenfurt und Komotau bereits zu höheren technischen Schulen geworden waren, drängte man auf die Errichtung einer Staatsgewerbeschule. Außerdem war das 1883 errichtete Gebäude für die ständig steigende Schülerzahl zu klein geworden. Die Bemühungen scheiterten aber ebenso an der Bereitstellung der Mittel wie früher die Einrichtung einer Elektro-technischen Abteilung. Indessen bescheinigten die Sitzungen der „Zentralkommission für Angelegenheiten des gewerblichen Unterrichts". die jetzt die zuständige Aufsichtsbehörde im Unterrichtsministerium geworden war, der Schule einen hervorragenden Ruf. Als Anerkennung für seine Verdienste verlieh man Direktor Pawlicka den Titel „Staatsgewerbeschuldirektor" ad personam und ernannte ihn zum Regierungsrat. 1908 übernahm das neu errichtete Ministerium für öffentliche Arbeiten die Aufsicht von der Zentralkommission. Die Ausweitung der Wirtschaft in der Monarchie und der wirtschaftliche Optimismus schlugen sich in kräftiger Förderung der gewerblichen Schulen nieder. - Doch nicht mehr lange währte die Blüte, und der Krieg walzte die Hoffnungen nieder. Mehrere Lehrer der Schule mußten gleich zu Beginn einrücken, Fachlehrer Albert Mittringer starb 1918 in russischer Gefangenschaft, auch von den älteren Schülern kamen mehrere ums Leben: und die Schule mußte ihre WerkEntwurf l'nr tlrn Bau der k. k. Versuchs-Anstalt und Lehrwcrk st!ltte in Stadt Steyr. Grundri ss zu ebener Erde. ... ~ 1 j 1882 stätten für militärische Zwecke räumen. Direktor Pawlicka starb 1916 und hinterließ seinem Nachfolger, der vorerst nur provisorisch die Schule leitete, eine schier erdrückende Aufgabe. Zu all dem kam noch, daß infolge der Lage am Fluß einzelne Teile des Gebäudes mehrmals überflutet wurden und die Unterbringung der neu gegründeten städtischen Handelsschule im Jahr 1917 die Raumnot empfindlich verschärfte. Erst nach dem Zusammenbruch der Monarchie bot sich die ersehnte Lösung. Die 1885 erbaute geräumige Jägerkaserne in der Schlüsselhofgasse 63 war zwecklos geworden und eröffnete mit ihren 22.000 m2 Fläche. wovon mehr als die Hälfte als Exerziergelände gedient hatte. ungeahnte Möglichkeiten. Nach großen Anstrengungen erreichte der erst 1919 zum Direktor ernannte Ing. Karl Wolf. daß das Staatsamt für Heerwesen der Stadtgemeinde die Kaserne übergab. Nachdem die Bewilligung des nun zuständigen Staatsamtes für Handel und Gewerbe eingelangt war. begann man mit dem kostspieligen Umbau. Der theoretische Unterricht wurde dort am 1. Dezember 1920 aufgenommen, während die Übersiedlung der Werkstättenmaschinen längere Zeit in Anspruch nahm. so daß das bisherige Gebäude der Stadtgemeinde erst am 9. Juli des darauffolgenden Jahres zurückgegeben werden konnte. 9
DIE BUNDESLEHRANSTALT FOR EISEN- UND STAHLBEARBEITUNG UND FOR ELEKTROTECHNIK (1920 - 1938) Für den theoretischen Unterricht verfügte man nun über sechs Dienstwohnungen für Lehrer und Schulwarte, sechs Lehrsäle, vier Laboratoriumsräume, zwei Sammlungszimmer und ein Atelier, und für den Werkstättenunterricht konnte man zwölf Säle und mehrere Nebenräume adaptieren. Außerdem konnten die beträchtlich steigenden Schülerzahlen mühelos bewältigt werden, und für auswärtige Schüler, deren Anteil von Jahr zu Jahr zunahm, errichtete man ein Heim, das sich allerdings selbst erhalten mußte. Besonders die Fachschule für Maschinen- und Werkzeugbau, welche die frühere Abteilung für Feinzeugschmiede und Werkzeugschlosser ablöste, übte eine mächtige Anziehungskraft aus. Sogar der lang gehegte Wunsch, eine Elektrotechnische Abteilung zu erhalten, ging in Erfüllung. Die Auflösung der Abteilung für Messerschmiede, die immer weniger und zuletzt nur von 2 bis 5 Schülern besucht wurde, ergab einen zusätzlichen Raumgewinn. Dagegen blieb die Abteilung für Graveure und Ziseleure nicht nur weiter bestehen, sondern erfuhr noch eine starke Erweiterung. Dies war nicht zuletzt dem Wirken Professor Hans Gerstmayrs zu danken, der beim berühmten Stahlschnittmeister Michael Blümelhuber in die Lehre gegangen war. Er führte den künstlerischen Stahlschnitt an der Schule ein. Absolventen dieser Richtung waren gesucht und verbreiteten den Ruf der Schule weit über die Grenzen Oberösterreichs. Es war die einzige Fachrichtung, in der auch Mädchen aufgenommen wurden.') 1923 erweiterte sich der Aufgabenbereich um die gewerbliche Fortbildungsschule, welche Lehrlingen aus metallbearbeitenden 10 Berufen aus den umliegenden Bezirken einmal wöchentlich eine Schulbildung vermittelte, die als Ergänzung ihrer Lehre beim Meister gedacht war. Die Schwierigkeiten, die daraus naturgemäß erwuchsen, waren nicht gering, konnten jedoch mit viel Arbeit und Fleiß überwunden werden. - Nicht bewilligt wurde aber die Erhebung zur Staatsgewerbeschule, obwohl Linz nur bautechnische Abteilungen besaß und höhere Abteilungen mechanisch-technischer, elektrotechnischer und chemisch-technischer Richtung im Rahmen des Schultyps in Oberösterreich dringend benötigt wurEhemalige Jägerkaserne bis 1920 den.•) Der gediegenen Ausgestaltung der Schule folgte der Titel eines Regierungsrates für den Direktor. Nach dessen frühem Tod im Jahr 1933 trat das erste Amt Professor Ing. Ferdinand Freihofner an. Die Schülerzahl bewegte sich zwischen 150 und 170. wovon ungefähr zehn auf die Abteilung für Graveure, die übrigen je zur Hälfte die beiden anderen besuchten; an den Fortbildungskursen nahmen zirka 150 Lehrlinge teil. Der theoretische Unterricht wurde von acht, der praktische von insgesamt neun Lehrern erteilt. Im Jahr 1928 fanden sich zur Feier des 50jährigen Bestandes - die vierjährige Fachschule für Eisenindustrie bis 1878 hatte man nicht berücksichtigt - fünfhundert Absolventen aus allen Teilen Osterreichs, Sektionschef Dr. Wohlgemuth vom Bundesministerium für Unterricht und Dr. Schwinner in seiner Eigenschaft als Landeshauptmann-Stellvertreter von Oberösterreich ein. Allseits hob man die Bedeutung der Bundeslehranstalt hervor und würdigte sie. Bald darauf nahm die Weltwirtschaftskrise immer bedrohlichere Ausmaße an und stürzte mit der jetzt „Steyr-Werke" b8nannten Waffenfabrik die Stadtgemeinde selbst in schwere finanzielle Not. Um wenigstens die Sorge um die Erhaltung der umfangreichen Schulgebäude abwerfen zu können, boten sie die Stadtväter dem Bundesministerium für Handel und Verkehr zum Kauf an, mußten aber die ursprünglich geforderten S 450.000.- auf S 300.000.- herabsetzen. Der Vertrag kam am 17. Dezember zustande, womit alle Anlagen der Schule in Bundesbesitz bis auf den heutigen Tag übergingen. Zu dieser Zeit erhielt sie unter Mitwirkung von Lehrern und Schülern zwei musterhaft ausgestattete elektrotechnische Laboratorien. Der Anfang für die Kraftfahrzeugtechnik an unserer Schule wurde 1932 gesetzt, als für Schmiede- und Schlossermeister, die die Kraftfahrzeugkonzession erwerben wollten, sechsmonatige Kurse abgehalten wurden. Die 40 bis 60 Interessenten fanden im Internat Aufnahme. Bald nach der Übernahme der Direktion durch Ing. Josef Haßlinger im Jahr 1933 wurde die Schule vom Februaraufstand in Mitleidenschaft gezogen. 300 Schüler waren unversehens eingeschlossen, und Lebensmittel konnten nur unter Gefahr herangeschafft werden. Um die Aufständischen zur Aufgabe ihrer Stellungen zu zwingen, wurde schließlich das Gebäude unter Beschuß genommen, wodurch das zweite Stockwerk zum Teil erhebliche Beschädigungen erfuhr. Dem Sozialprogramm der darauffolgenden Jahre entsprechend wurden 1935 für Arbeitslose Umschulungskurse eingerichtet, wovon 80 Personen Gelegenheit ergriffen. Trotz großer Schwierigkeiten gelang es dem Direktor, den Anbau der zwei großen Werkstättengebäude durchzuführen. 1936 wurde er zum Regierungsrat ernannt. Die geplante Vermehrung der Abteilungen vereitelte der Anschluß an das Deutsche Reich. DIE STAATSFACH- UND DIE INGENIEURSCHULE (1938 - 1945) Die Verwaltung des Schülerheimes, das meist 100 Schüler beherbergte, ging sogleich in die Hände des Steyrer Magistrates über. Die Schule selbst wurde, wie schon oft in ihrer bewegten Geschichte, umbenannt. Bis 1942 hieß sie Staatsfachschule, dann, nach deutschem Muster, Ingenieurschule. Seitdem erhielten ihre Absolventen das Recht, nach vierjähriger Praxis den Titel „Ingenieur" zu führen. Im selben Jahr trat an die Stelle der dreijährigen Fachschule für Maschinen- und Werkzeugbau eine vierjährige Abteilung für Kraftfahrzeugbau. Direktor wurde der 1938 eingesetzte kommissarische Leiter Ing. Rudolf Mitterhauser. Der Lernerfolg litt sehr unter dem ständigen Wechsel, den die Einberufung älterer Schüler und vieler Lehrer verursachte. Als im Februar 1944 in der Nähe des Gebäudes zahlreiche Bomben gefallen waren, schien die Auflösung der Anstalt bevorzustehen. Die Schüler der ersten Jahrgänge übersiedelten in die Linzer Bundesgewerbeschule, die Steyr-Werke nahmen die Lehrer und älteren Schüler zum Arbeitseinsatz auf und erhielten die Maschinen und Werkstätten zugewiesen, bis schließlich empörte Arbeitskommandos plünderten; alles wurde fortgeschafft und die Bibliothek, das Archiv und die Kataloge gingen in Flammen auf. 11
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