100 Jahre Evangelische Kirche Steyr Stadt 1898-1998

undenkbar. In den von Krisen geschüttelten Jahren verkündigte er das Evangelium als festen Halt in den Stürmen der Zeit. Durch eine von Gott verlie– hene außergewöhnliche Redegabe wies er in un– zähligen Predigten im Rahmen von Gottesdiensten, Beerdigungen und Verabschiedungen vielen Men– schen den Weg zum evangelischen Glauben. Viele Kontakte knüpfte er im Ausland (Deutsch– land , Schweiz, Schweden, Holland und Amerika) . Überall weckte er die Bereitschaft, den in Steyr not– leidenden Menschen zu helfen. Der schweizerische Hilfsverein unterstützte mit namhaften Beträgen die arme Steyrer Pfarrgemein– de. So konnte am Damberg ein großes Grundstück erworben werden, auf dem die arbeitslosen Arbei– ter der Pfarrgemeinde für ihre Familie Gemüse und Kartoffeln anpflanzten. Dieser Ort, ,,Erdsegen" ge– nannt, entwickelte sich nicht nur zur land– wirtschaftlichen Nutzfläche, sondern zu einer Stät– te der Begegnung und Gemeinschaft, zu einem Treffpunkt der evangelischen Gemeinde in den Jah– ren der großen Not. Großen Zulauf hatten die dort im Grünen stattfindenden Gottesdienste. Sie wur– den für die Teilnehmer zum unvergeßlichen Erleb- FLEISCHMANN nis. Gegen Ende des Krieges wuchs nicht nur die seelische Not in der Gemeinde. Immer mehr Sol– daten kamen an der Front um und die Angehöri– gen brauchten Trost. Noch zeitintensiver und kräfte– raubender war aber der Einsatz unter den vielen Menschen, die jetzt nach Steyr kamen: Aus Berlin waren es 2000 evangelische Kinder, aus den deut– schen Ostgebieten strömten Tausende Vertriebene und Flüchtlinge in vier große Lager im Gebiet der Pfarrgemeinde. Zunächst stand Pfarrer Fleischmann allein in diesen ins unermeßliche gestiegenen Auf– gaben. Trotz schwerer Erkrankung und Erschöp– fung brachte er es nicht übers Herz, die Gemeinde allein zu lassen und so war er zur Stelle, wo er ge– braucht wurde. Mit dem großen Flüchtlingsstrom kamen 1944 mit den Siebenbürgersachsen auch zwei Lehrer und Pfarrhelfer, Hans Töper und Martin lntscher nach Steyr, erhielten Wohnung im Pfarrhaus und über– nahmen den Seelsorgedienst für den mittlerweile schwer erkrankten Pfarrer Fleischmann. Die Bombenangriffe überstanden Kirche und Pfarrhaus mit zerbrochenen Fensterscheiben und

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