100 Jahre Evangelische Kirche Steyr Stadt 1898-1998

evangelischen Steyrer. Dies war bei einem so wei– ten Weg vom Mühlviertel her sehr mühsam. Sechs– mal im Jahr kam er zu einem Gottesdienst nach Steyr, den er damals im Rathaus abhielt. Zu Pfingsten erließen der Beamte Friedrich Ernst Berthold, die Werkführer Wilhelm Geiger und Her– mann Nitsche, sowie der Sattlermeister Albert Kerth einen Aufruf, daß sich alle Evangelischen zu regel– mäßigen Geldbeiträgen verpflichten sollten, damit eine Gemeinde gegründet und ein Pfarrer berufen werden könne. 47 Evangelische, vom Feldmarschall Leutnant bis zum Tagelöhner, vom Fabrikanten bis zum einfachen Armaturarbeiter verpflichteten sich daraufhin zu regelmäßigen und beträchtlichen Jahresbeträgen, falls es zu einer Gemeinde– gründung käme. Der Aufruf hatte Erfolg. Ebenso das Ansuchen an den hohen k.u.k. Evangelischen Oberkirchenrat in Wien. Die evangelischen Pfarrgemeinde AB Steyr Am 23. Oktober 1875 erfolgte die behördliche Genehmigung zur Konstituierung einer Evangeli – schen Pfarrgemeinde A.B. in Steyr. Am 18. November 1877, nach 233 Jahren, hielt in Steyr ein eigener Pfarrer, Karl Freyler, in einer selb– ständig gewordenen Gemeinde seinen ersten Got– tesdienst. Die wenigen Steyrer Protestanten wagten viel. Mit starkem Gottvertrauen und großem Einsatz an Arbeit und Spenden gingen sie ans Werk. In der Gleinkergasse kauften sie ein Haus. Im Erdgeschoß richteten sie einen Betsaal und im ersten Stock eine Pfarrerwohnung ein. Bis das Haus benutzbar war, fanden die Gottesdienste weiterhin im vom Magi- T OLERANZZEIT strat bereitgestellten Rathaussaal statt. Ab dem 14. April 1879 hatten die Evangelischen nun ihre eige– ne Gottesdienststätte. Im selben Jahr erfolgte die Gründung eines Kirchbauvereins, in der Hoffnung, bald ein geeignetes Grundstück zum Kirchenbau zu erwerben. Aber nicht nur Evangelische gehör– ten diesem Verein an. Im Jahresbericht war zu le– sen: ,,Bei dieser Gelegenheit können wir nicht un– terlassen, mit größter Freude jener zahlreichen, hochherzigen, edeldenkenden Katholiken und nicht minder der mildtätigen Israeliten in Steyr zu geden– ken, die zum Kirchenbaufond als Wohltäter oder Ver– einsmitglieder beigesteuert haben." Groß war die Enttäuschung in der jungen Ge– meinde über die Berufung Pfarrer Freylers nach vier– jähriger Tätigkeit nach Rumburg in Deutschland. Es kam zu einer achtjährigen Pfarrervakanz. In dieser Zeit nahm sich Pfarrer August Koch von Linz aus liebevoll der kleinen Gemeinde an. Nicht zuletzt durch die treuen, glaubensstarken Presbyter Josef Urbanek und Wilhelm Geiger erlitt die Gemeinde in Ehemaliges Bethaus 23

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