100 Jahre Evangelische Kirche Steyr Stadt 1898-1998
REKATHOLISIERUNG Steyr glich einer großen Ruine. Der Steyrer Chro– nist Franz Xaver Pritz schrieb über derart große Mutlosigkeit, daß selbst die edelsten Bürger an der Rettung der Stadt fast verzweifelten. Im Jahre 1651, ein Vierteljahrhundert später, stan– den in Steyr 141 Häuser öde und ohne Eigentümer, 17 waren leer, obwohl sie Eigentümer hatten und 174 hatten gänzlich verarmte Eigentümer. Die wohlhabendsten und tüchtigsten Steyrer hatten sich 1627 eine neue Heimat suchen müssen. Das brach– te der Stadt einen wirtschaftlichen Niedergang, von dem sie sich lange nicht erholen konnte. Immer wie– der wurden Bürger bestraft, die an evangelischen Geheimgottesdiensten teilgenommen hatten oder bei denen man bei Hausdurchsuchungen lutheri– sche Bücher und Bibeln fand. 1663 verlangte der Garstener Abt Bestrafung der Bürger, die sich beim Durchzug der schwedischen Hilfstruppen zum „lu– therischen Exercitium" (Evangelischer Gottesdienst) einfanden. Bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts meldeten die Steyrer Jesuiten in ihren Jahresberichten an die Oberen, daß sie da und dort Menschen zum wah– ren (römisch-katholischen) Glauben zurückgeführt und bekehrt hatten. Vom Kaiser tatkräftig unterstützt, wurden neue Klöster, wie das Jesuitenkloster mit Michaelerkirche und das Cölestinerinnenkloster mit Kirche (heute altes Stadttheater) erbaut, sodaß Mönche und Nonnen von sechs Klöstern (Bene– diktiner in Garsten und Gleink, Dominikaner, Kapu– ziner, Jesuiten und Cölestinerinnen) das Glaubens– leben der Steyrer Bürger überwachen konnten. So wurde das ehemals evangelische Steyr in der 150jährigen Gegenreformation und Verfolgungszeit der Lutheraner schließlich eine rein römisch-katholische Stadt. 22 Die Toleranzzeit ab 1781 Am 31. Oktober 1781 erließ Kaiser Josef II. das Toleranzedikt. Die Evangelischen sollten wieder ge– duldet werden und nicht mehr um ihres Glaubens willen die Heimat verlassen müssen. Aber da war kein einziger mehr in Steyr, der von dieser Duldung Gebrauch gemacht hätte. Bauern zwischen Steyr, Wels und Linz hatten je– doch in ihrer Abgeschiedenheit die Zeit des Geheim– protestanti smus durchstehen können. Sie be– kannten sich nun als „Evangelisch Augsburgischen Bekenntnisses", taten sich zusammen und gründe– ten Pfarrgemeinden. Sie bauten unter großen Op– fern Bet-, Pfarr- und Schulhäuser und beriefen aus Deutschland Pfarrer und Lehrer. So entstand als nächste Toleranzgemeinde von Steyr oberhalb von Kematen die Evangelische Pfarrgemeinde Neukematen. Zum Pfarrsprengel dieser Gemeinde gehörte auch das Gebiet von Steyr und die weni– gen Steyrer Neuprotestanten mußten vier Stunden zu ihrem Gottesdienst nach Neukematen wandern. Der Pfarrer von Neukematen betreute auch die evan– gelischen Gefangenen in der Strafanstalt Garsten. Als sich das Häuflein der evangelischen Steyrer durch Zuzug vermehrte, hielt der Neukematner Pfar– rer einige Male im Jahr in Steyr Gottesdienst. Durch die rasch aufblühende Waffenindustrie kamen evan– gelische deutsche und sudetendeutsche Arbeiter nach Steyr, um hier zu arbeiten. 1873 fanden allei– ne aus Sachsen 34 junge Männer Beschäftigung in der Waffenfabrik. Zur Übernahme großer Waffenbestellungen hielten sich preußische Beam– te und Offiziere jahrelang in Steyr auf. 1873 übernahm Pfarrer Ludwig Schwarz von Gallneukirchen aus die geistliche Versorgung der
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