Zum 100. Geburtstag von Enrica Handel-Mazzetti
„Armen Margaret" der Fall war. Anregung kam diesmal von zwei Erlebnissen, die natürlich nur mithalfen, das Werk zu fördern. In der Vorstadtpfarrkirche St. Michael in Steyr ist im Altarschrein einer linken Seitenkapelle ,die liebliche Wachsfigur der heiligen Euphemia zu sehen, die auf die Dichterin einen großen Eind11uck machte 62 • Diese Figur erschien ihr als Verkörperung ihres Ideals einer heiligen Jungfrau. Dazu gesellte sich schon während der Arbeit ein lokales Ereignis: ein junges Mädchen, eine Kellnerin im Gasthaus „Zur Neuen Welt" in Steyr in der Schwimmschulstraße, wurde von einem Burschen, ,dem sie sich versagte, einfach niedergemetzelt. Damit waren wesentliche Momente gefunden, die nun zu einem Gewebe zusammenschos,sen. Den Hintergrund bilden wieder die Glaubenskämpfe in Steyr zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Die Handlung und die Hauptgestalten sind, wie bei Handel-Mazzetti fast immer, frei erfunden. Wenn auch einzelne Figuren geschichtliche Gestalten -sind, -so sind sie doch zu eigenen Zwecken umgemodelt, wie etwa Joachim Händel. Im Sommer 1613 ermuntert Kai:ser Mathiais bei einem Aufenthalt in Steyr während einer prächtigen Festtafel im Steyrer Schloß den Richter Joachim Händel zu weiterem Vorgehen gegen die Steyrer Katholiken, die in der Minderzahl sind und leicht ein- geschüchtert werden können. Darauf läßt Joachim Händel aus den Gaststuben die Marienbilder entfernen, die baufällige Steyrbrücke mit dem Kruzifix und einer Hei- ligentafel, die allen Schiffsleuten heilig ist (I, 228 ff.), sprengen und die katholischen Kirchen bis auf eine schließen, weil die Totengrüfte ansteckende Krankheiten verbrei- ten könnten. Trotz Widerstrebens der Katholiken läßt er ,sich in -seinem Vorgehen nicht beirren. Als nun aber noch die Pest gegen Steyr vordringt, verbietet er alle Massen- ansammlungen wie auch Wallfahrten und Prozessionen und sperrt die einzige offen- gebliebene Kirche. Da zögert der Admonter Benediktinermönch Albert, zur üblichen W allfahrt nach Weng in der Steiermark aufzurufen, läßt sich aber umstimmen, als Stephana Schwertner, die älteste Tochter der Familie Schwertner aus dem Gasthaus im Wieserfeld, die von Admont nach Steyr gezogen ist, für die Abhaltung der Wall- fahrt eintritt, also den Kampf gegen die weltliche Obrigkeit aufnimmt. Der Richter läßt ·durch eine Kompanie Steyrer Schüt2en, die sein Sohn Heinrich befehligt, die Teilnehmer an der Prozession zerstreuen, und verurteilt Stephana als Rädelsführerin zum Pranger, von dem sie Heinrich aus Mitleid vorzeitig befreit. Im II. Teil: dem ,,Geheimnis des Königs" sitzt der Mönch Albert in einem Turm in Garsten gefangen, während in Steyr ein Aufruhr der Katholiken niedergeschlagen wird. Vier Bürger wer-den zum Tod verurteilt und hingerichtet, ihre Leiber bleiben zur Abschreckung längere Zeit am Galgen ausgestellt. Stephana kommt öfter ins Garstener Kloster, wo sie Paramente ausbessert. Dort erfährt sie einmal, daß P. Albert einen pestkranken Soldaten bei sich aufgenommen hat, um Steyr vor der Seuche zu bewahren. Als dieser dem Tode nahe ist, bittet der Mönch auf einem herabgelassenen Zettel um das Sakrament für den Todkranken. Sein Ordensbruder P. Ertelius aber zögert hinauf- zugehen. Da bietet sich Stephana an, den Gang zu wagen, steigt als Mönch verkleidet in den Turm und bringt dem Sterbenden das Sakrament. Heinrich Händel, der zu- fällig mit seinen Begleitern abends durch den Ort reitet, sieht Stephana im Mönchs- habit aus dem Turm kommen, ohne sie aber zu erkennen. Der III. Teil: ,,Jungfrau und Martyrin" bringt die Katastrophe. Richter Händel läßt sich .auf seiner Fahrt zum Kaiser nach Wien von einer Schützenkompanie unter Heinrichs Befehl begleiten. Vor dem Abmarsch begibt sich Heinrich, den inzwischen Liebe zu Stephana erfaßt hat, in ,das Schwertner Gasthaus und bittet sie, die kundige Stickerin, ihm eine Feld- binde zu sticken. Da deutet ihr sein Verdacht an, daß sie gesehen worden, wie sie abends in Garsten aus dem Turm kam. Stephana weicht mit einem Scherzwort aus, um das Geheimnis des Königs Christus im Sakrament nicht preiszugeben. In Wien teilt Heinrich dem Vater ,seine Liebe zu Stephana mit, nachdem er Drusianna, die Tochter Bethlen Gabor-s, abgewiesen hat. Es kommt zu einem schweren Zwist zwischen Vater und Sohn, und Heinrich reitet darauf allein nach Steyr zurück. Aber Stephana, die bei ihrem Beichtvater Rat und Hilfe gesucht hat, will sich ganz Gott weihen und weist Heinrichs Werbung ab. Darauf entbrennt in Heinrich Eifer- sucht und er ·sticht Stephana blindlings nieder. Als er sich darauf selbst zu töten ,sucht, verletzt er sich nur schwer. Im folgenden Prozeß verurteilt Vater Händel seinen Sohn zum Tod durch das Schwert, aber Heinrichs treue Schützen bewahren ihn vor dieser Schmach, indem sie ihm den Gnadenschuß geben. Er stirbt, nachdem er in P. Alberts 28
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