Zum 100. Geburtstag von Enrica Handel-Mazzetti

zählungen, die mei,stens in kleinen Blättchen eI1schienen, nicht immer genau fest- zustellen, denn spätere Ausg,aben führen da in die Irre, zumal wenn man die stürmi- sche Entwicklung eines jungen Mädchens berücksichHgt. Auch hier steht die moralisch-erbauliche Erzählung im HinteI1grund, Kalender- geschichten, Christoph v. Schmid, A. Hofmann. Der Ausgangspunkt ist al.so wieder nicht literarisch. Das Bindeglied bildet eine kleine epische Dichtung in Hexametern, wie sie von Professor Wiedenhofer als Schulübung 1890 gestellt wuroe: ,,Die Braut des Lammes 35 ". Professor Wiedenhofer hatte vorgeschlagen, eine Märtyrergeschichte metrisch zu bearbeiten. Die Dichterin wurde bei der Lektüre des römischen Breviers, besonders aber auch von Ludwig Donins 11 Heiligenlegenden 36 " auf die Agneslegende (21. Jänner) aufmerksam und schuf daraus ein kleines Epos, da,s vor -allem in -den Teilen, die sich an den Text des Breviers halten, den Beifall des Lehrers fand. Die Legende erzählt knapp, wie Agnes im Haus der Unzucht, in das sie geschickt wird, von einem Engel beschützt eI1scheint, wie ·sie inmitten des Feuers, zu dem man sie verurteilt, auf ihr Gebet hin unversehrt bleibt und Christus sich ihr durch einen Ring verlobt. Unerschüttert tritt sie dem Henker gegenüber, keine Eisenfessel will passen und der Henker zittert, als er sie töten soll. Nach ihrer Hinrichtung wird sie verbrannt. Der Name Agnes (Lämmchen) deutet auf ihre Unversehrtheit hin. Die junge 19jährige Dichterin weiß die kargen Angaben ihrer Quellen wohl zu verwerten. Agnes, vom Sohn des Präfekten geliebt, will von ihm nichts wissen, weil sie sich Gott verlobt hat. Der Präfekt will sie noch etwas schonen und läßt sie ins Haus der Schande führen, wo sie aber vor Befleckung bewahrt bleibt. Als Gaius, der Sohn des Präfekten, ihre Hand ergreifen will, sinkt er leblos um, wird aber auf ihr Gebet hin wiederbelebt. Nun ver- langt die Stimme des Volkes die Bestrafung des Mädchens, das als Hexe angesehen wird, mit dem Feuertod. Da bekennt sich Gaius als Chdst, er ,soll vor die Löwen geworfen werden. Der Vater Symphorian gibt Agnes preis und verurteilt sie zum Tod, um den eigenen Sohn zu retten. Aber Gaius will mit Agnes als Christ sterben. Durch diese Haltung seines Sohnes fühlt ,sich Symphorian besiegt: ,,Du hast durch das Wort meines Sohnes herrlich den Drachen besiegt, den Haß, der das Herz mir empörte gen Deinen Christus und .dich." Ein Plebejer will Agnes durchbohren, aber sie wird durch Engel geschützt. Da tötet der Rasende den Gaius und mit seinem Blute tauft Agne,s den Sterbenden auf den Namen Beatus. Symphorian will seine Würde als Präfekt niederlegen, sich dem Kaiser als Christ bekennen und dafür den Tod erleiden. So hat Agnes, das Lamm, diesen Leuen besiegt. Aber .den Aspasius, den man statt Symphorian herbeiruft, rührt der Anblick des standhaften Kindes nicht. Der Holzstoß wird bereitet, Agnes betet und singt aus ,dem Feuer, ohne verletzt zu werden, denn das Feuer legt sich ihr zu Füßen. Da verlangt Aspasius, ,daß sie den Göttern Weihr,auch streue. Als sie ,das ablehnt, wird sie zur Enthauptung außerhalb Roms an der väter- lichen Villa vorbeigeführt und begegnet dort ihrer Mutter, die sie an Maria unter dem Kreuz denken heißt. Schon wartet der wilde Henker auf sie, vermag sie aber nicht zu töten, auch ,als sie das Haar emporhebt, um den Nacken freizumachen, doch schlägt er ihr schließlich mit einem Streich das Haupt ab, das er behutsam wieder an den Rumpf fügt, so daß sie wie im Schlafe ruhend aussieht. Der Henker aber fängt vor Ergriffen- heit zu weinen an. ,,Bleicher Henker, zittere nicht!" endet Schillers Kindsmörderin! Die knappe Darstellung sucht sachlich zu bleiben, weicht Rührszenen aus und ist bemerkenswert schlicht. Gewiß liegt das Gedicht nur in ,späterer überarbeitung vor. · Doch erscheint es auf jeden Fall wichtig, da die Gestalt der Agnes, die später wieder- holt erwähnt wiI1d, auch für Rita Züge abgibt, und ebenfalls eine Gottesbraut ist, .die den irdischen Bräutigam ablehnt, wie später Stephana Schwertner ihren Heinrich Händel oder Rit-a den üblen Lorenzen. Es ist die erste Märtyrerg,eschichte, die Handel- Mazzetti schreibt und die die Ausmalung von Marter- und GreueJ.szenen vorausahnen läßt. So war hier ein Thema gefunden, das zu einem Zentralthema .der Dichterin wer- den sollte. Noch brauchte es bei diesem eI1sten überlieferten epischen Versuch wenig Erfindung, keine Komposition, es genügte ein Ausmalen der gegebenen Szenen rund Ansätze, zu dem sicher auch die Märtyrerromane des 19. Jahrhunderts, die Oxforder Bewegung mit J. H. Newman (Kallista) .und N. Wiseman, in dessen „Fabiola" die Agnes-Geschichte erzählt wiro, sowie ihre deutschen, besonders Tiroler Nachahmer, .aber auch wohl der Schweizer Jesuit Josef Spillmann mit seinen Büchern wie „Die Wunderblume von 18

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