Zum 100. Geburtstag von Enrica Handel-Mazzetti

ihrer Arbeiit, nur für ihr Werk, wie in einem Kloster, und sagte zu Paula v. Preradovic, wirklich gemäß sei ihr das Leben einer Karmeliterin 16 • Zwei schwere Erkrankungen, eine Herzkrise und die Gefahr einer Netzhautablösung, überwand sie in gläubiger Ergebung und hat darüber in ihrem Bändchen „Das heilige Licht" berichtet. Immer stärker hatte sie in ihren Romanen das Religiöse in den Vordergrund geschoben, was bei sinkender Gestaltungskraft ihren Leserkreis allmäh- lich einschränkte. Der politische Umschwung tat dcl!s Seine ,dazu. 1941 wurden ihre Werke in Deutschland verboten. Aber sie trug alles mit Geduld. Ihrem letzten Roman ,,Graf Reichard" fehlte noch der dritte Band, der nicht mehr ,gedruckt werden durfte. Der Untertitel „Held und Heiliger" konnte damals auch nicht als Empfehlung dienen. Die letzte Kriegszeit verbrachte sie bei den Elisabethinen in Linz, die ihr und ihrem Manuskript Asyl gewährten 1 7 • Bei verschiedenen Anlässen wurden ihr manche Ehrungen zuteil : sie wurde Ehren- bürgerin der Städte Steyr und Linz, Mitglied der Deutschen Dichterakademie, war mit der Goethe-Medaille ausgezeichnet wor,den, erhielt .die Goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft der österreichischen Bundesrepublik und war die erste, der der Handel- Mazzetti-Preis des Österreichischen Bundesministeriums für Unterricht verliehen wurde. Feiern und Festschriften wurden ihr gewid~et, der materiellen Not, in die sie durch die Zeitumstände geraten war, suchten offizielle Stellen mit Ehrenpensionen abzuhelfen. Denn die Zeit hatte sich entscheidend gewandelt, ihre Bücher wurden kaum mehr gelesen, sie selber war fast vergessen, als sie am 8. April, dem Karfreitag, 1955, einsam starb und in einem Ehrengrab der Stadt Linz auf dem Barbarafriedhof unweit von Adalbert Stifters Grabstätte, 84jähl'ig, nur von wenigen begleitet, zur letzten Ruhe bestattet wurde. Die Sechzigerin wird geschildert als eine mädchenhaft schmale zarte Frau, an der auch die Gebärde, mit der sie grüßte, mädchenhaft scheu und anmutig wirkte. Aber sie ist in jedem Augenblick die Dame von Welt und Geist, unauffällig einfach und schlicht in ihrer ganzen Erscheinung, fern jeder Pose; bedeutsam und fast nervös durchgeistigt ihr schmales Antlitz mit der hohen, feingeformten Stirn. Neben Lebhaftigkeit des Ausdrucks und Lebendigkeit des Mienenspiels blieben ihren Besuchern die Augen in Erinnerung, blanke vie1sehende, tiefgründige Augen, ,;diese neugierigen Augen, die immer forschen, immer lernen wollen, die aufmerksam schweifen und mustern und sinnend verweilen" 18 . Ist es da nicht ve11ständlich, wenn man ihr manche Abschnitte ihrer Werke, besonders die Marter- und Greuelszenen nicht zutrauen wollte, so daß P. K. Rosegger gesprächsweise zu Paul Keller äußern konnte: ,,Ich habe sie einmal kennen gelernt; sie ist so fein und zart, daß man denkt: Ach Gott, wenn die nur nicht einmal ein Buch von der Handel-Mazzetti in die Hände kriegt, was würde die sagen 1 g?" Werdejahre Handel-Mazzettis erste schriftstelle11ische Versuche hängen sehr bezeichnenderweise mit dem Kloster-Theater in St. Pölten zusammen. Hier spielte man nach alter humanistisch-barocker Schultradition bei verschiedenen festlichen Anlässen Theater, die jungen Mädchen waren die Schauspielerinnen und übten sich in Sprechen, Auf- treten, Gestik und Gesang. So konnte man auch den Eltern Ergebnisse der Erziehung deutlich vor Augen führen. Im Laufe der Jahre wurden von Handel-Mazzetti nicht weniger als 19 Stücke auf dieser Instihltsbühne aufgeführt 20 • Die ersten schriftstellerischen Arbeiten sind wei,taus zum größten Teil dramatisch- theatralische Einfälle, die durch das Schultheater angeregt wurden, ja aus ihm hervor- gingen. Fast überall läßt sich das ·erkennen. Nur die wichtigeren Stückchen müssen her- ausgehoben werden, weil sich oft von diesen Anfängerarbeiten Fäden zu den späteren großen Leistungen ziehen. Doch sind nicht alle diese Arbeiten eindeutig datierbar. „In St. Pölten waren es neben der Oberstvorsteherin besonders Mater Franciska Zimmermann, -einst in der Welt eine Schriftstellerin von Ruf, und die Schulpräfektin Mater Beata Harrassin, die sie mit Lektüre versorgten und ihre Arbeiten einsahen 21 ." Da waren nun selbstverständlich einmal ,geistlich-religiöse Spiele. ,,Des Christen Wunderschau in der HI. Nacht 22 " (1887, umgeformt 1893) läßt in barocker Weise 15 allegorische Gestalten, Verkörperungen von Tugenden und Lastern auftreten, die durch

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