Amtsblatt 1911/1 der k.k. Bezirkshauptmannschaft Steyr

Zu diesem Zwecke ist es gut, wenn möglich, alle Ju¬ gänge zum Hause mit Ausnahme der Hausture abzu¬ schließen. Das Uebernachten fremder Personen soll weder in den Stallungen noch auch in anderen Räumlichkeiten des Hauses wahrend der gefährlichen Zeit geduldet werden. Hunde, Katzen, Kaninchen und Geflügel soll man im Hause zurückbehalten und nicht frei herumlaufen lassen 8. Während der Dauer der Seuchengefahr sollen die Wirtschaftsbesitzer selbst und ihre Angehörigen sowie aus das Dienstversonal, Viehmarkte oder andere Veranstaltun¬ gen, mit denen ein starterer Personen= und Viehverkehr verbunden ist, nicht besuchen. Auch ware der Besuch vor Wirtshausern, insbesondere solcher, wo Viehhandler uno Fleischhauer verkehren, soviel als möglich zu vermeiden. Ebenso soll darauf gesehen werden, daß das Haus¬ personal vor dem Betreten der Stallungen die Kleider und Schuhe wechselt, welche es außerhalb des Hauses ge¬ tragen hat, damit eventuell daranhaftende Anseaungsstoffe nicht mit denselben in den Stall gebracht werden. Die Schulkinder sino vom Hofraume und von den Viehstallungen möglichst fernzuhalten. 11. Ein besonderes Augenmerk ist in verfeuchten Orten und Bezirken, die von der Seuche gefahret sino, auf den Milchverkehr mit Molkereien zu richten. Man soll aus Molkereien, in denen die Seuche herrscht, keine Milch und Molken beziehen und Magermilch usw., aus Sammel= und Genossenschaftsmoltereien überhaupt nur nach vorheriger tüchtiger Abrechung verfuttern. Die zur Milchlieferung verwendeten Kannen- und alle Geratschaften, welche allen¬ falls zur Milchlieferung Verwendung finden, sollen, ehe man sie wieder in die Milchtammern oder in den Stall zu¬ rubringi, grundlich gereinigt und womöglich mit heißer Lange gewaschen werden. 12. Neuantaufe, gleichwie auch Abvertause von Vieh¬ stucken sollen während der kritischen Zeit tunlichst unterlassen werden. 13. Eine weitere Vorsicht ist bezüglich des Ankaufes von geschlachteten Schweinen uno von Fleisch überhaupt zu beobachten und soll insbesondere das Fleischwasser und das zur Pockelung des Schweinefleisches venutzte Surwasser nicht oder nur in gut gekochtem Zustande an die Schweine verfuttert werden. 14. Während der Dauer der Seuchengefahr soll der Bezug von Schlachtabfallen aus offentlichen und privaten Schlachthausern sowie auch die Verfutterung von Sammel¬ trant möglichst eingestellt werden. 15. Arzneimittel usw., welche die Tiere vor der Er¬ trantung an Maul= und Klauenseuche schuten, gibt es bis heute noch nicht. Das einzige was man zur Vorbauung in dieser Hinsicht tun kann, ist, den Hof und die Wege zu den Stallungen reinzuhalten und allenfalls ofter mit frisch¬ gelöschtem Kalte zu überschütten. 5. Die Behandlung seichentranter Tiere. Tritt die Seuche in einem Rinderstalle auf, so werden gewöhnlich alle in diesem Stalle befindlichen Kinder von der Seuche ergriffen. Bis die Seuche von einem Tiere auf alle anderen übergreift, kann aber oft lange Zeit dauern, weshalb es angezeigt in, die noch gesunden Tiere sofort künstlich anzustecken. Es wird dadurch erreicht, daß der Viehstand rascher durchseucht und der betreffende Hof dann schneller von den Sperrmaßnahmen frei wird. Die künstliche Ansteckung wird am besten vorgenommen indem man den Mautspeichel tranter Tiere in das Maul der gesunden Tiere einstreicht. Eine besondere Behand¬ lung der tranten Tiere ist in der Regel nicht erforderlich. Wirksamer und besser als eine meditamentose Behand¬ lung ist für eine reinliche trockene Streu zu sorgen und bewährt sich in dieser Beziehung die Torfstreu. Außerdem soll man den kranken Tieren nur weiches Heu, Gras, Mehl= und Kleintrante, Kälbern nur gekochte Milch als Futter geben und ihnen ofter frisches reines Wasser vorsetzen. Tritt die Erkrankung in der Maulhohle starter auf so kann man den Tieren durch Auswischen oder vorsich¬ tiges Ausspritzen des Maules mit Salz- oder Essigwasser Linderung verschaffen und die Heilung befordern. Die tranten Klauen sino sorgfaltig rein und trogen zu halten. Ein bewährtes Hausmittel ist, die Klauen, sowie die Klauenkrone und den Klauenspalt nach grundlicher Reinigung mit Holzteer anzustreichen. Auch austronnende Pulver, wie rotes Karvopulver, Eichenrindenpulver usw., welche man in den Klauenspalt einstreut, werden gerne uno mit Vorteil angewendet, um eine schwerere Klaueneriran¬ tung hintanzuhalten. Tiefergehende langdauernde Krank¬ heitsprozesse an den Klauen erfordern eine fachmännische, chirurgische Behandlung. Die auch an den Eltern der Kuhe vorkommenden krankhaften Veränderungen heilen ge¬ wohnlich rasch an; unterstützt wird die Heilung durch Rein¬ halten und Waschen des Euters mit einer sehr stark ver¬ dunnten Desinfektionsflüssigkeit (prozentige Formann¬ losung) und nachheriges Bestreichen der wunden Stellen mit Borvaselin. In der Regel dauert es 2 bis 3 Wochen bis die Tiere wieder geheilt sind. Nach der Genesung aller Tiere mussen die Stallun¬ gen grundlich gereinigt und besinfiziert werden. Der dies¬ bezüglich einzuhaltende Vorgang wird von der politischen Bezirksbehörde von Fall zu Fall vorgeschrieben. Es liegt im eigensten Interesse des Seuchenhofbesitzers dieser Vorschrift genau und gewissenhaft nachzukommen, weil sich sonst der Anstelungsstoff noch monarelang im Stalle wirksam erhalten kann und er sonach zu gewar= tigen hat, daß allenfalls nach Monaten zugetaufte Tiere den im Stalle vorhandenen Ansteckungsstoff aufnehmen uno an der Seuche ertranken konnen. 6. Schlußbemerkungen. Bei entsprechender sinngemäßer Beachtung dieser Vor¬ sichtsmaßregeln, wird sich die Einschleppung der Maul¬ und Klauenseuche in der gegenwärtigen gefährlichen Zeit, soweit dies bei der überaus leichten Uebertragbarkeit der Seuche überhaupt möglich ist, vermeiden lassen und wird daher die genaue Befolgung derselben allen Wirtschafts¬ besitzern im eigenen Interesse warmstens empfohlen. Die beim Ausbruche der genannten Seuche in den einzelnen Fallen zur Anordnung kommenden veterinar¬ polizeilichen Maßnahmen konnen nur dann den gewünschten Erfolg haben, wenn auch die bedrohten Wirtschaftsbesitzer bei der Bekämpfung der Seuche verstandnisvoll mitwirken und alles vermeiden, was eine Einschleppung oder weitere Verbreitung der Seuche zur Folge haben kann. Schließlich wird noch besonders betont, daß die Seu¬ chentilgung in erster Linie durch unverzügliche Erstattung der Anzeige allfälliger Seuchenausbruche wesentlich unter¬ stützt wird. Es soll daher jeder Wirtschaftsbesitzer, welcher bei seinem Viehstande Erscheinungen wahrnimmt, welche den Ausbruch der Maul= und Klauenseuche vermuten lassen, unverzüglich der Gemeindevorstehung hievon die Anzeige erstatten, nicht nur weil es das Tierseuchengesetz vorschreibt und die Unterlassung verselven gestraft wird, sondern auch deshalb, weil gerade die Verheimlichungen der Seuchenaus¬ bruche am meisten zur raschen Ausbreitung der Seuche beitragen. Aus diesem Grunde hat auch das neue Tierseuchen¬ gesetz für solche Personen, welche seuchenbedenklichen Zeiten unter Hintansetzung der eigenen Interessen durch rechtzeitige Erstattung der pflichtgemäßen Anzeige, zur Ein¬ dammung einer drohenden Gefahr beigetragen haven, Be¬ lohnungen vorgesehen. . 2547/S. Steyr, 3. Jänner 1911. An sämtliche Schulleitungen. Unter Hinweis auf den v. a. Erlaß vom 28. De¬ zember 1909, § 241, Amtsblatt Nr. 1 vom 6. Jänner 1910, sind alle Lehrpersonen in Kenntnis zu setzen, daß in der Zeit vom 12. Februar bis 19. März 1911 an der k. k. Lehrerbildungsanstalt und an drei öffentlichen Volksschulen in Wien Heilkurse für stötternde Schulkinder von Volks¬ schullehrern abgehalten werden.

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