Amtsblatt 1910/15 der k.k. Bezirkshauptmannschaft Steyr

59 aber sind die Eindringlinge sogleich in der Richtung ihrer Provenienz zurückzuweisen und zurückzudrängen. 2. Heimatberechtigung. Ueberhaupt sind alle Zigeuner, welche sich bestimmungs- los, oder ohne nachweisbar erlaubten Erwerb herumtreiben, wenn nicht durch die behördlichen Erhebungen nachgewicsen wird, daß sie im Geliungsgebiete des Schubgesetzes vom 27. Juli 1871, R.-G-Bl. Nr. 88. heimatberechtigt sind, als Ausländer zu behandeln. Eine Zuweiiung solcher Zigeuner als heimatlos zu einer inländischen Gemeinde darf daher | nicht siattfinden. 3. Behandlung nach dem Vagabundengeschc. Alle geschäfts- und arbeitslos herumzieheitden Zigeuner sind, insoserne nicht deren sofortige Verschaffung über die Grenze nach Punkt 1 siattfinden kann, beziehungsweise statt- ; fand, ob sie nun Inländer oder Ausländer und ob sie mit ; Legitimationspapiereu versehen sind oder nicht, in Gemäßheit des Gesetzes vom 24 Mai 1885, R.-G.-Bl. Nr. 89, der ! strafgerichtlichen Behandlung als Landstreicher zuzusühren. Die' zu einer derlei Abstrafung sich nicht eignenden Unmündigen sind der Gemeinde, wo die Zigeuner ausgegriffen wurden, zur einstweiligen Versorgung zu übergeben. 4. Schubpolizeiliche Behandlung. Sind Zigeuner, deren Heimatsrecht in einer Gemeinde der im Neichsrate vertretenen Königreiche und Länder nach- ! gewiesen erscheint, als Landstreicher strafgerichtlich behandelt j worden, hat die Schubbehandlung nach dem Gesetze vom | 27. Juli 1871, R.-G.-Bl. Nr. 88, einzutreten. . j 5. Feld- und Forstfrevel. Anmacheu von Feuer. 1 Zigeuner, welche durch ihr Lagern in Banden oder ; durch "vas Weiden ihrer Zugtiere Schaden an Feldfrüchten ; oder am Forstgute verursacht haben, find stets der Straf- ! behandlung nach dem Feldschutzgesetze, beziehungsweise nach j dem Forstgesetze zuzusühren. Die Bestellung eines beeideten Feldschutzpersonales und das Verfahren über Feldirevel ist ditrch die Ministerialver- . ocdnung vom 30. Jänner 1860, R.-G.-Bl. Nr. 28, geregelt. , Feldfrevel im Sinne dieser Verordnung sind alle wie i immer gearteten Beschädigungen des Feldgutes, welche sich ; nicht als Diebstahl oder boshafte Beschädigung fremden I Eigentums darstelleu. Unter Feldgut werden alle Gegenstände begriffen, welche mit dem Betriebe der Land- und Feldwirtschaft im weitesten Sinne im unmittelbaren, oder mittelbaren Zusammenhänge stehen, insolange sie sich auf offenem Felde befinden. Die Bestrafung der Feldfrevel steht nunmehr laut der j Kundmachung der k. k. Statthalterei vom 29. April 1867, L.-G.-Bl. Nr. 18, den Gemeinden zu. Eine wirksame Handhabung dieser Ministerialverord- nnng erscheint allerdings nur dort möglich, wo ein beeidetes Feldschutzpersonal bestellt ist. ' Ich empfehle daher allen Kemeinde-Vorstehuugen, ent- ! weder selbst ein geeignetes Feldschutzpersonale zu bestellen, . oder an die Eigenjagdbesitzer, bezw. Jagdpächter mit der j Bitte heranzutreten, daß sie der Bestellung ihrer beeideten Jagd' und Forstschutzorgane als Feldschutzpersonal für den . Fall des Erscheinens von Zigennern oder sonstigen Vaganten >m Gemeindegebiete zustimmen. . , Nach erhaltener Zusiinlmnng der E<gen)agdbesitzer, ^rw. Jagdpächter erübrigt lediglich die Vorlage der Legst,- i mation der beeideten Jagd- und Forstschutzorgane an die k. k. Vezirkshauvtmannschaft, worauf die Bestellung der genannten Organe als Feldschutzpersonal der Gemeinde für den Fall des Auftretens von Zigeunern oder sonstigen Vaganten im Gemeindegebiete in die Legitimation eingetragen werden wird. Dort, wo kein beeidetes Feldschutzpersonale bestellt, oder wenn das Feldschutzpersonale nicht zur Stelle ist, kommen weiters die Bestimmungen der §§ 1321 und 1322 des allgemeinen bürgerl. Gesetzbuches in Betracht, wonach jeder, der aus seinem Grnnd und Boden fremdes Vieh an- triff,, es durch anpassende Gewalt verjagen kann; hat er Schaden erlitten, so kann er das Recht der Privalpfändung über so viele Stücke Vieh ausüben, als zu seiner Entschädigung hinreicht, doch muß er binnen 8 Tagen sich mit dem Eigentümer abfinden oder seine Klage vor Gericht bringen, widrigenfalls aber das gepfändete Vieh zurückstellen. Das gepfändete Vieh muß aber auch zurückgestellt werden, wenn der Eigentümer eine andere angemeffene Sicherheit leistet. Hinsichtlich der Beschädigung von Forsigut durch Zigeuner oder deren Pferde gelten die Straf-Bestimmungen der §§ 60 bis 64 des Forstgesetzes vom 3. Dezember 1852, R.-G.-Bl. Nr. 250. Uebertretungen des Forstgesetzes (Forstfrevel) werden von der k. k. Bezirkshauptmannschaft bestraft. Schließlich wird darauf aufmerksam gemacht, daß alle Handlungen und Unterlassungen, von welchen sich eine Feuersgefahr leicht voraussehen läßt, nach §§ 453 und 459 des Strafgesetzes von den Gerichten zu bestrafen sind. 6. Kurzschncidcu der Haare. Wird durch die, wenn irgend möglich, vorzunehmende ärztliche Beschau aufgegriffener Zigeuner sichergestellt, daß dieselben an infektiösen Krankheiten leiden, so sind dieselben samt ihren Fahrniffen der Desinfektion zu unterziehen. Zeigt sich bei der erwähnten Beschau, daß die Zigeuner mit Ungeziefer behaftet sind, so ist an ihnen vor deren Abgabe in die Arrestlokalitäten stets die erforderliche Reinigung und das vollständige Kurzschneiden der Haare vorzunehmen. Diese Maßregel verleidet den Zigeunern das Herumziehen ganz besonders. 7. Seuchenvcrdächtigc Pferde. Die Pferde auftauchender oder aufgegriffener Zigeunerbanden, welche einer ansteckenden Krankheit verdächtig erscheinen, sind, wenn ein Tierarzt oder ein Kurschmied in der betreffenden Gemeinde oder deren Nähe ansäffig ist. durch denselben regelmäßig inbezug auf ihren Gesundheils- znstand untersuchen zu lassen und bei Konstatierung infektiöser Pferdekrankheiten nach den diesbezüglichen Bestimmungen des Tierseuchengesetzes vorzugehen. Auf Märkten sind die Pserde der Zigenner von dem übrigen zu Markte gebrachten Viehe stets strenge abzusondern. Die Zigeuner kaufen in der Regel nur alte, gebrechliche, abgetriebene Pserde, sowie solche, welche wegen chronischen Krankheiten an Diensttauglichkeit eingebüßt haben. Dieses Pferdematerial disponiert in erster Linie für Krankheiten wegen der mangelhaften Widerstandsfähigkeit. Rotzverdacht ist sofort, wenn möglich telegraphisch, an- her auzuzeigen und wird auf Grund solcher Anzeigen der Amtstierarzt zur Untersuchung der Pferde entsendet werden. Selbstverständlich ist von den Gemeinden dafür zu sorgen, daß rotzverdächtige Zigeunerpferde von anderen Pferden strengstens abgesondert nnd vor dem Eintreffen des Anitstierarztes nicht vom Aufgriffsorte weggebracht werden.

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