Amtsblatt 1910/12 der k.k. Bezirkshauptmannschaft Steyr

44 Ministerium herausgegebenen „Bestimmungen über die Ver- austaltung von Lehrlingsarbeiten-Ausstellungen" ausgestellten Grundsätze festgehalten werden, wonach eine Subventionie- rung von Ausstellungen mit weniger als 30 Teilnehmern nicht in Ausstcht genommen ist. Ebenso sollen die lokalen A u s st e l l u n g e n I am selben Orte beziehungsweise sür dasselbe ; Territorium nicht allzurasch hintereinander! veranstaltet werden; derartige Ausstellungen konknr- ! renzieren sich selbst, sie setzen das Jnteresie der Handwerker > und des Publikums herab, werden leicht zu Schablonen und ■ es stehen die Beranstaltungskosten häufig in einem Mißver- ! hältnisie zu dem idealen Erfolge der Ausstellung. Wenn an ] Orten beziehungsweise für Territorien, wo Lehrlingsarbeiten- ! Ausstellungen lokaler Natur ständig staltfinden, alle drei ! Jahre an die Veranstaltung derselben geschritten wird, so dürfte । dies ausreichen und es ist hiedurch doch jedem Lehrlinge die । Möglichkeit geboten, sich im Verlaufe seiner Lehrzeit an einer 1 Ausstellung zu beteiligen. Die Wahl der Arbeitsstücke ist noch immer hie und da eine nicht entsprechende; noch immer trifft man auf Ausstellungen, wenn auch vereinzelt, Stücke, nach denen naturgemäß eine Nachfrage bei den betreffenden Meistern nicht herrschen kann, Stücke, die herzustellen nicht Sache eines Lehrlings ist, Künsteleien, Miniaturaussührungen, dann wieder sinnlose überdimensionierte Schaustücke usw. Eine einfache, die faktische Verwendung des Lehrlings in der Werkstatt dartuende Arbeit und wenn es nur eine Reparatur oder Vorrichtungsarbeit ist, hat mehr Wert, als Ausstellungsgegenstände der vorgekennzeichneten Art, die auf jeden verständigen Besucher der Ausstellung den beabsichtigten Eindruck ganz verfehlen werden. Hiebei wird neuerlich auf die zur Ausgabe gelangten Aufgabenverzeichniffe und deren fleißige Benützung hingewiesen. Im Zusammenhänge damit muß die Forderung, daß der Lehrling das Ausstellungsstück tatsächlich ohne fremde Beihilfe her stellt, auf das nachdrücklichste betont werden. Derartige mit Beihilfe gearbeitete Stücke können eine ganze sonst gute Ausstellung diskreditieren und unter ihrer Einreihung leiden auch diejenigen Lehrlinge, welche wirklich nur ihrer Hände Werk ausstellen, da ein sich dem Ausstellungsbesucher ausdrängender Zweifel an der Provenienz eines Stückes nur allzuleicht verallgemeinert wird. Derartigen Uebelständen unnachsichtig entgegen zu treten, ist Sache des Komitees und der Preisgerichte. Die Jury darf sich mit der laut 8 11, Punkt 4, oberwähnter Bestimmungen vorgeschriebenen Erklärung des Meisters, daß dem Lehrlinge bei der Herstellung der Arbeit von niemanden geholfen wurde, nicht ohne weiteres abfinden, sie muß sich vielmehr gemäß § 13 ibidem die Ueb e rzeug u n g verschaffen, ob der Lehrling die Arbeit allein, ohne fremde Beihile angefertigt hat. Die Berichte der in den „Bestimmungen" vorgesehenen Ueberwachungskommission beziehungsweise einzelner Vertrauensmänner werden dem Preisgerichte hiebei wesentliche Dienste leisten. War indes eine Ueberwachung nicht tunlich oder hegt die Jury — da ja schließlich die Ueberwachungskommission nicht den ganzen Arbeitsprozeß überwachen kann — trotz des ihr vorliegenden ! Kontrollberichtes Zweifel darüber, ob der Lehrling die Arbeit 1 ohne Beihilfe hergestellt hat, so wird sie es auf eine Probe ankommen lassen müssen, die ja durchaus nicht einer neuerlichen Herstellung des Stückes unter Aussicht gleichzukommen, sondern sich nur auf jenen Teil der Arbeit zu erstrecken braucht, durch den die bestehenden Zweifel geweckt worden srnd. Das Ministerium für öffentliche Arbeiten legt weilers denallergrößtenWert darauf, daß die L e h r l i n g s a r b e i t e n mit den A u s st e l l u n g e n von Schülerarbeiten der gewerblichen Fortbildungsschulen beziehungsweise mit jenen der gewerblichen Fortbildungsschulabteilungen staatlicher, gewerblicher Lehranstalten verbunden werden. Eine solche Verbindung, die bisher nur in vereinzelten Fällen vorkommt, soll in Hinkunst zur Regel werden. Beide Ausstellungskategorien ergänzen sich in wertvollster Weise und werden vereint die Beurteilung des Standes der Lehrlingsausbildung in erhöhtem Maße ermöglichen. Oft noch bestehende Vorurteile der Meister gegen die schulmäßigen Einrichtungen werden schwinden und der Erkenntnis weichen, wie groß der Anteil der Fortbildungsschulen an der Lehrlingsausbildung ist, die Meister werden mancherlei Anregung empfangen und umgekehrt werden die Werkstattarbeiten auch auf die mit dem gewerblichen Unterrichte befaßten Faktoren befruchtend wirken und dem Unterrichte manche neue Wege und Ziele weisen. Selbstverständlich wird die Verbindung beider Arten von Ausstellungen umso wertvoller sein, je mehr Ausstellungsobjekte durch die vom Aussteller vorgelegten, entsprechenden Entwürfe, Werkzeichnungen, Zuschnitte, Verkaufspreiskalkulationen rc. ihre instruktive Ergänzung finden. Die bisher gemäß § 5, al. 3, der „Bestimmungen" vorgeschriebene Einholung der ministeriellen Genehmigung zur räumlichen Vereinigung von Lehrlingsarbeiten-Ausstellungen mit Schülerarbeiten-Ausstellungen der gewerblichen Fortbildungsschulen hat in Hinkunft gänzlich zu entfallen, es wird vielmehr umgekehrt in Fällen, wo eine solche Ver- ! bindung nicht statthat, im betreffenden Subventionsgesuch ' darzutun sein, aus welchen besonderen Gründen vom oben aufgestellten Grundsätze abgegangen wurde. Andererseits erscheint es sehr wünschenswert, daß zu den Schülerarbeiten - Ausstellungen der Fortbildungsschulen, wenn auch am selben Orte und zur selben Zeit nicht eine förmliche Lehrlingsarbeiten-Ausstellung stattfindet, doch einzelne Lehrlinge Werkstattarbeiten mitbringen und neben den Schularbeiten aufstellen. Ein Zwang in dieser Richtung soll nicht ausgeübt werden, immerhin werden aber die Ausstellungen der Fortbildungsschulen bei Beachtung dieser Anregung eine sehr instruktive Ausgestaltung erfahren können, ohne daß deshalb eine besondere Subventionierung nötig erscheint. Die Lehrkräfte derFortbildungsschulen werden zur Mitwirkung bei den Lehrlings- arbeiten-Ausstellungen und insbesondere als Juroren heranzuziehen sein. Sie sind geeignet, in letzterer Eigenschaft eine sehr nützliche und erfolgreiche Tätigkeit zu entfalten und ihr unbefangenes Urteil wird den anderen Mitgliedern des Preisgerichtes häufig einen erwünschten Stützpunkt bieten. Die Beteilung mit aus Bargeld bestehenden Preisen ist unbedingt zu vermeiden, im übrigen werden die diesfälligen Direktiven des § 17 der „Bestimmungen" auch weiterhin zu beachten sein; als eine Anregung wäre in Erwägung zu ziehen, den mit ersten und zweiten Preisen ausgezeichneten Lehrlingen bei lokalen Ausstellungen — statt der Beteilung mit den üblichen Preisen — den Besuch einer benachbarten größeren Stadt mit sehenswerten und dem Lehrlinge Anregung und Belehrung bietenden Etablissements unter entsprechender, Führung zu ermöglichen, wobei das Komitee für die freie Fahrt und Beköstigung sowie sür ein passendes Vergnügen der Teilnehmer aufzukommen hätte.

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