220 Schulm ündigkeit und Militärdienst, wo der jugendliche Körper und Geist erst auszureifen bestimmt ist und noch wenig Widerstandskraft besitzt, ohne entsprechende weitere geistige und physische Förderung. Diese Umstände treffen bedauerlicher Weise sehr häufig zu und tragen gewiß mit dazu bei, daß ein leider wachsender Teil der Jugendlichen, namentlich in Städten und Jndustricorten, auf Abwege gerät, körperlich verkommt, geistig rückständig bleibt, moralisch verwahrlost und schließlich Lastern und Verbrechen zusällt. Die Bewahrung solcher Elemente ist nun eine ebenso unabweisliche Ausgabe, wie die Unterstützung des Bildungs- strcbens der ihren Berufen eifrig anhängenden Jugendlichen. Die Förderung ihrer geistigen Bestrebungen liegt unzweifelhaft im allgemeinen Interesse, da von der Reife und praktischen Bildung die Stärke der künftigen erwerbenden i Generation im wirtschaftlichen Wettkampfe und ihre Leistungs- ! fähigkeit mitbedingt ist. So hat denn anch das gesainte Gewerbe ein : hervorragendes Interesse an der Qualität seines Nach- wnchses. Der Gewerbestand hat aber auch ein Interesse daran, daß dem an vielen Orten bereits fühlbaren Mangel an Lehrlingen und namentlich an Lehrmädchens gegenüber der werbenden Kraft von Berufen, die sofort ! einen Verdienst bieten, begegnet werde. Das aber ist möglich ' durch eine Verbesserung der Lehrlingspflege, die den Zufluß ; aus dem Mittelstände zum Gewerbe wieder hebt, durch Mitwirkung der Schule an der Lehrstellenvermittlung und dnrch eine Hebung der allgemeinen Bildung und des Jnteressen- kreises der Lehrlinge. Endlich wird es der Meisterschaft zu ermöglichen sein, einen geeigneten gewerblichen Nachwuchs herauzubilden, ohne die Lehrlinge ganz in ihr Haus auf- nehmen zu muffen, wogegen grade die in besserer wirtschaftlicher Lage befindlichen Meister, die als praktische Bildner der Jugend besonders wertvoll wären, sich infolge ungünstiger Wohnungsverhältniffe und aus sonstigen Gründen zumeist wehren. Zur Versolgung der dringlichsten Aufgaben, die sich auf dem Gebiete der gewerblichen Jugendpolitik stellen, betrachtet das Ministerium für öffentliche Arbeiten laut des Erlaffes vom 3. November 1908, Z. 125 -XXIV/9233, sonach folgende Maßnahmen als unentbehrlich: 1. Die Errichtung und Unterstützung von Lehrlings- beimen als Wohn- und Kostorte für angehende und in Stellung befindliche Lehrlinge. Diese Heime hätten auch , zweckdienliche Aufklärungen und Anleitungen vor der Berufswahl zu bieten und zu diesem Behufe mit den öffentlichen Arbeitsvermittlungsanstalten, mit den Gewerbe- genoffenschasten und auch mit den Schulbehörden und Schulleitungen enge Fühlung zu halten. Hiedurch ließe stch ein geordneter Nachweis über den Bedarf an Hilfskräften sowie über die gewerblichen Aus sichten gewinnen. Würde endlich den Schulleitungen in den Städten sowie den Gemeinden des flachen Landes über diese Umstände Bericht gegeben, so könnte mit ihnen auch über den jeweils zu erwartenden Zuzug zweckmäßig Fühlung gewonnen werden. 2. Anderseits erscheint unerläßlich die Schaffung und Förderung von Jugend horten, d i. Beschästigungsan- stalten für Lehrlinge, bezw. Lehrmädchen und jugendliche Arbeiter in ihren freien Stunden. Dort versammeln sich Lehrjungen, die im Hanse des Lehrberrn verpflegt werden, mit Angehörigen der Lehrlingsheime soivie mit jugendlichen Gehilfen zeitweise gesellig zu anregenden und belehrenden Veranstaltungen. .. 8. >*'" Zusamenhange mit diesen Horten ist zugleich die möglichst umsageude Einführung allgemeiner Sonntagsveranstaltungen belehrender wie unterhaltender Art erforderlich. Die Vorträge und Darbietungen müßten den Jntereffen der gewerblichen Arbeiter besonders angepaßt sein und für sie praktisch wichtige und anregende Gegeunände behandeln, wobei musikalische und deklamatorische Veranstaltungen ihnen edlere Zerstrenung zu gewähren hätten. Zur gedeihlichen Wirksamkeit anf diesen! Gebiete bedarf es freilich auch der tätigen Mitarbeit aller in Betracht kommenden Jntereffeuten. Praktisch erfahrene und wohlgesinnte Unternehmer und sonstige geeignete Jntereffeuten waren in der Lage, sachlich wertwolle einschlägige Anregungen zu geben und bei ihrer- Verwirklichung in weit- gehendem Maße gedeihlich mitzuwirken. Desgleichen kämen die Vormundschaftsrichter soivie die Geschästssührer der Waisenräte in Betracht, in deren Kreisen warmherzige und erfahrene Beamte sich finden, die als Ratgeber von schutz- bedürftiqen Jugendlichen den nötigen Einblick in die tatsächlichen Verhältnisse gewonnen haben. Um die Bestrebungen des Ministeriums auf diesem Gebiete zu verwirklichen, beauftrage ich die Gemeinde -Vor- stehungen über Erlaß der k. k. Statthalterei vom 20. November 1908, Z. 30.195/VIII, über die Anregungen nach Rücksprache mit den in der Gemeinde befindlichen Genossenschaften vom Standpunkte der konkreten lokalen Verhältnisse im dortigen Gemeindegebiete und mit Bedachtnahme auf die etwa bereits bestehenden einschlägigen Einrichtungen, deren weitere Ausgestaltung und Förderung augezeigt wäre, sich bis längstens 20. l. M. zu äußern und mir insbesondere auch jene Persönlichkeiten aus den verschiedenen Berufskreisen namhaft zu machen, welche zur tatkräftigen Förderung des Programmes herangezogen werden könnten. Bei der Erstattung besonderer Vorschläge für die Verwirklichung des Programmes wäre die zu deren Durchführung etwa erforderliche Staatsbeihilfe eingehend zu begründen und insbesondere die Kosten regelmäßiger S o n n- tags- und Abendveranstaltungen für die gewerbliche Jugend unter Vorlage konkreter Programme und unter Bezeichnung der zu ihrer Durchsühruug in Aussicht genommenen Faktoren und Persönlichkeiten genau anzugeben. Etwaige Fehlberichte sind bis zum gleichen Termin zu erstatten. Z. 28.763. St ehr, 5. Dezember 1908. An alle Gemeinde - Vorstellungen. Abbildungen der Jubiläumsmünzeu. Gemäß dem Finanzministerialerlasse vom 19. August 1908, Z. 93.598/1907, sollen Abbildungen der Jubiläums- münzen auch in den Gemeindeämtern affichiert iverden. Ueber Erlaß der k. k. o. -ö. Statthalterei vom 3. Dezember 1908, Z. 4888/Präa., werden den Gemeinde- Vorstehungen mit der Ausgabe des Amtsblattes eine dem Bedarfe entsprechende Anzahl dieser Abbildungen mit dem Auftrage übermittelt, die Affichierung derselben an den Amtstafeln der Gemeinde zu veranlassen.
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