Amtsblatt 1908/9 der k.k. Bezirkshauptmannschaft Steyr

40 durch Produzenten anstatt selbstgefechster Erzeugnisse gekaufte Ware zur Ablieferung gelangte, beziehungsweise das abgeschlossene Lieferungsgcschäft an einen Unternehmer übertragen wurde, sohin die Bedingungen nicht eingehalten tvurden, an welche die bevorzugte Behandlung der Produzenten von der Heeresverwaltung geknüpft worden ist. Solche Mißbräuche benachteiligen aber nicht bloß die Heeresvertvaltung, sondern fügen auch der Sache der Produ- zeuten einen großen moralischen Schaden zu, weil sie das immer häufiger werdende Verlangen der Handelskreise nach Aufhebung der Vorzugsrechte der Produzenten begründet erscheinen lagen und den diesem Verlangen gegenüber bisher eingenommenen ablehnenden Standpunkt des L u. k. Reichs- Kriegs-Ministeriums immer schwieriger gestalten. Um daher einer weiteren Diskreditierung der Prodn- zenlenkäufe nach Möglichkeit vorzubeugen, beabsichtigt das k. u. k. Reichs-Kriegs-Ministerium in der Folge von der zwar alljährlich verlautbarten, bisher aber noch nie zur Anwendung gelangten Bestimmung Gebrauch zu machen, derznfolge Produzenten, die getaufte statt selbst gesechste Ware — außer dem Falle der Vi8 major — sohin zu ge- winnsüchtigen Zwecken, zur Ablieferung bringen, respektive im Arcndiernngswege abgeben, oder die das mit ihnen abgeschlossene Liefer-(Arendierungs-)geschäst aus einen Unter- nehmer übertragen, von Lieferungen (Arendierungen) außer der Konkurrenz späterhin entweder ganz oder zum Teil ausge- schlossen werden können. Hievon werden die Gemeinde-Vorstehungen zufolge Erlaffes der k. k. Statthalterei vom 8. Februar 1908, Z. 3195/1, unter Bezugnahme auf den h. ä. Erlaß vom 21. Juli 1906, Z. 15.659, (Amtsblatt Nr. 31) zur Verlautbarung der interessierten Bevölkerungskrcisc in Kenntnis gesetzt. Z. 3755. Steyr, 20. Februar 1908. An alle Gememde-Vorstehungen, die hochw. Pfarrämter und die Herren Gemeindeärzte. Vorgehen bei unnatürlichen Todesfällen. Da es in letzterer Zeit wiederholt vorgekommen ist, daß bei gewaltsamen Todesarten und bei aufgefundenen Leichen seitens der Gemeinde, in deren Gebiete sich dieser Vorfall ereignet hat, kein Bericht hierher erstattet wurde, wird der h. ä. Erlaß vom 6. Mai 1899, Z. 6442 (Amtsblatt 9tr. 19), in welchem genaue Weisungen, wie sich in derartigen Fällen zu benehmen ist, enthalten sind, zur genaue» Darnachachtuug in Erinnerung gebracht. Z. 4138. Steyr, 24. Februar 1908. Att alle Gemeinde - vorstehungen und L L Gendarmerie - Pasten - Uommanden. Zufolge Erlasses der k. k. o.-ö. Statthalterei vom 5. Februar 1908, Z. 3202/11, ist im November v. I. der Agent Johann Bapt. Weber der „Deutsch-Oesterr. Verwertungs- gesellschast für Immobilien und Jndnstriewerte in München in Dorf Gastein" bei zahlreichen Grundbesitzern erschienen und hat sie zu überreden versucht, daß sie ihr Anwesen durch Vermittlung der genannten Gesellschaft zu Verkauf stellen. Talfächlich war sein Vorgehen bei drei Grundbesitzern von Eriolg begleitet, indem sie Weber veranlaßte, zwei Vertragsformularien zu unterschreiben, nämlich einen Jnsertionsvertrag, mit welchem die genannte Gesellschaft beauftragt wird, das bezügliche Inserat in ihrer Fachzeitung „Universal" und in anderen Zeitungen, welche die Firma für gut hält, in entsprechenden Zwischenräumen durch drei Monate zu veröffeutlichen. Die Auftraggeber mußten sich verpflichten, hiefür eine größere Summe, gewöhnlich 150 K, in zwei kurzfristigen Raten zu bezahlen. Weitcrs wurden die Genannten auch zur Unterfertigung eines Provisionsvertrages veranlaßt, in welchem sie sich verpflichten, falls durch direkte oder indirekte Zuweisung eines Reflektanten das betreffende Objekt -veräußert wird, am Tage des Vertragsabschluffes einen Maklerlohn von 1 % der Veräußerungssumme zu eutrichten. Der Vertrag hat 6 Monate Gültigkeit und kann innerhalb der letzten 8 Tage gekündigt werden. Erfolgt eine Kündigung nicht, gilt der Vertrag stillschweigend für die gleiche Zeit als erneuert. Veräußert der Grundbesitzer durch anderweitige Vermittlung oder unmittelbar selbst, sowie auch tvenn er den Vermittlungsaustrag innerhalb der Vertragszeit znrück- zieht, hat er ein Reugeld von 200 K binnen 3 Tagen nach Eintritt eines der angeführten Eceigniffe an die Gesellschaft bar einzuzahlen. Laut § 4 des Vertrages haben alle Zahlungen an die Gesellschaft in Würzburg zu erfolgen und wird sich bei allen aus den gegenständlichen Vertrags- verhältniffen entstehenden Verbindlichkeiten dem hiefür sachlich zuständigen Gerichte in Würzburg unterworfen. Eine ähnliche Gerichtsstandsklausel enthält auch der Jnsertionsvertrag. Diese Bedingungen sind für die vertragschließenden Grundbesitzer sehr oneros und können zur Ausbeutung derselben benützt werden. Namentlich ist die Gerichtsstandsklausel sehr ungünstig, indem sich die Auftraggeber einem fremden Rechte und Verfahren au einem entlegenen Orte im Auslande unterwerfen, wodurch eine Nechtsverteidigung entweder ganz ausgeschloffen wird oder aber mit großen Kosten verbunden ist. Bereits mit dem h. ä. Erlasse vom 20. Dezember 1907, Z. 28.549, Amtsblatt Nr. 52, tvurden die Gemeinde-Vorstehungen und k. k. Gendarmerie - Posten - Kommanden anf das Vorgehen der genannten Gesellschaft, die gewöhnlich durch vorherige Uebermittlung von allgemein gehaltenen Schreiben ihre Aktion einzuleiten pflegt, in welchen die Vorteile der Gutsverkäufe durch die Gesellschaft gepriesen werden, aufinerksam gemacht. Da nunmehr konkrete Tatsachen vorliegen und da das Ackerbaunlinisterium nicht in Erfahrung gedrückt hat, daß die genannte Gesellschaft zum Betriebe der Realitätenver- mittlung, bezw. des Gewerbes des Realitätenhandels in den Reichsratsländern berechtigt und hievon besteuert wäre, werden die Gemeinde - Vorstehungen angewiesen, die Be- völkernng in geeigneter Weise auf das Vorgeheu der Gesellschaft und die daraus für die Grundbesitzer entstehenden Nachteile aufmerksam zu machen und die k. k. Gendarmerie- Posten-Kommanden beauftragt, auf den Johann Bapt. Weber eventuell andere Geschäftsreisende der Gesellschaft zu invigi- lieren und sie im Betretungsfalle der zuständigen behördlichen Strafamtshandlung unterziehen zu laffen. Zu bemerken ist noch, daß das Organ der Gesellschaft, die Jmmobilienzeitung „Universal" für das Deutsche Reich, Fachblatt der Deutsch-Oesterr. Verwertungsgesellschaft für Immobilien und Jn>"'" ' ' Druck und Verlag Nr. 12, ist. mnewerle München m. b. H., Reoariion, Franz Popp, Würzburg, Harfenstraße

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