Amtsblatt 1907/51 der k.k. Bezirkshauptmannschaft Steyr

253 Ad § 2. Das Gesetz findet auf alle Getränke Anwendung, deren Grundlage der Saft der frischen Weintrauben ist. Ausgenommen hievon sind nur jene Getränke, welche infolge ihres medikamentösen Charakters vom k. k. Ministerium des ; Innern als oberster Sanitätsbehörde als pharmazeutische Zubereitungen erklärt werden und welche in die von dem - genannten Ministerium periodisch herausgegebenen Ver- ' zeichnisie ausgenommen sind, bezw. jeweils ausgenommen werden. Auf die Erzeugung dieser Getränke und den Ver- . kehr mit denselben finden ausschließlich die vom k. k. Mini- ! sterium des Innern erlassenen speziellen Verfügungen Anwendungen. Sterilisierte Traubenmoste werden als Weinmost im Sinne des 8 2, Alinea 1, des Gesetzes anzusehen sein. Ad § 3. Im § 3 des Gesetzes werden jene Behandlungen und Verfahrensarten angeführt, welche nicht als Verfälschung des Weines oder Mostes im Sinne des 8 6 zu gelten haben. Solche Behandlungen sind zunächst alle in der rationellen Kellerbehandlung gesunder oder ertränkter Weine und Moste anerkannten Verfahrensarten, auch wenn bei deren Anwendung geringe Mengen gesundheitsunschädlicher Stoffe in den Wein (Most, Maische) gelangen. Zu den erkrankten Weinen und Mosten sind auch jene zu rechnen, welche erst Anzeichen einer Erkrankung ausweisen. Derartige in der rationellen Kellerbehandlung anerkannte Verfahrensarten sind in erster Linie alle rein mechanischen Behandlungen und Hantierungen, wie das Abziehen, Umfülle», Filtrieren, Lüften, Pasteurisieren, Besonnen, Gefrieren usw. Das Gesetz erwähnt hier ferner ausdrücklich das Schönen mit mechanisch wirkenden Schönungsmitteln. Als solche kommen dermalen insbesondere in Betracht: Gelatine, Hausenblase, Hühner- und Vluteiweiß, frisches Blut und frische Milch gesunder Tiere, technisch reine Kasein- und Albuminpräperate, Klärerden, Kaolin, Tannin und Nebkernextrakt. Das Gesetz gestattet hiebet auch die Verwendung von Alkohol, jedoch nur insoferne, als dieselbe eine im Nahmen einer rationellen Kellerbehandlung anerkannte Verfahrensart darstellt (Reinigung von Fässern und Flaschen, Vorbereitung gewisser Schönungsmittel, Behandlung kahmiger Weine u. dgl.). Ueberdies darf diese Verwendung nur in einem solchen Ausmaße erfolgen, daß hiedurch nicht mehr als 1 Volumprozent Alkohol in den Wein gelangt. Hiezu dürsten im Sinne des 8 6 des Gesetzes nur reiner Sprit, d. i. raffinierter, mindestens 95%iger fuselfreier Alkohol oder echte Weindestillate (Weinsprit, Weinbranntwein» verwendet werden. Dagegen wird ein direkter Zusatz von Alkohol, lediglich zum Zwecke der Erhöhung des Alkoholgehaltes im Weine, als unzulässig angesehen werden müssen. Das Gesetz erwähnt in diesem Zusammenhänge als zulässige Verfahrensarten noch das Schwefeln, das Umgären, das Auffrischen mit Kohlensäure und das Entfärben mit gereinigter Tier- und Pflanzenkohle. Was das Schwefeln anbelangt, so erfolgt dasselbe im rationellen Kellereibetriebe dermalen mit Schwefel, Schwefel- schnitten oder kondensierter (verflüssigter) schwefeliger Säure; die genannten Materialien nlüssen arsenfrei sein. Von reiner rationeller Kellerbehandlung wird aber auch nur dann die Rede sein können, wenn die Weine und Moste einer solchen Behandlung unterzogen werden, durch welche ein etwaiger Ueberschuß an freier schwefeliger Säure vermieden oder doch bis zu jener Grenze wieder entfernt wird, innerhalb welcher der Wein (Most) als vom Standpunkte des Lebensmittelgesetzes einwandfrei angesehen werden kann. Auf das Umgären des Weines finden, insoferne dasselbe unter Verwendung von Zucker erfolgt, die Bestimmungen des 8 5 des Gesetzes Anwendung; für die solcherart umge- gorenen Weine gelten die Vorschriften des 8 7, P. I. Das Gesetz gestattet ferner das Verschneiden von Wein mit Wein sowie mit Weinmost, und zwar ohne weitere Beschränkung. Es ist selbstverständlich, daß auch das Vermischen verschiedener Moste untereinander sowie vonWein oder Most mit Weinmaische in gleicher Weise^zulässig ist. Eine notwendige Voraussetzung für die Zulässigkeit dieser Manipulationen bildet es aber, daß auch der zum Verschnitte herangezogene Wein oder Most an sich den Erfordernden des Gesetzes entspricht. Desgleichen gestattet das Gesetz die Verwendung von reinem, gefälltem, kohlensaurem Kalk zum Zwecke der Ent- säuerung des Weines. Das Entsäuren des Weines mit anderen Materialien erscheint daher unzulässig. Was die Menge des zu verwendenden kohlensauren Kalkes anbelangt, so enthält das Gesetz keinerlei nähere Bestimmungen; es bleiben daher auch hiefür die allgemeinen Grundsätze des Lebeusmittelgesetzes maßgebend. Bei der Wiederherstellung ertränkter Weine und Weinmoste, und zwar ausschließlich für diesen Fall, erklärt das Gesetz auch einen Zusatz von Weinsäure im Höchstausmaße von 1 § pro Liter rmd von Ratriumbisulfit (doppelt- schmcfeligfaures Natrium) im Höchstausmaße von 5 g pro Hektoliter für zulässig. Was den letzteren Punkt anbelangt, so ist zu bemerken, daß ein Zusatz von Ratriumbisulfit in der angegebenen Menge im Weine oder Moste einen solchen Gehalt au freier- schwefliger Säure erzeugen kann, daß dessen Genuß gesundheitsschädlich wäre. Es muß daher auch in diesem Falle, damit den Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes entsprochen werde, dem Weine oder Moste vor dem Konsume durch entsprechende Behandlung ein etwaiger Ueberschuß an freier schwefliger Säure wieder entzogen werden. Endlich gestattet das Gesetz noch das Auffärben des Weines durch Behandlung mit frischen Rotweintrestern oder durch Zusatz von Karamel. Mit Rücksicht daraus, daß nach 8 6 ves Gesetzes der Zusatz von Stärkezucker zum Weine verboten ist, muß der zum Auffärben verwendete Karamel aus reinem Rohr oder Rübenzucker bereitet sein. Ad § 4. Für die Herstellung einzelner Kategorien von Weinen, und zwar von Süß- (Dessert-)weinen, Schaumweinen sowie aromatisierten und gewürgten Weinen gestattet das Gesetz gewisse Ausnahmen von den für die Herstelluug von Wein im allgemeinen festgesetzten Bestimmungen, indem für die Bereitung der genannten Getränke — außer den im § 3 des Gesetzes gestatteten — noch gewisse andere Verfahrensarten und Zusätze als zulässig erklärt werden. Bei der Herstellung von Süß- (Dessert-)weinen ist die Verwendung von technisch reinem Rohr- und Rübenzucker (Konsumzucker), Rosinen oder Korinthen unb der Zusatz von Alkohol in solcher Menge gestattet, daß das Produkt nicht mehr als 22 ^ Volumprozent Alkohol enthält. Unter Süß- (Desserl-)iveinen werden solche Weine verstanden, welche an Alkohol oder Zucker oder an beiden reich sind und sich durch einen diesen Getränken eigentümlichen Geschmack oder Geruch auszeichnen. Als Regel kann angenommen werden, daß solche Weine im fertigen Zustande mindestens 12 Volumprozent Alkohol und überdies noch

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