Amtsblatt 1905/38 der k.k. Bezirkshauptmannschaft Steyr

I. Die Erfahrung lehrt, daß in Orten, in welchen Reinlichkeit herrscht und hygienische Mißstände nicht geduldet werden, die erwähnte Seuche für ihre Weiterverbreitung keinen Boden findet. Es ist daher die Assanierungstätigkeit in den Gemeinden eifrigst fortzusetzen, dort, wo diese etwa eine Unterbrechung erfahren hätte, wieder aufzunehmen, wo damit aber noch nicht begonnen wurde, mit aller Beschleunigung in rationeller Weise ins Werk zu setzen. In jeder Gemeinde ist eine Sanitätskommission, be¬ tehend aus dem Gemeinde=Vorsteher, dem Gemeindearzte und hiezu gewählten Gemeindeausschuß=Mitgliedern zu kon¬ stituieren. Dieselbe hat im Wege lokalkommissioneller Erhebung in der Gemeinde alle Uebelstände, welche nach sachverständiger Beurteilung geeignet sind, Grund und Boden mit zersetzungs¬ fähigen Substanzen zu verunreinigen, Trink= und Nutzwasser, sei es direkt, sei es indirekt, zu infizieren, festzustellen und auf schleunigste Beseitigung der vorgefundenen Mißstände mit aller Strenge zu dringen. Hiebei wird aber stets im Auge zu behalten sein, daß es sich in der Regel nicht so sehr um Neuher¬ stellungen, welche schon wegen der oft damit verbundenen großen Auslagen nicht so bald bewerkstelligt werden können vielmehr vorzugsweise um Beseitigung aus Fahrlässigkeit oder Indolenz eingerissener Uebelstände, vielfach nur um das Aufgeben üblei Gewohnheit handelt. Ein besonderes Augenmerk ist den tatsächlichen oder mit Grund zu besorgenden Verunreinigungen von Trink= und Nutzwasser am Ursprunge, bei Fassung von Quellen sowie im Verlaufe der Leitungen, der Verun¬ reinigung und dem Bezuge von Wasser aus dem Unter grunde und vor allem dem aus offenen Gerinnen, aus Seen, Teichen u. dgl. entnommenen Wasser zuzuwenden und ist jede Verunreinigung der letzgenannten Entnahme¬ stellen strengstens hintanzuhalten. Auf sorgfältige Pflege der öffentlichen Reinlichkeit, auf unschädliche Beseitigung von organischen Abfallstoffen jeder Art aus den menschlichen Wohnungen und aus der Nähe derselben muß gedrungen, Abortgruben sollen hinsichtlich ihrer Undurchlässigkeit untersucht werden, Versitz= und Schwind¬ gruben, in welchen mit Dejekten verunreinigte Flüssigkeit in den Untergrund versickern, sind zu schließen oder zu beseitigen. Die Aufsichtspflege hat sich auch auf die so häufig Epidemieherde bildenden überfüllten menschlichen Wohnungen, namentlich auf Massenquartiere, Herbergen, auf die Hand¬ habung der Marktpolizei und auf den Verkehr mit Nahrungs¬ und Genußmitteln zu erstrecken. Sehr wichtig ist es, daß zum Reinigen von Gemüsen nur unbedenkliches Wasser ver¬ wendet werde. Ueber die Konstituierung der Sanitätskommission ist unter Namhaftmachung der Mitglieder derselben bis 30. d. M. zu berichten und sind die Erhebungsprotokolle der Kommission sodann bis längstens 15. Oktober l. J. vorzulegen. II. Den Aerzten, Totenbeschauern, Seelsorgern und Gemeinde=Vorstehungen wird die Anzeige jedes verdächtigen Erkrankungs=, bezw. Todesfalles zur Pflicht gemacht. III. Die den Haushaltungsvorständen und Familien¬ oberhäuptern obliegende Anzeigepflicht ist denselben sofort durch allgemeine Verlautbarung mit dem Bemerken in Er¬ innerung zu bringen, daß Versäumnisse in dieser Richtung oder Verheimlichung verdächtiger Erkrankungen unnachsichtlich geahndet werden. Ein Exemplar der betreffenden Verlaut¬ 185 barungen ist seitens der Gemeinde=Vorstehungen gleichfalls bis 30. d. M. hierher vorzulegen. IV. Da aber immerhin mit der Möglichkeit einer von auswärts erfolgenden Einschleppung der Cholera gerechnet werden muß, ist es unerläßlich, auch alle jene Vorkehrungen zu treffen, durch welche im Falle einer Einschleppung der Krankheit der Gefahr einer Weiterverbreitung derselben be¬ gegnet werden kann. In dieser Beziehung ist die sanitäre Ueberwachung aller aus Choleragegenden zugereisten einheimischen sowohl wie ortsfremden Personen von größter Wichtigkeit und er¬ gibt sich hieraus die Notwendigkeit einer exakten vorschrifts¬ mäßigen Handhabung des Meldungswesens und der Fremden¬ polizei. Eine besonders aufmerksame Ueberwachung hat bei Vaganten, beschäftigungslos herumziehenden Personen, Aus¬ wanderern, welche in einem Orte ihre Reise unterbrechen, platzugreifen. Alle aus choleraverseuchten Gegenden (diese werden jeweils im Amtsblatte bekanntgegeben werden) zugereisten Personen sind in ihrem Aufenthaltsorte während der ersten 5 Tage nach der Ankunft der sanitären Ueberwachung zu unterstellen und ist, um diese zu sichern, in jenen Fällen, in welchen derartige Ankömmlinge vor Ablauf der 5 Tage den Aufenthaltsort wechseln, die Behörde des Ortes, wohin sie sich begeben wollen, wegen Fortsetzung der Ueberwachung auf kürzestem Wege von der bevorstehenden Ankunft zu ver¬ ständigen. Durch diese Maßnahme darf die freie Bewegung der Zugereisten, solange dieselben keine verdächtigen Krankheits¬ erscheinungen bieten, keineswegs behindert werden, sie hat sich darauf zu beschränken, daß während des 5 tägigen Zeit¬ raumes der Gesundheitszustand im Auge behalten wird. Sollten sich bei einheimischen oder zugereisten Personen verdächtige Krankheitserscheinungen zeigen, so ist ohne Verzug auf kürzestem Wege hierher Meldung zu erstatten. V. Cholerakranke oder dieser Erkrankung verdächtige Personen müssen, wie Infektionskranke überhaupt, unverzüglich von dem Verkehre mit anderen Personen als den zu ihrer Pflege und Behandlung bestimmten abgesondert, sollen, wo anders möglich, in eigene Isolierabteilungen der Kranken¬ anstalten, Epidemie= oder Notspitäler überführt, keinesfalls aber dürfen Cholerakranke und dieser Erkrankung verdächtige Personen in einem und demselben Raume untergebracht werden. Die Isolierung Choleraverdächtiger hat jedenfalls und zum mindesten so lange zu dauern, bis durch die bakterio¬ logische Untersuchung jeder Verdacht behoben ist. Bei den Kranken wie bei den verdächtigen Personen ist der sicheren und vollständigen Desinfektion ihrer Ent¬ leerungen, der Wäsche, aller infektionsverdächtigen Gegen¬ stände, der Krankenzimmer und ihrer Einrichtungsstücke be¬ sondere Aufmerksamkeit zu widmen; die Desinfektion muß bereits im Krankenzimmer beginnen, damit jede Verschleppung des Ansteckungsstoffes nach außen vermieden bleibt und ist genau nach den Bestimmungen der Desinfektionsvorschrift und des Statthalterei=Erlasses vom 19. August 1893 Z. 12.763, L.=G.= u. V.=Bl. XIV. Stück, Nr. 22, durch¬ zuführen. Damit der Vollzug der erwähnten Vorsichtsmaßregeln gesichert wird, und um von Ereignissen nicht überrascht zu werden, vielmehr für alle Fälle vorbereitet zu sein, ist es unerläßlich, allenthalben rechtzeitig die entsprechenden Vor¬ kehrungen zu treffen. Es müssen daher die bereits bestehenden Isolier¬

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