Z. 42/B.=Sch.=R. Steyr, 9. Jänner 1905 An sämtliche Schulleitungen. Laut Kundmachung des Bezirksschulrates Wien vom 15. Dezember 1904 werden in der Zeit vom 2. Februar bis 5. März 1905 an drei öffentlichen Volksschulen in Wier in von der Gemeinde Wien zur Verfügung gestellten Lokali täten Heilkurse für stotternde Schulkinder von Volksschul lehrern abgehalten werden. In diesen wird die Heilung des obbezeichneten Sprach¬ gebrechens nach der Methode des Professors Léon Berquand durch dessen unmittelbare Schüler mittels alleiniger An¬ wendung pädagogischer Maßnahmen und Sprechübungen durchgeführt und es können auch mit Zustimmung des hoher k. k. Ministeriums für Kultus und Unterricht sowie des k. k n.=ö. Landesschulrates mehrere an Volksschulen der öster¬ reichischen Kronländer angestellte Lehrer an diesen Kurser behufs Erwerbung der Kenntnis dieser Methode und Ein führung in deren praktischen Betrieb unentgeltlich teilnehmen. Lehrer, welche an diesen Instruktionskursen sich zu be¬ teiligen gedenken, haben sich zur Anwesenheit während der ganzen fünfwöchentlichen Dauer des von ihnen zu besuchender Kurses zu verpflichten, weil nur in diesem Falle ein voll¬ kommenes Eindringen in das Wesen der angewendeten Methode möglich ist und die Befähigung zu deren richtigen Anwendung gewonnen werden kann. (Nur in besonders berück sichtigenswerten Fällen könnte eine vierwöchentliche Teil¬ nahme an einem solchen Kurse —. Nachsicht der Anwesenhei während der letzten Kurswoche zugestanden werden. Die Anmeldung der beabsichtigten Teilnahme hat seiten¬ der Lehrer im Wege ihrer Schulleitung beim Bezirksschulrate der Stadt Wien bis spätestens am 28. Jänner 1905 zu geschehen, worauf die Zuteilung der Angemeldeten an einen der Kurse und die Einberufung im kurzen Wege der direkten Verständigung des betreffenden Teilnehmers selbst erfolgen wird: Da nach den bisherigen Erfahrungen noch niemals eine Anmeldung zurückgewiesen werden mußte, sondern Plätze für alle angemeldeten Lehrpersonen vorhanden waren, so kann jeder Angemeldete auf Zuweisung sicher rechnen. Um jedoch den Schwierigkeiten, welche sich aus dem mitunter vorgekommenen Ausbleiben einzelner Angemeldeter und den Kursen Zugewiesener wegen Nichterhaltung des erbetener Urlaubes für eine zweckmäßige Verteilung der Kursteilnehmer an die verschiedenen Kurse ergeben haben, zu begegnen, können nur Anmeldungen solcher Lehrpersonen berücksichtigt werden, welche den erforderlichen Urlaub zum Besuche der Instruktionskurse von ihrer vorgesetzten Schulbehörde erhalten haben, was entweder durch Beilegung des Urlaubsdokumentes selbst oder durch Bestätigung der Tatsache durch die Schul¬ leitung auf dem Anmeldungsschreiben nachzuweisen ist, Steyr, 2. Jänner 1905. Z.-42. An alle Gemeinde=Vorstehungen und die Genossenschafts=Vorstehungen. Betreffend die Behandlung von Arbeitsbüchern, die von entlassenen oder ausgetretenen Arbeitern beim Arbeitgeber zurückgelassen wurden. Laut des Erlasses des k. k. Handelsministeriums d. d. 7. Dezember 1904, Z. 62.325, hatte das k. k. Justiz ministerium wiederholt Gelegenheit, wahrzunehmen, daß in der Praxis große Unsicherheit über die Beantwortung der Frage besteht, was mit den Arbeitsbüchern zu geschehen habe, die entlassene oder austretende Arbeiter beim Arbeit¬ geber zurücklassen. Da auch die Gerichte zu einer einheit¬ lichen Rechtsanschauung über diesen Gegenstand nicht ge¬ langen konnten, hat das Justizministerium dem Präsidium des Obersten Gerichtshofes das gesammelte Material mit dem Ersuchen mitgeteilt, in Gemäßheit des § 16, lit. f des kaiserlichen Patentes vom 27. August 1850, R.=G.=Bl. Nr. 325, einem Plenarsenate des Obersten Gerichtshofes die Entscheidung der von den Gerichten teils verschieden, teils unrichtig entschiedenen Rechtsfragen vorzulegen. Laut der Note des Präsidiums des Obersten Gerichtshofes vom 19. November 1904, Präs. 162, hat der Oberste Gerichts hof am 9. November 1904 in einem Plenarsenate das nach¬ stehend abgedruckte Gutachten beschlossen Da dieses Gutachten geeignet ist, die sowohl für das gewerbliche Leben als für die Verwaltung höchst nachteilige Unsicherheit zu beseitigen, die bis nun über die Lösung der Frage bestand, was mit den Arbeitsbüchern und sonstigen Dokumenten zu geschehen habe, die entlassene oder aus¬ tretende Arbeitnehmer beim Arbeitgeber zurücklassen, so werden die Gemeinde= und Genossenschafts=Vorstehungen über Erlaß der k. k. o.= ö. Statthalterei in Linz vom 25. De¬ zember 1904, Z. 26.777/VIII, angewiesen, von dem In¬ halte dieses Gutachtens Kenntnis zu nehmen und zu ver¬ anlassen, daß dasselbe möglichst allgemein in gewerblichen Kreisen bekannt werde. Es wird sich daher insbesondere empfehlen, daß die Genossenschafts=Vorstehungen dieses Gutachten bei den Ge¬ nossenschafts=Versammlungen zur Kenntnis der Genossenschafts¬ mitglieder bringen. Das k. k. Handelsministerium hat es übrigens als wünschenswert bezeichnet, daß sich die im Gutachten für zu¬ lässig erklärte Hinterlegung der Arbeitsbücher bei den Ge¬ meindebehörden des Arbeitsortes einbürgere, weil diese Hinterlegungsart die für alle Beteiligten zweckmäßigste und bequemste sein dürfte. Gutachten. Ueber die mit Note vom 19. April 1904, Z. 8489/4, zur Entscheidung vorgelegten Rechtsfragen: a) ob der Arbeitgeber im Falle der Auflösung des Arbeitsverhältnisses verpflichtet ist, das Arbeitsbuch weiter aufzubewahren, auch wenn der Arbeiter die ihm angebotene Aushändigung des Arbeitsbuches ablehnt oder das Begehren um Ausfolgung desselben unter Umständen zu stellen unter¬ lassen hat, unter denen er es hätte füglich stellen können und sollen b) ob der Arbeitgeber im Falle des Annahmsverzuges des Arbeitsnehmers berechtigt ist, das Arbeitsbuch des Hilfs¬ arbeiters, dessen Arbeitsverhältnis gelöst ist, und die anderen bei ihm hinterlegten Dokumente bei einem Dritten zu depo¬ nieren, bei dem deren Abholung nicht mit größeren Schwierig keiten und Kosten verbunden ist, als beim Arbeitgeber: c) ob insbesondere die Deponierung ohne Gefahr einer erfolgreichen Inanspruchnahme nach § 80 g, Gewerbe=Ordnung beim Vorsteher der Gemeinde, in deren Gemarkung der Arbeitsort oder die Verwaltung des gewerblichen Unter¬ nehmens sich befindet, oder bei der am selben Orte befind¬ lichen Gewerbebehörde bewirkt werden kann, vorausgesetzt, daß diese Organe und Behörden zur Entgegennahme der Schriftstücke bereit sind, erstattet der Oberste Gerichtshof sein Gutachten in Gemäßheit des § 16 des kaiserlichen Patentes vom 7. August 1850, R.=G.=Bl. Nr. 325, in Folgendem: Beurteilt man das auf öffentlich=rechtlicher, gewerbe¬ polizeilicher Vorschrift beruhende Rechtsverhältnis zwischen
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