Steyr, 23. Oktober 1903. Z. 15.953. An alle Genossenschafts=Vorstehungen. Das k. k. Handelsministerium hat mit dem Erlasse vom 1. d. M., Z. 38.336, der k. k. Statthalterei Nach¬ stehendes eröffnet: Die im Jahre 1900 vom Handelsministerium durch¬ geführte Enquête über das kleingewerbliche Kreditwesen ergab als zunächst dringend notwendige Maßnahmen die Hebung der kaufmännischen Bildung der Gewerbetreibenden. Im Verlaufe der Enquête wurde festgestellt, daß ein großer Teil der Kleingewerbetreibenden weder Bücher zu führen, noch richtig zu kalkulieren imstande ist. Solange diesen Mängeln nicht abgeholfen wird, können die Geschäfts¬ verhältnisse der betreffenden Kleingewerbetreibenden nicht mit Sicherheit beurteilt werden, wodurch eine Verbesserung der Kreditverhältnisse der Kleingewerbetreibenden ungemein er schwert wird. Um eine Besserung dieser Verhältnisse herbeizuführen, hat das Handelsministerium die Abhaltung von gesonderten Buchhaltungskursen für die Meister aller wichtigen Gewerbs¬ zweige in den Kreis seiner Gewerbeförderungsaktion ein¬ bezogen.Zu diesem Ende wurde ein Fachkomitee gebildet, welchem hervorragende Fachmänner auf dem Gebiete des gewerblichen Buchhaltungswesens angehören. Auf Grund des Beschlusses dieses Komitees wurden nach Einvernahme von Angehörigen die betreffenden Ge¬ werbe=Lehrgänge für die fachgewerbliche Buchhaltung durch einen Fachmann verfaßt. Bis jetzt sind im Verlage der Firma Pichlers Witwe & Sohn in Wien vier derartige Hilfsbücher, welche die Buchhaltung im Tischler=, Schneider=, Schuhmacher= und Schlossergewerbe behandeln, erschienen. Diese Lehrbücher, welche nebst dem nächsten Zwecke, Hilfsbücher für die fachgewerbliche Buchhaltung zu sein, auch den Gewerbetreibenden selbst als Handbücher dienen sollen, aus denen sich der Gewerbetreibende für die Führung seiner Geschäftsbücher Rat zu holen vermag, sind praktisch durch Abhaltung eines Kurses für Buchhaltung der Tischler beim Gewerbeförderungsdienste des Handelsministeriums in Wien erprobt und haben ein sehr gutes Resultat ergeben, indem fast alle Besucher eine musterhafte Buchhaltung in ihrem Geschäfte eingeführt haben. Das Handelsministerium ist geneigt, die Errichtung solcher fachlich gesonderter Buchhaltungskurse für erwerbs¬ tätige Gewerbetreibende, welche im Sinne obiger Lehrgänge veranstaltet werden, durch Gewährung von Subventionen unter folgenden Bedingungen zu fördern: 1. Das k. k. Handelsministerium bewilligt Zuschüsse zu den Kosten nur solcher Buchhaltungskurse, die für Meister oder Gehilfen einzelner Gewerbe veranstaltet werden.2. Dem Unterrichte in den Kursen sind die vom Ge¬ werbeförderungsdienste des k. k. Handelsministeriums heraus¬ gegebenen Lehrgänge als Lehrbehelf zugrunde zu legen. 3. Die Zahl der Unterrichtsstunden soll nicht weniger als 30 und nicht mehr als 45 betragen. Der Unterricht wird in der Regel in den Abendstunder zwei= bis dreimal wöchentlich stattfinden. 4. Die Zahl der Teilnehmer soll in der Regel 10 bis 20 betragen. Bei der Auswahl der Teilnehmer erhalten die Meister vor den Gehilfen den Vorzug, unter den letzteren wieder solche, die die Absicht haben, bald Meister zu werden, oder die in einem gewerblichen Betriebe die Buchführung besorgen sollen. 5. Auf eine feierliche mündliche Schlußprüfung soll kein besonderer Wert gelegt werden, dagegen bleibt es dem Kursleiter unbenommen, eine schriftliche Schlußübung in der Absicht zu veranstalten, um über den Erfolg des Unter¬ richtes Aufschlüsse zu erhalten. 6. Der Kursleiter soll womöglich für den Buch¬ haltungsunterricht an Handelsschulen ge¬ prüft sein. In Ausnahmsfällen können auch andere geeignete Lehrpersonen oder im Buch¬ haltungsfache besonders geeignete Gewerbe¬ treibende gewählt werden. 7. Eine Voranzeige von der Abhaltung des Kurses muß mindestens vier Wochen vor dem Kursbeginne dem Ge¬ werbeförderungsdienste des k. k. Handels =Ministeriums, Wien IX./2, Severingasse 9, eingesendet werden Dabei ist der Kursleiter und der Lehrbehelf, der dem Unterrichte zugrunde gelegt werden soll, bekanntzugeben. Ferner sollen in dieser Voranzeige Angaben darüber enthalten sein, an welchen Wochentagen, zu welcher Zeit und an welchem Orte der Kurs veranstaltet werden soll, wie viele und welche Gewerbetreibende an dem Kurse teilnehmen werden, endlich wie groß voraussichtlich die Kosten der Ver¬ anstaltung sein werden. Das k. k. Handelsministerium wird hierauf den Ver¬ staltern des Kurses die Mitteilung zukommen lassen, ob es unter den in jener Voranzeige angegebenen Umständen einen Zuschuß gewähren wird. 8. Das k. k. Handelsministerium behält sich das Recht vor, die von ihm subventionierten Kurse inspizieren zu lassen. 9. Nach dem Schluß des Kurses ist ein ausführlicher Bericht über den Verlauf des Kurses an den Gewerbeförderungs¬ dienst des k. k. Handelsministeriums zu senden. In diesem Berichte sind u. a. der Name, Alter, Stand und Wohnort jedes einzelnen Kursteilnehmers bekanntzugeben 10. Zu den in diesem Berichte nachgewiesenen Kosten für die Lehrkraft u. a., Beheizung, Beleuchtung, Beschaffung von Lehrbehelfen, wird vom Handelsministerium eventuell ein Zuschuß im Höchstbetrage von 100 K gewährt werden. Der Rest der Auslagen ist durch Beiträge der Lokalfaktoren zu decken, von denen auch die unentgeltliche Beistellung eines Unterrichtslokales vorausgesetzt wird 11. Längstens ein Jahr nach dem Schlusse des Kurses soll der Kursleiter oder eine andere geeignete Person bei den Teilnehmern Erhebungen über den praktischen Erfolg der Veranstaltungen insbesondere darüber anstellen, ob und in welcher Weise die Teilnehmer in ihren Betrieben Geschäfts¬ bücher eingeführt haben. Hievon werden die Genossenschafts=Vorstehungen im¬ grunde des Statthalterei=Erlasses vom 12. Oktober 1903, Nr. 21.383/VIII, mit der Einladung in die Kenntnis ge¬ setzt, gelegentlich der genossenschaftl. Versammlungen und in sonst geeigneter Weise die Gewerbetreibenden auf diese für die Förderung des Kleingewerbes wichtige Institution der gewerblichen Buchhaltungskurse aufmerksam zu machen. Die o.=ö. Handels= und Gewerbekammer erhielt seitens des Handels=Ministeriums bereits die entsprechende Mit¬ teilung.Sollte sich an einem Orte die erforderliche Zahl der Kursteilnehmer finden, so können sich dieselben behufs der Aufstellung eines Buchhaltungskurses mit dem Antrage hie¬ her wenden, in welchem die Frage der durch den Zuschuß nicht bedeckten Kosten des Kurses klar zu stellen sein wird.
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