Amtsblatt 1903/20 der k.k. Bezirkshauptmannschaft Steyr

Z. 856/B.=Sch.=R. Steyr, 11. Mai 1903. An den Zweialehrerverein Weyer. Der k. k. Bezirksschulrat gewährt jenen Mitgliedern des Zweiglehrervereines Weyer, welche der am 6. Juni l. J. in Reichraming stattfindenden Vereinsversammlung bei¬ wohnen wollen, den hiezu erforderlichen Urlaub. Steyr, 26. April 1903. Z. 576/Sch. An alle Ortsschulräthe und Schulleitungen. In Abänderung des Landesschulrats=Erlasses vom 11. Juli 1900, Z. 1766, haben die Ortsschulräte und Schulleitungen behufs Abgabe verwahrloster schulpflichtiger Kinder in geeignete Besserungsanstalten zufolge des Norm. Erlasses der k. k. Statthalterei in Linz vom 12. November 1902, Nr. 25.050/II, h. ä. Int. vom 4. Dezember 1902, Nr. 16.255, verlautbart im Amtsblatt Nr. 50 ex 1902, in jenen Fällen die Initiative zu ergreifen, wenn über ver¬ wahrloste Kinder weder gerichtlich im Sinne des § 8. al.1, des Gesetzes vom 24. Mai 1885 (R.=G=Bl. Nr. 89), noch durch die Sicherheitsbehörde im Sinne des 2. Absatzes dieses Paragraphen die Zulässigkeit der Abgabe in eine Besserungs¬ anstalt ausgesprochen wird. Instruktion über die gesetzlichen Bestimmungen und den Vorgang bei Abgabe von Kindern in eine Rettungs-, beziehungsweise Besserungsanstalt. Allgemeines. Die Abgabe eines Kindes in eine Besserungsanstalt erfolgt: A. Nach § 8 des Gesetzes vom 24. Mai 1885 (R.=G.=Bl. Nr. 89), d. i. auf Grund eines Straferkennt¬ nisses, mit dem die Zulässigkeit der Abgabe in eine Besserungs¬ anstalt ausgesprochen wird. § 8 lautet: „Die Abgabe in eine Besserungsanstalt kann von dem Strafgerichte auch bei Unmündigen (Unmündige sind solche Kinder, die das 14. Lebensjahr noch nicht zurückgelegt haben § 21, a, b, G.=B.), für zulässig erklärt werden, welche sich einer strafbaren Handlung schuldig machen, die nach den Bestimmungen des Strafgesetzes nur wegen Unmündig¬ keit des Täters nicht als Verbrechen zugerechnet, sondern als Uebertretung bestraft wird (§§ 2, lit. d, 237 und 269 bis 272 des Strafgesetzes). In Fällen, in denen nach § 273 des Strafgesetzes der Sicherheitsbehörde die Ahndung und Vorkehrung wegen einer von einem Unmündigen begangenen strafbaren Hand¬ lung überlassen ist, kann die Abgabe des Unmündigen in eine Besserungsanstalt verfügt werden, wenn derselbe zugleich verwahrlost und ein anderes Mittel zur Erzielung einer ordentlichen Erziehung und Beaufsichtigung desselben nicht ausfindig zu machen ist." Zum besseren Verständnis dieser Bestimmung seien die einschlägigen Paragraphen des Straf gesetzes angeführt: § 237: „Die strafbaren Handlungen, die von Kindern bis zu dem vollendeten zehnten Jahre begangen werden, sind bloß der häuslichen Züchtigung zu überlassen, aber von dem angehenden elften bis zu dem vollendeten vierzehnten Jahre werden Handlungen, die nur wegen Unmündigkeit des Täters nicht als Verbrechen zugerechnet werden (§ 2, lit. d), als Uebertretungen bestraft" (§§ 269 und 270). § 269: „Unmündige können auf zweifache Weise schuldig werden: durch strafbare Handlungen, welche nach ihrer Eigenschaft Verbrechen wären, aber wenn sie Unmündige begehen, nach § 237 nur als Uebertretungen bestraft werden; b) durch solche strafbare Handlungen, welche schon an sich nur Vergehen oder Uebertretungen sind. § 270: Die von Unmündigen begangenen strafbaren Handlungen der ersten Art sind mit Verschließung an einem abgesonderten Verwahrungsort nach Beschaffenheit der Um¬ stände von einem Tage bis zu sechs Monaten zu bestrafen. Diese Strafe kann nach § 253 verschärft werden. § 273: „Die von Unmündigen begangenen strafbaren Handlungen der zweiten Art werden insgemein der häus¬ lichen Züchtigung, in Ermanalung dieser aber, oder nach dabei sich zeigenden besonderen Umständen, der Ahndung und Vorkehrung der Sicherheitsbehörde überlassen. B. Die Aufnahme in eine Besserungsanstalt kann je¬ doch auch ohne eine vorausgehende, auf Zulässigkeit der Ab¬ gabe in eine Besserungsanstalt erkennende strafgerichtliche Entscheidung von kompetenter Seite veranlaßt werden. Das Gesetz vom 24. Mai 1885 (R.=G.=Bl. Nr. 90, § 16, bestimmt: „Außer den gesetzlich bestimmten Fällen darf niemand in eine Zwangsarbeits= oder Besserungsanstalt abgegeben werden. Durch diese Bestimmung ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß auf Antrag der gesetzlichen Vertreter und mit Zustim¬ mung der Pflegschaftsbehörde jugendliche Personen auch außer den in dem Gesetze bezeichneten Fällen in eine Besserungsanstalt für jugendliche Korrigenden abgegeben werden. Mit dem h. ä. Erlaß vom 30. Juni 1897, Z. 929, betreffend die Ueberwachung der verwahrlosten schul¬ pflichtigen Kinder, wird ein Zusammenwirken der gerichts¬ politischen und der Schulbehörden zu dem Zweck empfohlen, um verwahrloste oder auch solche Kinder, deren sittlicher Entwicklung in ihrer Umgebung Gefahr droht, in anderen Familien oder in einer Besserungs= beziehungsweise Rettungs¬ anstalt unterzubringen. Auf Grund dieses Erlasses werden die Bezirks= und Stadtschulräte beauftragt, dieser hochwichtigen Angelegenheit die erforderliche Aufmerksamkeit zuzuwenden und in geeigneter Weise die Schulleitungen sowie das gesamte Lehrpersonal und die Ortsschulräte des Schulbezirkes zur Mitwirkung bei Ueberwachung der der Verwahrlosung entgegengehenden Kinder und bei rechtzeitiger Verständigung der Sicherheits¬ behörden und der Gerichte zu verpflichten. Insbesondere wird dann seitens der lokalen Schul¬ behörden nach den Weisungen des vorstehend zitierten Er¬ lasses einzuschreiten sein, wenn sich ihnen die Ueberzeugung aufdrängt, daß gegen die gesetzlichen Vertreter des Kindes im Sinne der 88 176 und 177 des bürgerl. Gesetzbuches vorzugehen ist, daß diese also unfähig oder nicht gewillt sind, ihre natürliche Pflicht gegen die Kinder auch nur annähernd zu erfüllen. II. Vorgang bezüglich der Abgabe. Ist die Abgabe eines Kindes in eine Rettungs=, be¬ ziehungsweise Besserungsanstalt nach der Aeußerung der Lehrerkonferenz (der Schulleitung oder des Ortsschulrates) erwünscht, empfiehlt sich folgender Vorgang:

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