Amtsblatt 1900/1 der k.k. Bezirkshauptmannschaft Steyr vom 4. Jänner 1900

3 Belehrung über die Pest und die sanitären Maßnahmen zur Verhütung und Tilgung derselben. (Gutachten des k. k. Obersten Sanitätsrathes, erstattet in der Sitzung vom 8. Juli 1899.) 2. Jene Personen, welche mit dem Kranken verkehrt hatten, sind zunächst bis zur Constatierung der Natur der Krankheit zu isolieren und unter ärztliche Beobachtung zu stellen, und zwar entweder in ihren Wohnungen, falls da¬ selbst eine vollkommene Absperrung möglich ist, oder aber in einem Isolierspitale, beziehungsweise in eigens für diesen Zweck bestimmten Unterkünften. Stellt sich der betreffende Erkrankungsfall mit Sicherheit als Pest heraus, so hat die Isolierung durch volle 10 Tage zu währen; treten aber später auch unter diesen Personen Pesterkcankungen auf, so ist die Isolierung der nicht erkrankten Personen um je wei¬ tere 10 Tage, vom Datum des letzten Erkrankungsfalles gerechnet, zu verlängern, während mit den Erkrankten in der bereits früher angegebenen Weise vorzugeben ist. Zugleich sind die Leib= und Bettwäsche, sowie die Kleider der Inter¬ nierten in der später anzugebenden Weise zu desinficieren. In die Isolierung werden die Aerzte, welche bei den verdächtigen Erkrankungen interveniert hatten, oder welche die Kranken weiterhin in den Wohnungen behandeln, nicht einbezogen; doch haben dieselben nicht nur an sich selbst die erforderlichen Desinfectionen vorzunehmen, sondern auch da¬ für zu sorgen, dass in den Wohnungen der von ihnen be¬ handelten Pestkranken alle jene Desinfections= und Schutz¬ maßregeln genauestens ausgeführt werden, welche, wie später, angeführt wird, für die Krankenräume in einem Pestspitale zu gelten haben. Das bei dem Transporte von Pestverdächtigen oder Pest¬ kranken verwendete Personale ist zwar zu isolieren und unter ärztliche Beobachtung zu stellen, allein unbeschadet seiner weiteren Verwendung zum Transporte von Pestver¬ dächtigen und Pestkranken; im Uebrigen gelten für dasselbe die gleichen Desinfections= und Schutzmaßregeln, wie sie später für das Wartepersonal von Pestkranken angegeben werden. 3. Herrschen in einem Hause, in welchem eine Pest¬ erkrankung aufgetreten ist, sehr schlimme hygienische Ver¬ hältnisse, oder sind in einem Hause kurz hintereinander Pestfälle vorgekommen, so ist dasselbe, wenn thunlich, ganz zu evacuieren und hierauf einer gründlichen Reini¬ gung, beziehungsweise Desinfection zu unterwerfen. Hiebei ist sowohl auf etwa vorhandenes Ungeziefer als auch darauf zu achten, ob dieses Haus, namentlich jene Räume desselben, in welchen Menschen verkehren (Höfe, Scheunen, Ställe, Keller, Dachboden, Gänge, Zimmer), von Ratten und Mäusen heimgesucht werden. In diesem Falle sind die genannten Thiere zu vertilgen, oder es ist wenig¬ stens ihr Eindringen in die eben angeführten Räume hintan¬ zuhalten. 4. Kommt eine pestverdächtige Erkrankung auf einem Schiffe in einem Hafenorte vor, so ist der Kranke in ein Isolierspital, beziehungsweise auf die Isolierabtheilung eines Krankenhauses zu schaffen und das Schiff einer 10tägigen Quarantaine zu unterwerfen. Erweist sich die Erkrankung als Pest, so müssen nach Evacuation des Schiffes etwa vorhandene Ratten und Mäuse vertilgt und alle Räume, in welchen sich diese oder der Kranke aufgehalten hatten, sowie die Gegenstände, mit denen sie in Berührung gekommen sein konnten, desinficiert werden; desgleichen ist das Kielwasser nach vorausgegangener Desinfection zu entleeren. 5. Nach der Aufnahme von pestverdächtigen Kranken in das hiefür bestimmte Spital oder bei der etwaigen Weiterbelassung derselben ihrer Wohnung ist vor allem da¬ für zu sorgen, dass die Natur der Erkrankung nach den im Abschnitte IV angeführten Vorschriften so rasch als möglich jestgestellt werde. Im übrigen sind aber bereits alle jene Desinfections= und Schutzmaßregeln anzuwenden, welche gegenüber wirklichen Pestkranken beobachtet werden müssen; es sind dies Folgende: Die Excrete der Kranken, insbesonders Sputum, Urin und Fäces sind in Gefäßen, welche eine Lysollösung ent¬ halten, aufzufangen. Gibt man zu diesen Excreten so viel von einer wässerigen Lysollösung beliebiger Concentration, dass in dem Gesammtgemische mindestens 3 Percent Lysol vorhanden sind, und sorgt man noch für eine gleichmäßige Vermengung der Lysollösung mit den Excreten, so werden etwa vorhandene Pestbacillen rasch und sicher abgetödtet, und es können dann die Excrete in der gewöhnlichen Weise beseitigt werden. Die Entleerung von nicht desinficierten Excreten in Aborte oder Canäle ist aber durchaus unzu¬ lässig. Alle Objecte, welche mit Pestkranken oder deren Ex¬ creten in Berührung gekommen sein können, also vor allem Leib= und Bettwäsche, Kleider, Bettdecken, Matratzen, Bett¬ gestelle, Instrumente u. dgl. müssen gut und zwar je nach ihrer Beschaffenheit entweder in einem Dampf=Desinfections¬ apparate durch eine halbe Stunde oder mit einer mindestens 3percentigen, wässerigen Lysollösung desinficiert werden; mittelst der gleichen Lösung können auch die Reste der Speisen, Getränke und Arzneien der Kranken behandelt werden. Die Ess= und Trinkgeschirre, sowie die Essbestecke der Kranken sind nach der Desinfection mit 3percentiger Lysollösung, wenn sie von den Kranken wieder benützt werden, selbstverständlich mit Wasser so lange abzu¬ spülen, bis jede Spur von Lysol entfernt ist. Das Wasch¬ oder Badewasser der Kranken ist ebenso zu behandeln wie die Excrete derselben. Jene Objecte, deren Desinfection nicht im Kranken¬ zimmer oder in den dazu gehörigen Nebenlocalitäten durch die Wartepersonen geschehen und auch nicht bis zur Eva¬ cuierung des Krankenzimmers verschoben werden kann, müssen in mit 3percentiger Lysollösung getränkte Tücher gehüllt und in einem Vorraume des Krankenzimmers, even¬ tuell in einem eigenen Behälter deponiert und dann von einem Desinfectionsdiener abgeholt werden. Letzterer hat während des Abholens und der Desinfection ein langes, waschbares Ueberkleid zu tragen, welches nach Beendigung der Desinfectionsarbeiten abzulegen und ebenfalls zu des¬ inficieren ist. Nach der Genesung des Kranken muss derselbe in einem warmen Bade mit Schmierseise gründlich gereinigt werden. Wenn das Krankenzimmer nicht mehr mit Pestkranken belegt wird, so ist in demselben, sowie in jenen dazugehörigen Nebenlocalitäten, in welche etwa Infectionsstoffe gelangt sein können, eine gründliche Desinfection des Fußbodens und der Wände, eventuell auch des Mobilars mit einer 3 per¬ centigen Lysollösung vorzunehmen, worauf die Wände frisch zu tünchen sind. (Schluss folgt.)

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