Amtsblatt 1899/49 der k.k. Bezirkshauptmannschaft Steyr vom 7. Dezember 1899

6 äußert sich die Wirkung des eingedrungenen Pestbacillus, und zwar in der Erzeugung eines primären Bubo. Im Resprationstracte vermag der Pestbacillus an beliebigen und selbst an ganz unverletzten Stellen ein¬ zudringen; erfolgt die Invasion in der Nasenhöhle, so kann es in den Hals=Lymphdrüsen zur Bildung eines primären Bubo kommen, während bei dem Eindringen in die Bronchien oder die Lungenalveolen in diesen selbst eine Entzündung, nämlich die sogenannte Pest=Bronchitis und Pest¬ Pneumonie entsteht, und zwar letztere in der Form einer confluierenden Lobulärpneumonie. Vom Verdauungstracte kommt eigentlich nur die Mund= und Rachenhöhle in Betracht, da vom Magen und Darm aus wohl nur selten eine Infection erfolgen wird. In der Mund= und Rachenhöhle sind es vor allem die Tonsillen, welche häufig zur Eintrittspforte werden können; der primäre Bubo sitzt dann im Halse. Was das Vorkommen des Pestbacillus innerhalb des erkrankten Organismus betrifft, so findet er sich nicht nur in den Krankheitsherden und in den von die¬ sen stammenden Excreten, namentlich im Sputum bei Pest¬ Bronchitis und Pestpneumonie und im Speichel bei Affectionen der Mund= oder Rachenhöhle, sondern bei Allgemeininfection auch im Blute und in den Hämorr¬ hagien, daher unter diefen Verhältnissen auch im Nasen¬ secrete bei Epitaxis, im Erbrochenen und in den Fäces bei Hämorrhagien der Magen= oder Darmschleimhaut, im Men¬ strualblute und überdies nicht selten im Harne und in der Galle. In die Außenwelt kann der Pestbacillus mit den eben genannten Excreten sowie mit dem Exsudate der auf¬ gebrochenen Bubonen, Carbunkeln und Blasen der Haut gelangen. Die Uebertragung des Pestbacillus auf Ge¬ sunde erfolgt daher zunächst durch die erwähnten Ausschei¬ dungsstoffe, und zwar entweder direct durch die letzteren oder durch Vermittlung von Objecten, welche mit diesen Stoffen besudelt wurden und keine der Lebensfähigkeit des Pestbacillus abträgliche Beschaffenheit haben. Von diesen Objecten werden daher namentlich Wäsche=, Kleidungs= und Verbandstücke zur Uebertragung geeignet sein, vorausgesetzt, dass sie nicht zu sehr durch faulende Stoffe verunreinigt oder die Excrete nicht schon seit längerer Zeit an ihnen eingetrocknet sind. Eine Uebertragung des Pestbacillus durch die Luft ist nur auf geringe Entfernung möglich, und zwar nicht durch Verstäubung von trockenen Substanzen, da in diesen die Pestbacillen bereits abgestorben sind, sondern durch Verstäuben und Verspritzen von Flüssigkeiten, wie z. B. vom Sputum oder Speichel beim Husten oder Sprechen der Pestkranken, wodurch nämlich feinste Flüssigkeitströpfchen in die nächste Umgebung gelangen können. Eine Uebertragung des Pestbacillus kann auch durch Fliegen und vielleicht auch durch gewisse blutsaugende Insecten (Flöhe, Wanzen) geschehen, wenn deren Körper mit den zuvor genannten Auswurfsstoffen in Berührung gekommen war. Endlich spielen bei der Verbreitung und Uebertragung des Pestbacillus noch jene Thiere eine wichtige Rolle, welche pontan an Pest erkranken können. Zu diesen gehören vor allen die Ratten und Mäuse, bei welchen Pest¬ erkrankungen wiederholt constatiert werden konnten, und eine gegenseitige Ansteckung namentlich dadurch begünstigt wird, doss die verendeten Thiere von den gesunden angenagt oder gefressen werden. Aber auch bei Katzen ist eine spontane Erkrankung nicht ausgeschlossen, weil sie einerseits sehr leicht künstlich mit Pestbacillen zu inficieren sind, andererseits mit Ratten oder Mäusen und deren Auswurfsstoffen in Berührung kommen können. Alle diese Thiere werden dann den Pest¬ bacillus auf den Menschen übertragen können, wenn dieser mit ihnen oder ihren Auswurfsstoffen in directen oder in¬ directen Contact kommt. Alle anderen in unserer Umgebung lebenden Thiere sind aber entweder dem Pestbacillus gegenüber refractär, oder es ist ihnen, wie z. B. den soust für den Pestbacillus sehr empfänglichen Meerschweinchen und Kaninchen, keine Gelegenheit zu einer natürlichen Infection geboten. Die Incubationsdauer schwankt zwischen 2 und 7 Tagen. (Fortsetzung folgt.) Der k. k. Bezirkshauptmann: Ferdinand Rippelly. Redaction und Verlag der k. k. Bezirkshauptmannschaft Steyr. — Haas'sche Buchdruckerei in Stepr.

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