Amtsblatt 1892/48 der Bezirkshauptmannschaft Steyr vom 1. Dezember 1892
2 Was speciell die Krankenversicherungspflicht der Maurer und Zimmermannsgesellen betrifft, so wurde mit dem citierten, hohen Erlasse bemerkt, dass die auch von der Bezirkshaupt mannschaft Steyr verlautbarte gegenständliche Verfügung vom 13. October 1889, Amtsblatt Nr. 29, bezüglich der beiden ersten Kategorien von Gesellen, das sind jener, welche auf eigene Rechnung oder bei einem Regiebaue arbeiten, und also nicht vom Meister entlohnt werden, mit den Be stimmungen des Krankenversicherungs-Gesetzes und des ß 121 der Gewerbe-Ordnung auch dann unvereinbar sei, wenn die mit den Bestimmungen der Gewerbe Ordnung vom Jahre 1859 unvereinbarlichen Bestimmungen über den Meister groschen und die selbständige Uebernahme gewisser kleinerer Arbeiten der älteren Verordnungen noch zu Recht beständen. Dieser Verfügung lag die Anschauung zugrunde, dass bei der I. und II. Kategorie der betreffende Geselle zugleich an die Stelle des Meisters trete, dass er bei der betreffen den Arbeitsübernahme gewissermaßen die Eigenschaft des Meisters mit jener des Gesellen vereinige, daher auch nicht nur den von dem Arbeitnehmer zu leistenden Beitrag (2kr. vom Lohngulden), sondern auch den in sonstigen Fällen den Arbeitsgeber treffenden Beitrag (I kr. vom Lohngulden) an die Kranksncaffe zu entrichten habe. Diese Fiction ist aber zufolge des citierten hohen Er lasses vollkommen unzulässig, zumal sowohl das Kranken- versicherungs-Gesetz als das Unfallversicherungs - Gesetz nur Unternehmer einer- und Arbeiter und Betriebskeamte an derseits, nicht aber die Vereinigung beider Eigenschaften kennt. Ebenso ist in der Gewerbe-Ordnung nur von Gewerbs- Jnhabern und Hilfsarbeitern (Gesellen) nicht aber von Per sonen die Rede, welche beide Eigenschaften vereinigen. Wollte man aber solche Gesellen, welche selbständig Arbeiten übernehmen, hinsichtlich derselben analog als Ge werbetreibende ansehen, welche ihr Gewerbe selbständig ohne Hilfsarbeiter betreiben, so wären sie weder kraykenversiche- rungs- noch unfallversicherungspflichtig, da Gewerbsinhaber, welche ihr Gewerbe selbständig ohne Hilfsarbeiter betreiben, nach beiden Gesetzen der Versicherungspflicht nicht unter liegen. Thatsächlich hat die bisherige missbräuchliche Anwen dung des Meistergeldes und des Meistergroschens dazu ge führt, dass viele Maurer- und Zimmermannsgesellen am Lande sich der Versicherungspflicht hinsichtlich der Kranken versicherung, noch mehr aber hinsichtlich der Unfallversiche rung entzogen haben, indem die Meister d eselben als nicht bei ihnen in Arbeit stehend, nicht angemeldet haben, die Gesellen aber sich, da sie nicht vom Meister bezahlt werden, wie selbständige Gewerbetreibende, welche im eigenen Ge schäfte arbeiten, als der Versicherungspflicht nicht unter worfen erachteten. Aus diesen Erwägungen erscheint die baldigste Ab stellung dieser ganz ungesetzlichen Zustände dringend geboten, und hat das hohe k. k. Ministerium des Innern im Ein vernehmen mit dem hohen Handelsministerium den Auftrag ertheilt, unverzüglich für die Herstellung gesetzlicher Zustände im Verwaltungsgebiete in Hinsicht auf das Bauwesen Sorge zu tragen. Demgemäß fand die hohe k. k. Statthalterei in Linz mit dem Erlasse vom 5. November 1892, Z. 14.165, an- zuordnen, dass Maurer- und Zimmermanns arbeiren ausnahmslos nurvonbefugten Werk meistern übernommen werden dürfen, daher alle einschlägigen Arbeiten bei denselben zu bestellen sind. Zur Verrichtung der Arbeiten sind die Gesellen vom Meister beizu stellen, welcher ihnen nicht nur Arbeit individuell zuzu weisen, sondern auch hiefür den Lohn zu entrichten hat. Dies bezieht sich auch auf diesogenannten Poliere, welche in ihrer Eigenschaft als Vor arbeiter zur selbständigen Uebernahme von Bauarbeiten nicht berechtiget sind. In Anwendung dieser Bestimmungen ergibt sich, dass alle Maur r und Zimmermannsgesellen ohne Unterschied als gewerbliche Hilfsarbeiter des betreffenden Meisters be handelt und von demselben zur Krankenversicherung indivi duell, und zur Unfallversicherung bei der betreffenden Un- fallversicherungsanstalt collectiv mit der bezüglichen Lohn summe angemeldet werden müssen. Die gesetzlich vorgeschriebenen Beiträge werden von dem Meister zur ganze an die betreffende Krankenkasse, respective Unfallversicherungsanstalt abzuführen sein, wobei jedoch der Geselle zwei Drittel des Beitrages für die Kranken versicherung und ein Zehntel des Beitrages für die Unfall versicherung zu leisten hat, welche Beträge ihm von dem Meister vom Lohne zurückbehalten werden können. Weiters wird der hierämtliche Erlass vom 22. Juli 1891, Z. 7703, Amtsblatt Nr. 29, betreffend die Führung der Arbeiterverzeichnisse zur stricten Darnachachtung in Er innerung gebracht. Infolge ausdrücklicher hochortiger Weisung werden schließlich die im Amtsblatts Nr. 29 ox 1889 erlassenen hierämtlichen Verfügungen, insoweit sie sich auf die obliga torische Einführung von Arbeitszetteln und der auf ihren Nichtbesitz gesetzten Straffolgen, sowie auf die Zahlung der Krankencaffenbeiträge jener Bauarbeiter, welche ihren Lohn nicht vom Meister empfangen, endlich auf Meistergeld und Meistergroschen beziehen, als gesetzwidrig zurückgenommen. Hievon werden die Gemeinde - Vorstehungen und k. k. Gendarmerie-Posten-Commanden behufs strenger Ueber- wachung, erstere mit dem weiteren Auftrage in tue Kenntnis gesetzt, diesen Erlass sogleich allgemein zu verlautbaren und hievon insbesondere die Genossenschafts - Vorstehungen und die betreffenden Gewerbetreibenden, als Maurer- und Zim- mermeifter gegen bis Ende December 1892 hieher vorzu- legende Bestätigung speciell zu verständigen. Steyr, am 28. November 1892. .7"- — ' - - - > " Z. I3.SI0. Na sämmtliike Oemeiiule-Vorsteltiulgeil Mit k. k. Omllarmme-Postm-Commanilm betreffend die unfallverficheruugspfltchtigen Betriebe. Die Arbeiter-UnfallversicherungSanstalt in Salzburg hat bei der h. k. k. oberösterr. Statthalterei in Linz Be schwerde geführt, dass noch immer Anmeldungen von Be trieben erstattet werden, welche schon vor dem 1. Novem ber 1889 bestanden haben, und zwar zumeist erst dann, wenn thatsächlich ein Unfall sich ereignet hat. Nicht mit Unrecht bemerkt die Anstalt, dass hiedurch nicht nur das Ansehen der Anstalt geschädigt wird, indem durch die Zwangsamtshandlungen insbesondere die nach trägliche Einhebung der rückständigen Beitragsberechnungen, welche dann dem Betriebtuntermhmer oft wirklich schwer fallen, Misstrauen und Erbitterung gegen die Anstalt Platz greisen; sondern dass die Anstalt zuweilen auch materiell zu Schaden kommt, wenn Betriebe inzwischen erlöschen.
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