Amtsblatt 1892/7 der Bezirkshauptmannschaft Steyr vom 18. Februar 1892

2 Erhebung bezüglich Existenz jener Officiers - Witwen, welche am 30. April 1887 schon Witwen waren, daher keine gesetzliche Pension genießen, erforderlich. Die Gemeinde-Vorstehungen werden daher aufgesordert, im Falle sich solche Witwen in der Gemeinde befinden sollten, nachstehende Fragen zu beantworten: Wirkliche Charge des verstorbenen Gatten und Truppen- körper, wo er zuletzt gedient hat. Vor- und Zuname der Witwe. Ob die Ehe im Activ stände des Galten ge- schlofsen wurde. (Im Pensionsstande des Gatten geschlossene Ehen sind nicht nachzuweisen.) Ob die Witwe vom Staate etwas bezieht. Ob Kinder und wie viele in der Obhut der Witwe sind, und ob selbe etwas vom Staate beziehen. Der ausgefüllte Fragebogen ist binnen 8 Tagen hieher vorzulegen. Steyr, am 15. Februar 1892. Z. 1460. An sämmtliche Gemeinde - Jorsteyungen. Erkrankungen an Baricellen. Mit hierämtlichem Erlasse vom 29. December 1888, Z. 13.465, wurde die wöchentliche Vorlage vom Ausweisen über epidemische Krankheiten eingeführl. Unter den dort auf ­ geführten Krankheiten erschienen auch die Blattern (echte Pocken), wohingegen die Feucht- oder Windpocken, auch Schaf ­ blattern, bisher nicht speciell aufgeführt wurden. Das hohe k. k. Ministerium des Innern hat laut des Erlasses vom 21. d. M. Z. 26.342, vx 1891, aus den periodischen Berichten über Infektionskrankheiten entnommen. dass die Erkrankungen an Varicellen (Feucht- oder Wind ­ pocken, Schafblattern) vielfach als Blatternerkrankungen (Variola und Variolois) angesehen und als solche in die Blattern-Rapporte ausgenommen werden. Mit Rücksicht auf die gegenwärtigen Anschauungen über diese Infektionskrankheiten, nach welchen die Varicellen als eine besondere, von der Blatternkrankheit wesentlich verschiedene Krankheitsform zu betrachten sind, findet hoch- daLselbe taut Erlasses der hohen k. k. Statthalterei in Linz vom 29. Jänner 1892, Z. 1497/V., zu bestimmen dass in Hinkunst über die Erkrankungen an Varicellen, als einer eigenen infectiösen Krankheitsform, abgesondert von der Be ­ richterstattung über Blattern (einschließlich die als Vuriolois bezeichnete mildere Form derselben) zu berichten sei. Die Gemeinde-Vorstehungen werden daher beauftragt, den sämmtlichen Aerzten Nachstehendes zur Darnachachtung mit- zutheilen : „Unter Varicella ist zu verstehen : Ein acutes contagiöses Exanthem, charakterisiert durch eine meist plötzliche, von keinem oder fast ausnahmslos kurz dauerndem, geringem Fieber be ­ gleitete Eruption von meist reichlichen, wafferhellen, herpesähn- lichen, oberflächlich fitzenden, aus Roseolaflecken, nicht aus harten Knötchen sich entwickelnden Bläschen, die nach kurzer, etwa 24 Stunden langer Dauer von der Mitte aus zu kleinen Krüstchen eintrocknen, welche nach wenigen Tagen abfallen und nur an einzelnen Stellen eine minimal vertiefte, weiche Narbe znrücklassen. „Diesem Exantheme ist eigenthümlich das Fehlen eines Prodomalstadiums, ein schubweises Nachrücken neuer Efflo- rescenzen in den ersten Tagen unter sehr mäßigem Fieber am Schlüsse der Eruption, der gleichzeitige Befund von Efflorescenzen in allen Stadien der Entwicklung und Rück ­ bildung an den sichtbaren Schleimhäuten, besonders im Munde, nur einzelne schlaffe Bläschen von kurzer Dauer, während des ganzen Verlaufes kaum nennenswerte Störung des Allgemeinbefindens, völlige Heilung beiläufig nach acht Tagen. „Das Exanthem befällt nur selten Individuen jenseits der Grenzen oes Kindesalters. Sein Austreten ist theils sporadisch, theils in kleinen Epwemien. Die Varicella besitzt volle Unabhängigkeit gegenüber der Impfung." Desgleichen haben im Sinne der Anträge des Obersten Sanitätsrathes hinsichtlich der sanitätspolizeilichen Vor ­ kehrungen ber Ausbruch der Varicellen nachstehende Maß ­ nahmen zur allgemeinen Durchführung zu kommen: 1. Varicellenkranke sind von allen an Blattern, auch von den an der leichtesten Form derselben (Variolois) erkrankten Personen sorgfältigst isoliert unterzubringen und zu pflegen. Ueberhaupt dürfen unter keinerlei Umständen an einem Bläschenausschlag erkrankte Personen, wenn die Natur desselben als Blatternausschlag nicht sichergestellt ist, in directer oder indirekter Gemeinschaft mit Blatternkranken verpflegt werden und sind auch alle zweifelhaften Blattern- erkrankungen in separierte Verpflegung zu stellen. 2 Da an Varicellen zumeist nur Kinder erkranken, haben sich die Jsolirungsmaßregeln insbesondere auf diese zu erstrecken, und ist hier wie bei anderen Infektionskrank ­ heiten die unmittelbare oder mittelbare Etnschleppung der Krankheit in Schulen, Kindergärten, Erziehungs- und Pflege ­ stätten, sowie Zusammenkunftsorten der Kinder überhaupt, desgleichen die W-iterverbreitung der Krankheit durch diese Gemeinschaften hintanzuhalten. 3. Jnsoferne sich in einem besonderen Falle der Ver ­ dacht ergibt, dass eS sich nicht um Varicellen, sondern um eine milde Form von Blattern handeln könnte, ist vorsichts ­ halber auf die Impfung, beziehungsweise Nevaccination der in der nächsten Umgebung des Kranken verkehrenden Personen Bedacht zu nehmen. 4. Hingegen ist bei constatiertem Charakter der Krank ­ heit als Varicella von der Durchführung der Nothimpfung, welche bei dem constatierten Auftreten von Blattern niemals außeracht gelassen werden darf, adzusehen. 5. Varicellen sind ebenso wie Blattern in genauer Evidenz zu halten und ist bei beiden, um die bisherigen Erfahrungen über das Verhalten derselben zum Jmpfschutze näher kennen zu lernen, der Jmpfzustand der Kranken wahrheitsgemäß zu konstatieren und in der ärztlichen Jn- fectionskrankheitsanzeige sowohl über Blattern als über Varicellen genau anzugeben, ob die erkrankte Person geimpft sei und wie viele sichtbare Jmpfnarben die Impfung zu ­ rückgelassen habe, eventuell ob und wann sie wieder geimpft worden ist. 6. Die Desinfectionsmaßregeln bei Varicella haben sich insbesondere auf die mit dem kranken Körper in Be ­ rührung gekommenen Effecten, namentlich Leib- und Bett ­ wäsche, in welcher Beziehung Auskochen in Seifenwaffer genügt, sowie auf gründliche Reinigung und Lüftung der vom Kranken bewohnten Lokalität, Verbrennung des Kehrichts aus derselben zu erstrecken. Da Erkrankungen an Varicellen manchmal schwer von Varioloideu oder modificierten Blattern zu unterscheiden find, ein Vorkommen dieser beiden heterogenen Krankheits ­ formen aber von schwerwiegenden Folgen begleitet sein könnte, werden bei dem Auftreten von Varicellen die Amts ­ ärzte, soweit es fichumdieErhebungundEinleitung

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