Amtsblatt 1888/28 der Bezirkshauptmannschaft Steyr vom 10. Oktober 1888
3 Beide Anschauungen sind irrtbümlich und führen häufig zu Kollisionen mit den Localbehörden. Ais Grundsatz ist iestzuhalten, tatz dieser sechsmonat liche Termin stets vom Tage des ersten im National- Passe eingetragenen Grenzvisums an zu rechnen ist. Eine Cumulirung ist also nur innerhalb der ersten 6 Monate vom Tage des ersten Grenzübertrittes an statthaft. Während dieser ersten 6 Monate können solche Fremde mehrmals in das Ausland reisen und wieder nach Rußland zurückkehren, ohne jedesmal das Visum des russischen Con- sulates einzuholen, nach Ablauf dieses Termines sind sie zur Lösung des Ausenthaltsscheines verpflichtet. Oesterreichisch'ungarische Unterthanen, welche sich in der Nothwendigkeit befinden, häufige Reisen nach Rußland zu unternehmen und die mit der Lösung eines Aufenthalts- scheines verbundenen Formalitäten und Kosten zu ver meiden wünschen, thun daher besser, sich vor einer jeden Reise nach Rußland mit einem neuen Nationalpasse zu versehen, auf welchem das betreffende Grenzvisum natürlich stets als erstes Visum figuriren wird. Ein solcher Vorgang gestattet sogar eine jahrelang dauernde, von der russischen Regierung jedoch ausdrücklich als legal anerkannte Umgehung des Ausenthaltsscheines- Zwanges, wenn in Rußland zwar wohnhafte, jedoch mindestens zweimal des Jahres nach der Heimat reisende österreichisch-ungarische Staatsangehörige sich bei ihrer Rückkehr jedesmal mit einem neuen Nationalpaffe versehen. Selbstverständlich würde ein per Post aus Oesterreich- Ungarn bezogener oder von der k. und k. Botschaft in Petersburg ausgestellter Paß zu diesem Zwecke nicht genügen, da ihm das Eintrittsvisum fehlen würde. Ebenso weigert sich die Localbehörde, auf Grund eines von der k. und k. Botschaft in St. Petersburg aus gestellten und somit des Grenzübertrittsvisums entbehrenden Paffes einen Aufenthaltsschein zu ertheilen. In Fällen, wo wegen Verlust des Originalpaffes solche Paßertheilungen vorkommen, ist eine ausdrückliche Bestätigung dieses Verlustes erforderlich. d) Der Austrittspaß (Austrittsvisum) d. h. die Bewilligung, die Grenze ohne Behinderung zurückzupaffiren, wird dem zurückreisenden Fremden gegen Vorweis seines Eintrittspaffes, beziehungs weise Aufenthaltsscheines und Zahlung der entsprechenden Gebühr von der Polizeibehörde seines bisherigen Aufent haltsortes ausgesolgt. Die Polizei versichert sich zunächst, ob gegen die Ab reise des Betreffenden kein Anstand obwaltet (unbezahlte Schulden u. s. w.). Fremden, die sich über 6 Monate in Rußland auf gehalten haben, somit im Besitze eines Aufenthaltsscheines sind, wird die Austrittserlaubniß in Form eines wirklichen Austrittspasses (in Buchformat) ertheilt; solche Reisende hingegen, die kürzer als 6 Monate in Rußland weilten, erhalten die betreffende Bewilligung in Gestalt eines dem Nationalpaffe beigedruckten Visums. o) Selbstverständlich sind Reisende, welche während ihres Aufenthaltes in Rußland mehrere Städte des Reiches besuchen, gehalten, sich bei jedesmaliger Ankunft und Abreise bei der Polizeibehörde der betreffenden Loka litäten behufs Vidirung ihrer Pässe zu melden. Z. 10300. Nil sämnMike Gemeinde-AoHeiiMgm Mit k. k. GmckLrmerie-Postm-EommMllm. Zahlreiche immer wiederkehrende Klagen der Landbevöl kerung in verschiedenen Königreichen und Ländern gegen die fortwährende Belästigung durch bestimmungslos hecumwan- dernde Zigeuner und Zigeunerbanden haben das hohe k. k. Ministerium des Innern veranlaßt, mit dem Erlasse vom 14. September d. J„ Z. 14.015 ox 1887, behufs einer wirksamen und einheitlichen Bekämpfung dieser Landplage folgende Anordnungen zu treffen: 1. Die unterstehenden Behörden in allen jenen Bezirken, welche an Ungarn und das Ausland grenzen, sind anzu- weisen, mit aller Umsicht, Wachsamkeit und Energie dafür zu sorgen, daß Fremde, Zigeuner oder Zigeuner-Familien, sowie namentlich Zigeunerbanden nicht über die Landes grenze eindringen, vorkommendenfalls aber sind die Eindring linge sogleich in der Richtung ihrer Provenienz zurückzu- weisen und zuückzudrängen. 2. Das Letztere hat auch seitens der Behörden anderer Bezirke im Einvernehmen mit jenen der Grenzbezirke in dem Falle zu geschehen, als solchen Zigeunern wider Erwarten trotz der Wachsamkeit der Behörden des Grenzbezirkes der unbemerkte Durchzug durch den Letzteren und das Eindringen in das Innere des Landes gelungen wäre. 3. Ueberhaupt sind alle Zigeuner, welche sich bestim mungslos oder ohne einen nachweisbar erlaubten Erwerb herumtreiben, wenn nicht durch die behördlichen Erhebungen nachgewiesen wird, daß sie im Geltungsgebiete des Schub- gesetzes vom 27. Juli 1871, R.-G.-BI. Nr. 88, heimatberech- tigt sind, als Ausländer zu behandeln. Eine Zuweisung solcher Zigeuner als heimatlos zu einer inländischen Ge meinde nach Z 19 des Heimatgesetzes vom 3. December 1863, R.-G.-Bl. Nr. 105, darf daher nicht stattfinden. 4. Alle geschäfts- und arbeitslos herumziehenden Zigeuner sind, infoserne nicht deren sofortige Verschaffung über die Grenze nach Punkt 1 und 2 stattfand, ob sie nun Inländer oder Ausländer und ob sie mit Legitimations papieren versehen sind oder nicht, in Gemäßheit des Gesetzes vom 24. Mai 1885, R.-G.-M. Nr. 89 der strasgerichtlichen Behandlung als Landstreicher zuzuführen. Die zu einer derlei Abstrafung sich nicht eignenden Unmündigen sind der Ge meinde, wo die Zigeuner ausgegriffen wurden, zur einstweili gen Versorgung zu übergeben. 5. Sind Zigeuner, deren Heimatrecht in einer Gemeinde der im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder nachgewiesen erscheint, als Landstreicher strafgerichtlich be handelt worden und ist bezüglich derselben die Abgabe in eine Zwangsarbeits- oder Besserungsanstalt als zulässig er klärt worden, so ist ohne Weiters der diesbezügliche Antrag im Sinne des § 7 des Gesetzes vom 24. Mai 1885, R.-G.-Bl. Nr. 90, zu stellen, ist aber diese Zulässigkeit vom Gerichte nicht ausgesprochen worden, so hat die Schubbehand- lung nach dem Gesetze vom 27. Juli 1871 einzutreten. 6. Handelt es sich um die Einlieferung besonders starker Zigeunerbanden an das Gericht, oder um die sichere Abschaffung solcher, so ist die etwa nöthige Militär-Assi stenz in Anspruch zu nehmen. 7. Zigeuner, welche durch ihr Lagern in Banden oder durch das Weiden ihrer Zugthiere Schaden an Feldfrüchten
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