Amtsblatt 1886/8 der Bezirkshauptmannschaft Steyr vom 20. März 1886
4 Kmilsmackiml;. Raub rn o r d. Am 5. d. M>, muthmaßlich in der Zeit von 8 bis 10 Uhr Vormittags, wurde an der verwitweten Kaffee- schanksinhaberin Marie Kühnl, einer 52-jährigen Frau, in ihrer, im 3. Stockwerke des Hauses Nr. 41 der Erdberger- sträße, iil Bez., gelegenen Wohnung ein Raubmord ver übt. Der bisher unbekannte Thäter brächte der Frau lebensgefährliche Verletzungen am Kopfe bei, an deren Folgen Marie Kühnl heute Vormittags im Krankenhause Rudolphstiftung gestorben ist. Geraubt wurden : 1. Eine Silberrenten - Obligation ä 1000 fl. ckäo. 1. Juli l868. 2. Zwei Actien der Prag-Duxer Bahn. 3. Eine 5-percentige österr. Staats-Renten-Obligation vom Jahre 1881 über 1000 fl. 4. Eine ungarische 4-percentige Goldrenten-Obligation von 1881 über 1000 fl. 5. Ein 1854er Staatslos, Serie 1S95, Nr. 16. 6. Ein Sparcassabuch eines unbekannten, muthmaßlich Wiener Institutes über einen größeren Betrag, lautend aus Marie Tupetz. 7. Der vom Wiener Magistrate ausgestellte Heimats schein des Johann Kühnl, gestorbenen Gatten der Ermor deten, sowie dessen Trauungsschein mit Marie Tupetz, dessen Todtenschein und die Taufscheine seiner Söhne August und Johann Kühnl. 8. Endlich werden vermißt eine Concessionsurkunde der Marie Kühnl über eine Branntweinschank in Hernals und eine solche Urkunde über eine Kaffeeschank im HI. Bezirke. Es ist bisher zwar noch nicht gelungen, zweifellose Jndicien für die unmittelbare Beziehung einer bestimmten Person zu dem in Rede stehenden Raubmorde in Erfahrung zu bringen, gleichwohl aber ist die Ausforschung der nach benannten Personen für die weiteren Erhebungen von außerordentlicher Wichtigkeit. Auszuforschen sind: 1. Jener Mann, welcher am 28. Februar 1886 um die Mittagszeit die Marie Kühnl in ihrer Wohnung im III. Bezirke, Erdbergerstraße 41 besucht und daselbst mit derselben durch ungefähr eine Viertelstunde über einen, dieser Frau gestellten Heiratsantrag unterhandelt hat. Dieser Mann ist circa SO Jahre alt, groß, ziemlich kräftig gebaut, hat längliches gut gefärbtes Gesicht, gerade längliche Nase, dunkelbraune bereits graumelirte nach rückwärts ge kämmte, glatte Kopfhaare, dunkelbraunen graumelirten Backenbart, rastrten Schnurbart, angeblich auch noch eine sogenannte Fliege. Bekleidet war derselbe mit dunkelbraunem langen! Winterrock — Kragen und Revers mit breitem dunkelbraunem Pelze verbrämt — innen mit braun- und weißgestreiftem oder gestocktem Pelzwerk gefüttert, gut er haltener gestreifter Hose, mäßig gespitzten Stiefletten, mit Laükappen, an den Obertheilen mit lichten Tucheinsätzen, welche mit schwarzer Verschnürung, die durch gelbe Oesen läuft, versehen sind. Der Mann trug ferner einen Cylinder hut mit aufgebogener Krämpe, weißen Stehkragen mit um- gebogenen Spitzen, einen schwarzen Regenschirm, eine schwache, anscheinend goldene, sogenannte Venetianer- Halskette mit einem Schieber. An diesem hing, am Rücken befestigt , ein ungefähr 2 Centimeter langes gelbes Schweinchen mit rothen glänzenden Augen, ferner ein ge wöhnlicher langer Uhrfchlüssel. Der Mann, welcher sich für den Besitzer einer kleinen Landwirthschast in der Nähe von Schönbrunn ausgab, sprach ein gutes reines Deutsch und empfahl sich beim Verlassen der Kühnl'schen Wohnung mit dem Wort: „Adieu". 2. Jener Mann, welcher am 5. März 1886, Vor mittags gegen 10 Uhr, in der Wechselstube Anton Wagner's Söhne im I. Bezirke, Wipplingerstraße Nr l, eine 5-per- centige österr. Notenrente - Obligation vom Jahre 1881, Nr. 409, über 1000 fl., bei welcher der letzte am I. März 1886 fällig gewesene Coupon bereits abgelöst war, im vor geblichen Auftrage eines Jsidor Braun in Floridsdorf verkauft hat. Dieser Mann, welcher den Eindruck eines Bediensteten in einem Geschäfte gemacht hat, ist ungefähr 25 Jahre alt, über mittelgroß, schmächtig , hat scharfgeschnittenes Profil, längliche Nase, fahle Gesichtsfarbe, blonden Schnurbart- anflug, angeblich auch kurzen lichten Backenbart, sogenannten Cavaliersbart (nach anderweitigen Angaben soll er nur einen Schnurbart gehabt haben), aus der Stirne gestrichene Haare von dunklerer Farbe als der Bart, trug weiße, ziemlich schmutzige Wäsche, sehr abgenutzten, aber nicht zerrissenen hellbraunen Winterrock und sprach Deutsch, aber nicht in Wiener Mundart 3. Jener Mann, welcher am 6. März 1886 gegen V-I2 Uhr Vormittags bei dem Jncasso-Geschäfts-Jnhaber Jonas Frater im X. Bezirk, Bürgerplatz Nr. 1, ein Spar- cassebuch über 1000 fl. zur Belehnung vorwies, als er aber von Frater über die Provenienz des Sparcassebuches befragt wurde, unter Mitnahme desselben die Flucht ergriff. Dieser Mann, welcher nicht der Arbeiterclasse anzu- gehören scheint und ein besseres Deutsch gesprochen hat, ist 48 bis 50 Jahre alt. über mittelgroß, hat graumelirten Schnur- und Backenbart, angeblich auch Kinnbart, was jedoch nicht feststeht, trug runden schwarzen Filzhut, lichten grauen Winterrock und hielt dunkle Handschuhe in der Hand. Jedermann, welcher zur Kenntniß irgend eines für die Nachforschungen sachdienlichen Umstandes gelangen sollte, wird ersucht, hierüber mündlich oder schriftlich dem hier- ämtlichen Sicherheits-Bureau Mittheilung machen zu wollen. Allfällige Präsentanten der beschriebenen Werthpapiere und Documete wollen im Falle der Bedenklichkeit der Person angehalten werden. Wien, am 8. März 1886. Bon der k. k. Polizei-Direction. Auswärtige Rmtstage. Im II. Quartale d. I. werden die auswärtigen Amtstage abgehalten werden, wie folgt: In Kremsmünstcr am 5. Mai und 9. Juni um 9 Uhr Vormittags. In Nkuhofrn am 27. April und 7. Juni um 9 Uhr Vormittags. Für den Gerichtssprengel Weyer am 17. Mai um 10V- Uhr Vormittags in Losenstrin, am 1. Mai und am 4. Juni um 10'/- Uhr Vormittags in Wrycr. Redaction und Verlag der k. k. Bezirkshauptmannschast Steyr. — Haas'sche Buchdruckerei in Steyr.
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