Amtsblatt 1884/2 der Bezirkshauptmannschaft Steyr vom 20. Jänner 1884

der Arzt, der aber ein Doctor der Medicin sein soll, gleichfalls protocollarisch zu erheben und dem vor¬ zugezogen werden. Um nun mit thunlichster Beschleunigung und Geschäftsvereinfachung die hierämtliche Entscheidung über die Nothwendigkeit der Vornahme einer sanitäts¬ polizeilichen Leichen=Obduction oder deren Unter¬ lassung im Sinne dieses hohen Erlasses fällen zu können, werden sonach die Gemeinde=Vorstehungen hiemit aufgefordert, fernerhin bei allen Todesfällen, die sich in Folge von Verunglückungen, dann bei Todesfällen, die sich mit unbekannter Ursache ereignen, von dem Todtenbeschauer, wenn derselbe ein Arzt oder Wundarzt ist, mit aller Beschleunigung die Todtenbeschau vornehmen zu lassen, worüber sohin vom Todtenbeschauer ein umfassender schriftlicher Befund der Gemeinde=Vorstehung zu übergeben ist. In diesem Befunde muß deutlich angegeben sein, ob der Betreffende eines natürlichen Todes und an welcher Krankheit, oder, je nach Umständen und dem Resultate der gepflogenen Erhebungen zufolge, muthmaßlich an welcher Krankheit derselbe gestorben ist. Bei Verunglückungen, bei zufällig gewaltsamen Todesarten, B. durch Ueberschüttetwerden mit Erdreich, Ersticken in nicht athembaren Luftorten, Ertrinken, Sturz von einer Höhe, Verhungern, Er¬ frieren, Verbrennen 2c., ist ebenfalls die Todesart jedesmal deutlich anzugeben. Die Gemeinde=Vorstehung selbst aber hat gleich¬ zeitig die nöthigen weiteren Erhebungen und Ein¬ vernehmungen insbesondere in der Richtung zu pflegen, ob Jemandem in allen diesen Fällen beider Art ein Verschulden, sei es auch nur das der Unterlassung der Herbeiziehung ärztlicher Hilfe, zur Last fällt. Das Ergebniß der gemeindeämtlichen Erhe¬ bungen ist sodann mit dem vorgedachten Befunde ungesäumt zur weiteren Verfügung anher einzu¬ senden. In allen jenen Fällen dagegen, in denen im Sinne der Verordnung des hohen Ministeriums des Innern und der Justiz vom 28. Jänner 1855, R.=G.=Bl. Nr. 26, die gerichtliche Todtenbeschau einzutreten hat, ist selbstverständlich unverweilt die Anzeige an das zuständige Strafgericht und gleich¬ zeitig zur Wissenschaft auch hieher zu erstatten, übrigens aber dafür Sorge zu tragen, daß bis zum Eintreffen der ämtlichen Commission oder Weisung keinerlei die Erhebung des Thatbestandes beirrenden Veränderungen vorgenommen werden. Dies hätte auch dann zu geschehen, wenn sich die Nothwendigkeit der gerichtlichen Anzeige erst im Laufe der Vorerhebungen ergibt, deren Fortsetzung sodann abzubrechen wäre. Bei einem Selbstmorde endlich sind die dem¬ selben vorausgehenden und begleitenden Umstände der Arzt, der aber ein Doctor der Medicin sein soll, gleichfalls protocollarisch zu erheben und dem vor¬ gedachten Befunde nach Thunlichkeit und unter Anführung der Gründe von Seite des Arztes ausdrücklich die Bemerkung beizufügen, ob der Verstorbene fürzurechnungsfähig gehalten wurde oder nicht. Der gesammte Erhebungsact mit dem ärztlichen Befunde ist sohin dem betreffenden Herrn Seelsorger zur Einsicht und gefälligen Beisetzung seiner Erklärung bezüglich des kirchlichen Begräbnisses mitzutheilen, und sohin mit kurzem Berichte zur weiteren Ver¬ fügung nach Dringlichkeit mit eigenem Boten hieher vorzulegen. Uebrigens steht es dem Herrn Seelsorger auch frei, diesen Erhebungen persönlich beizuwohnen, daher sie hiezu jedenfalls auch schon vorläufig einzuladen sind. Bei Staatsbeamten wäre jedoch der Fall eines Selbstmordes ohne weitere Erhebungen nur einfach anzuzeigen, da hiebei jedenfalls die hierämtliche Intervention nothwendig erscheint. Hievon werden gleichmäßig die Gemeinde=Vor¬ stehungen und das Sanitäts=Personale verständigt. Z. 152. An sämmtliche Gemeinde=Vorstehungen. Heinrich Weinhauer, 27 Jahre alt und nach Leutschach zuständig, Steindruckergehilfe, wurde be¬ reits wiederholt wegen Diebstahls, Betruges, Verun¬ treuung und Landstreicherei abgestraft und stand auch bereits unter Polizeiaufsicht. Der Genannte, der ein arbeitsscheuer Mensch ist und Hang zur Land¬ streicherei hat, versteht es, sich die Aufnahme in Krankenhäusern und Unterstützungen seitens von Ge¬ meinden zu erschwindeln, wofür dann die Zuständig¬ keits=Gemeinde Ersatz leisten muß. Daß Weinhauer nicht bestrebt ist, seinem Ge¬ werbe entsprechende Arbeit zu finden, geht daraus hervor, daß er Orte aufsucht, wo sein Gewerbe gar nicht betrieben wird. In Folge Ersuchens der k. k. steiermärkischen Statthalterei in Graz ddo. . December 1883, Z. 21.100, hat die k. k. Statthalterei in Linz mit dem Erlasse vom 27. v. M., Z. 13.681/VIII, an¬ geordnet, die Verwaltungen der öffentlichen und Privat=Krankenanstalten und die Gemeindeämter auf das erwähnte Individuum aufmerksam zu machen und zu veranlassen, daß dieser Vagant nur im wirklichen Bedarfsfalle von den Krankenhäusern auf¬ genommen werde und von den Gemeinden keine Unterstützung erhalte. Hievon setze ich die Gemeinde¬ Vorstehungen zur Darnachachtung in Kenntniß. Steyr, am 8. Jänner 1884. Der k. k. Bezirkshauptmann.

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