Amtsblatt der Stadt Steyr 2002/10
Gesundbleiben werden Verantwortun für die Gesundheit übernehmen Die Arbeit in der logopädischen Praxis Was passiert in einer logopädischen Therapie? Logopädinnen versuchen immer, mit Kindern möglichst spielerisch zu arbeiten. Mit ganz ein- fachen Spielen, wie Kaufladen und Eisenbahn, oder mit speziellem Sprech-Lernmaterial wird geübt. Die Stunden sind meist abwechslungs- reich, sprechen alle Sinne an und fördern die ganze Entwicklung. Was so einfach aussieht, muss allerdings fundiert, speziell vorbereitet und gezielt auf das Kind zugeschnitten sein. Das Arbeitsfeld der diplomierten Logopädin hat sich in den vergangenen Jahren um vieles erweitert. Während früher noch viele dachten, eine Logopädin würde sich ausschließlich um Kinder mit Lautbildungsstörungen kümmern, so ist heute bekannt, dass die Therapie-Schwer- punkte sehr vielschichtig sind: sie betreffen so- wohl Erwachsene als auch Kinder jeden Alters mit Störungen des Sprachverständnisses, der gesprochenen und geschriebenen Sprache, des Sprechens, der Atmung, Stimme, Mundfunktio- nen, des Hörvermögens und der Wahrnehmung. Die diplomierte Logopädin arbeitet eigenver- antwortlich in der Prävention, Beratung, Unter- suchung, Diagnose, Therapie und wissenschaft- lichen Erforschung von menschlichen Kommu- nikationsstörungen im verbalen und non-ver- balen Bereich sowie den damit im Zusammen- hang stehenden Störungen und Behinderun- gen. Die Untersuchung ist ein kontinuierlicher Prozess und bedarf einer eingehenden Erfas- sung aller Funktionen, Symptome und sonsti- ger Aspekte der kommunikativen Fähigkeiten und deren Veränderungen. Die dipl. Logopädin berücksichtigt die individuellen Bedürfnisse des Klienten und sein soziales Umfeld. Die logopädische Diagnose basiert auf spezifi- schen Untersuchungsverfahren sowie klini- schen Beobachtungen und erfolgt bei Bedarf in Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen. Daraus wird die Hypothese über die Art und Dauer der Behandlung abgeleitet. Die Therapie umfasst Maßnahmen zur Behandlung mensch- licher Kommunikationsstörungen, zur Rehabili- tation, bestmöglichen Reintegration in Alltag und Beruf sowie zur Früherkennung und Bera- tung. Das therapeutische Vorgehen berücksich- tigt methodische, soziale und zwischenmensch- liche Aspekte. Wie steht es um die Sprache unserer Kinder? Die Anforderungen im Bereich der Kommuni- kation sind gestiegen. Während es früher für ein 5-jähriges Kind genügte zu spielen, und dabei seine Entwicklung auf natürliche Weise vorantrieb, so ist es heute fast schon Usus, dass Vorschulkinder einen Computer bedienen, eine Fremdsprache lernen, die musikalische Früher- ziehung besuchen uvm. All diese Dinge sind nicht falsch, doch nicht jedes Kind hat die not- wendigen Grundvoraussetzungen dafür. Man- che Kinder haben ihre Muttersprache noch 24/332 nicht vollständig erfasst und sind mit einer zweiten Sprache überfordert, andere können mit einer Tastatur umgehen, aber noch keinen Farbstift halten. Wenn ein Kind nicht spricht wie andere, ma- chen sich Eltern zunächst große Sorgen. Die Angst, dass sich ihr Kind nicht „normal" entwi- ckeln könnte, der Druck der kommenden Schulzeit, die Reaktion der anderen, die eigene Unsicherheit - das alles kann schwer auf den Eltern lasten. Eine Menge von Fragen türmt sich auf. Was Eltern am häufigsten wissen wol- len, soll im Folgenden beantwortet werden. Die bange Frage kommt oft sehr schnell: Was haben wir falsch grmacht? Aher in kanm ei- nem Fall sind die Eltern wirklich „schuld" - au- ßer wenn sie ihr Kind grob vernachlässigen. Sprachstörungen haben selten einen Grund al- lein, ein ganzes Bündel von Ursachen spielt meistens mit: von Hör- oder Gedächtnisschwä- chen oder organischen Faktoren bis zu Proble- men in der Wahrnehmung, in der Motorik, in der Verarbeitung von Sinneseindrücken. Jeder Einzelfall kann anders liegen und manchmal bleibt eine Störung tatsächlich unerklärlich. Ist unser Kind „zurückgeblieben"? Wenn ein Kind schlecht spricht, ist es noch lange nicht zurückgeblieben oder dümmer als andere. Das wissen die Eltern selbst, denn sie sehen und beobachten ihr Kind ja und kennen auch seine Stärken. Die Sprache ist allerdings verknüpft mit der Gesamtentwicklung eines Kindes, und alle Fähigkeiten wirken wechsel- seitig zusammen. Deshalb ist es bei allen Un- tersuchungen wichtig, den allgemeinen Entwicklungsrückstand einzuschätzen. Wie wird es mit der Schule? Sprachprobleme können ein Risiko sein, denn sie können das Lernen erschweren. Auch gut liegaLle Ki11Jer geraten leicht ins Hinlerlreffen, wenn sie mündlich nicht so fit sind wie andere. Vor alle,n beim Lesen und Schreiben sind die sprachlichen Fähigkeiten gefragt. Das bedeutet: Eine frühe Förderung vor dem Schuleintritt ist wichtig. Eltern sollten sich deshalb rechtzeitig um Hilfe kümmern und nicht erst kurz vor Schulbeginn! Dann hat das Kind vorher Zeit zum Lernen und Aufholen. Man muss auch einkalkulieren, dass es in vielen Praxen und Einrichtungen Wartezeiten gi bt. Also lieber zu früh als zu spät anmelden . Die Dauer einer Therapie ist selten genau vor- herzusagen, denn zu viele Faktoren spielen mit: der Umfang der Sprachstörung, die Bereit- schaft und das Lerntempo des Kindes, der Kontakt zur Therapeutin, auch die Unter- stützung zuhause. Warum haben immer mehr Kinder Sprachstörungen? Sprachstörungen scheinen in der Tat zuzuneh- men. Zumindest werden sie heute sicherlich mehr beachtet als früher, denn die Ansprüche und der Druck von Schulen, Ausbildung und beruflicher Zukunft sind gewachsen. Man kann vermuten, dass die Zunahme der Sprach- probleme viel mit dem Wandel der Gesellschaft zu tun hat. Die Großmütter, die früher den Kleinen alle alten Sprachschätze vom Knie- reiter bis zum Märchen weitergaben, sind in den Kleinfamilien kaum noch da. Die Spiel- und Bewegungsräume der Kinder sind viel en- ger geworden, die Medien verführen zum Schauen statt Sprechen, Videos reizen mehr als das alte Kasperltheater, die Computer antwor- ten mit einem Piepton, statt Fragen genügt ein Knopfdruck, die Automaten nehmen uns das Reden ab und machen sogar „bitte" und „dan- ke" überflüssig. Denken Sie an Ihren eigenen Alltag: Sie können wortlos einkaufen, wortlos Geld von der Bank holen und wortlos einen Abend vor dem Fernseher verbringen. Ein vor- wiegend wortloses Dasein ist möglich! Zumindest in der Pami lie aber kann jeder versuchen, das Miteinander-Sprechen ernst und wichtig zu nehmen. Julia Mörwald/Doris Tischlinger (Dipl. Logopädinnen> steiljr
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