Amtsblatt der Stadt Steyr 2001/3

Gesundbleiben weraen Verantwortung für die Gesundheit übernehmen Strahlenschutz - brauche ich nicht? „Strahlenschutz brauche ich nicht - wenn etwas passiert, kann ich sowieso nichts machen ... da ist es am besten, ich bin gleich tot." Mit sol- chen und ähnlichen falschen Ansichten wer- den Mitarbeiter des Oö. Zivilschutzverbandes bei ihrer Tätigkeit - vor allem in Diskussionen mit der Bevölkerung über Radioaktivität - im- mer wieder konfrontiert. Die Themen Strah- lung - Strahlenschutz - Zivilschutz sind für viele Menschen noch immer sehr undurchsich- tig und mit vielen teils widersprüchlichen Mei- nungen sowie Emotionen behaftet. In den Nachbarländern Österreichs - in der Schweiz, in Deutschland, Tschechien, der Slowakei, in Ungarn und in Slowenien - stehen 39 Atom- kraftwerke, darunter befinden sich bedauerli- cherweise auch potentiell gefährliche. Ein „Supergau" in einem Atomkraftwerk eines Nachbarstaates könnte - je nach meteorologi- scher Situation - in Österreich Verstrahlungen verursachen, die gewaltige Eingriffe in unser tägliches Leben zur Folge hätten. Der Ausstieg aus der Nutzung der Kernkraft muss daher das unumstrittene Ziel sein. Bis dieses Ziel jedoch erreicht ist, hat der Strah- lenschutz und ganz besonders der Selbst- schutz größte Bedeutung, denn er verringert Ihr persönliches Risiko. Wie wirken ionisierende (radioaktive) Strahlen? Der Mensch kann diese Strahlen weder sehen noch riechen oder fühlen. Radioaktivität kann man nur mit technischen Geräten messen. Strahlung kann durch Atemluft, Ablagerun- gen auf der Haut bzw. Kleidung als Bestrah- lung von außen und durch Nahrungsmittel von innen auf den Menschen einwirken. Ab einer gewissen Strahlenbelastung besteht die Gefahr der Strahlenkrankheit. Dabei kommt es nach der Bestrahlung zu heftigen Symptomen. Strahlenkrankheit tritt aber nur ab einer be- stimmten Dosis auf und kann auch zum Tod führen. Dies passiert allerdings nur bei sehr hohen Do- sen und ist bei uns - selbst bei Kernkraftwerks- Unfällen in den Nachbarländern - nicht wahr- scheinlich. Realistisch ist hingegen eine Be- strahlung mit vergleichsweise geringeren Strah- lendosen, die nicht zur Strahlenkrankheit und nicht unmittelbar zum Tod führen. Aber auch diese geringere Strahlenbelastung kann länger- fristig gesundheitliche Schäden, wie Krebs und Schädigungen des Erbgutes, verursachen. Da- rum ist es im Ernstfall notwendig, die Strahlen- belastung so gering wie möglich zu halten. Je geringer die Strahlenbelastung, desto geringer das Risiko, einen Spätschaden davonzutragen. Das ist die hauptsächliche Bedeutung des Strahlenschutzes im Zusammenhang mit Kern- kraftwerken. Was passiert bei einem Kernkraftwerks-Unfall? Mehr als 99,9 % der Radioaktivität eines Kern- kraftwerkes sind in den Brenn-Elementen ent- halten. Nur wenn diese zu einem erheblichen Teil beschädigt werden und die dabei freigesetz- te Radioaktivität nach außen dringt, kommt es zu einer radioaktiven Belastung der Umwelt. Kleinste radioaktive Teilchen werden in die At- mosphäre freigesetzt und lagern sich an den in der Luft vorhandenen Staubpartikeln (Aeroso- len) ab. Die so entstandene „radioaktive Wol- ke" kann, wie uns Tschernobyl deutlich vor Augen geführt hat, vom Wind über tausende von Kilometern vertragen werden. Aufgrund der Schwerkraft sinken diese radioaktiven Staubteilchen entlang des Ausbreitungsgebietes dieser Wolke zu Boden. Ein derartiger radioak- tiver Niederschlag wird als „Fallout" bezeichnet. Schutzmög lichkeiten bei einem Reaktorunfall Wesentlich ist, dass Sie die entsprechenden Zivilschutzsirenen-Signale kennen. Nur wenn Sie wissen, dass Gefahr droht, können Sie sich schützen. Die Signale sind: ■ Zivilschutz- warnung: 3 Minuten gleich bleibender Dauer- ton; ■ Zivilschutzalarm: 1 Minute auf- und abschwellender Ton; Entwarnung: 1Minute gleich bleibender Dauerton. Natürlich bietet ein Schutzraum den besten Schutz. Man kann sich jedoch bei Kernkraft- werks-Unfällen im Gegensatz zu einer Kern- waffen-Detonation auch bereits mit einer gerin- geren Abschirmung gegenüber der äußeren Be- strahlung gut schützen. Deshalb bieten ge- wöhnliche Häuser in massiver Bauweise bei Kernkraftwerks-Unfällen einen sehr hohen Schutz. Bei einer Untersuchung von Wiener Gebäuden wurde z. B. ein durchschnittlicher Schutzfaktor von 1:80 festgestellt; d. h. die ex- terne Strahlenbelastung im Haus beträgt gegen- über der Belastung im Freien nur mehr ein Achtzigstel. Bei älteren Gebäuden in dicht be- bauten Gebieten liegen die Schutzfaktoren so- gar noch darüber. Einfamilienhäuser im Grü- nen hingegen weisen oft nur einen geringeren Schutzfaktor auf. Selbst diese Werte ergeben aber noch eine Verringerung der Strahlen- belastung auf 10 - 20 % gegenüber dem unge- schützten Aufenthalt im Freien. Die Radioaktivität wirkt aber nicht nur von au- ßen auf uns ein, sondern auch über eingeatme- te belastete Atemluft, in der sich strahlende Staubpartikel befinden. Auch die Aktivitäts- konzentration in der Atemluft wird im Inneren von Gebäuden gegenüber der im Freien verrin- gert, wenn Fenster und Türen rechtzeitig ge- schlossen werden und während des gesamten Durchzugs der Wolke geschlossen bleiben. Zu- sätzlich können die Fenster durch Klebebänder abgedichtet werden. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass es nicht zu einer Sauerstoffnot kommt. Durch diese Maßnahmen ist mit einer Reduzierung der Belastung durch Atemluft um etwa 40 bis 80 0/o zu rechnen. Nach dem Durchzug der radioaktiven Wolke muss gründ- lich gelüftet werden, denn dadurch kann die teilweise durch Undichtheiten der Fenster ein- gedrungene, radioaktiv verunreinigte Luft wie- der abgeführt werden. Eine weitere Verringerung der Inhalations- belastung ist durch den Einbau von Frischluft- filtern im Haus möglich. Solche Filter bieten eine nahezu 1000/oige Reinigung der Atemluft von radioaktiven Aerosolen. Nach dem Durchzug der „radioaktiven Wolke" sind alle Flächen und Gegenstände im Freien kontaminiert (verstrahlt). Das heißt, der radio- aktive Staub hat sich darauf abgelagert. Des- halb ist es notwendig, das Haus eine gewisse Zeit lang nicht zu verlassen, bis Dekontamina- tionen durchgeführt worden sind. Vorausset- zung dafür ist ein Lebensmittelvorrat für ca. zwei Wochen. Wenn Sie diese Maßnahmen beachten, können Sie Ihr persönliches Risiko erheblich reduzie- ren. Eine genaue Beschreibung der angespro- chenen Selbstschutz-Maßnahmen bietet der Strahlenschutz-Ratgeber des Bundesministeri- ums für Inneres. Alle Interessierten erhalten ein Gratisexemplar bei der Stadtleitung des Oö. Zivil- schutzverbandes (per Adresse: Stadtbetriebe Steyr, Fachabteilung für Umwelt- schutz und Abfallwirtschaft~ Ennser Straße 10, Tel. 899-713). ,t Ing. Dietmar Vorderwinkler <Stadtleiter Oö. Zivilschutzverband) 28/ 104 steyr

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2