Amtsblatt der Stadt Steyr 2000/3
Gesundbtc1t en wcraen Verantwortung für die Gesundheit übernehmen Suche nach dem Glück Warum gibt es in unserer Kultur so viele Sucht- probleme? Was heißt denn süchtig sein über- haupt? Was können wir dagegen tun, daß unse- re Kinder abhängig werden? Solche und ähnli- che Fragen werden oft gestellt. Wir wollen uns hier damit auseinandersetzen. In unserer Gesellschaft werden wir in unserer Belastbarkeit massiv gefordert. Globalisierung, Rationa lisierung und die Forderung, in jeder Lebenslage Aexibel zu sein, erzeugen Druck. Dazu kommt noch das Ideal, immer „gut draur' zu sein und bei anderen gut anzukommen. Das verlangt einen Spagat zwischen Aexibler Lei- stungsfähigkeit, die einem den Atem nimmt, und einem entspannten ,,keep smiling", ent- sprechend dem richtigen Freizeitprogramm. Unsere Gefühle haben dann einfach keinen Platz mehr in unserer Welt. Freude, Trauer, Angst, Aufregung werden nicht erlebt, auch wenn sie nach wie vor da sind. Die Sehnsucht, etwas zu spüren, nämlich sich selbst, ist aber besonders bei den Jugendlichen stark. Sie su- chen dann etwas, wovon sie selber nicht wis- sen, was es eigentlich ist. Manche landen auf dieser Suche bei einer Sekte, andere beginnen Drogen zu konsumieren. Was bedeutet süchtig sein? Sucht ist nicht als Abhängigkeit in dem Sinn zu verstehen, wie wir von Luft, Wasser und Nah- rung abhängig sind, sondern sie ist eine Form von Abhängigkeit, die mit unseren Grundbe- dürfnissen nichts zu tun hat. Sucht macht ex- trem unfrei - man wird zum Sklaven von Hero- in, Alkohol, Nikotin, Beruhigungsmitteln o. a. Ob jemand süchtig ist, entscheidet wie er oder sie mit diesen Substanzen umgeht. Ob ein Mensch hin und wieder ein Glas Wein genießt oder ob er den Alkohol braucht, um sich wohl- fühlen zu können. Ob jemand in einer einmali- gen Belastungssituation das vom Arzt ver- schriebene Beruhigungsmittel nimmt oder ob er glaubt, ohne Tranquilizer nicht leben zu kön- nen. Süchte müssen nicht an eine Substanz gebun- den sein. Fernseh-, Arbeits-, Kauf- oder Spiel- sucht können dieselbe Funktion haben wie eine chemische Droge: schlechte Gefühle und seeli- sche Spannungszustände werden „auf Knopf- druck" weggeschaltet. Abhängigkeit kann körperlich und/oder seelisch sein Körperliche Abhängigkeit: Die Droge ist schon so sehr ein Bestandteil des Körper- haushalts, daß bei ihrem Entzug quälende kör- perliche Symptome, sogenannte Entzugs- erscheinungen auftreten. Diese verschwinden, sobald man die Droge wieder nimmt, wodurch ein Teufelskreis in Gang gesetzt wird, der aus eigener Kraft oft nicht mehr durchbrochen wer- den kann. Seefische Abhängigkeit besteht, wenn die Droge oder der durch sie erzeugte Zustand so sehr Teil des Lebens geworden ist, daß man sein Leben schon danach ausrichtet. Vernünfti- ge Argumente oder Appelle von seiten der Fa- mi lie oder von Freunden finden keinen Nieder- schlag. Die Kräfte, die hinter dem süchtigen Verhalten stecken, sind meist zu stark. Was steckt hinter der Sucht? Suchtverhalten beginnt oft als Suche nach dem Weg aus einem Di lemma, wenn Probleme un- lösbar zu sein scheinen. Oft spielen familiäre Konfükte eine Rolle, persönliche Unsicherheit, Angst vor der Zukunft, Versagensängste, Ein- samkeit und das Gefühl, nicht verstanden zu werden. Um all das nicht spüren zu müssen, verdrän- gen wir unsere Befindlichkeit mittels Drogen, Arbeit, Fernsehen, Sport etc. Fast alles kann Suchtmittel sein . Die Probleme werden da- durch aber nicht weniger. Im Fall von Dro- genmißbrauch kommen noch neue hinzu. Ab- gesehen von der Einsamkeit, die noch größer wird, kommt es zu einer starken finanzie ll en Belastung. Die Beschaffungsprobleme können Kriminalität zur Folge haben. Der Pro- blemberg wächst. Die Angst vor einem Entzug ist auch deshalb so groß, weil die Konfrontation mit all dem, was zu Bruch gegangen ist, sehr viel Kraft ver- langt. Maßgeblich für die Entstehung von Sucht ist die Gesamtmenge an seelischen Belastungen, die ein Mensch im bisherigen Leben erfahren hat, und wie er mit diesen Belastungen um- geht. Ob er gelernt hat, alles alleine durchste- hen zu müssen, oder ob er sich anderen mitteilt und Hilfe suchen bzw. annehmen kann. Was können wir tun, um Abhän - gigkeit bei unseren Kindern zu vermeiden? Da Abhängigkeit nicht plötzlich auftaucht, son- dern etwas ist, das sich über längere Zeit ent- wickelt, beginnt sinnvolle Vorbeugung früh. 1. Kinder lernen in den ersten Lebensjahren vorwiegend durch Nachahmung. Die Kinder nicht-süchtiger Eltern werden mit größerer Wahrscheinlichkeit später einmal selber nicht süchtig sein. 2. Die Entwicklung von Selbstvertrauen und Selbstsicherheit fördern. Starke Persönlichkei- ten sind weniger anfällig für eine Sucht- karriere. Menschen, die unsicher und entmu- tigt sind, greifen eher zu Drogen in der Hoff- nung, daß sie dann sicherer werden. Das erfordert von seiten der Eltern, daß sie in der Erziehung den richtigen Weg zwischen lie- bevoller Fürsorge (zuviel davon macht unsi- cher) und klaren Grenzen (zu enge Grenzen entmutigen) einschlagen. 3. Das „Nein-Sagen" fördern. Wenn unsere Kinder zu Drogen nein sagen sollen, müssen sie die Möglichkeit zum „Nein-Sagen" schon vorher in der Familie erfahren haben. 4. Stärkung der Kontakt- und Beziehungs- fähigkeit. Kontakte zu Gleichaltrigen, auch au- ßerhalb der Schule, sind wichtig für die Persönlichkeits-Entwicklung. Fähigkeiten, wie den eigenen Standpunkt ver- treten, etwas aushandeln, Kompromisse schlie- ßen, werden im Kontakt mit anderen erlernt und sind Voraussetzung für ein sicheres „Selbst", das wiederum so notwendig ist, um zum gegebenen Zeitpunkt nein zu sagen. Psychotherapeutische Praxisgemeinschaft Dr. Sabina Kieninger/Mag. Alfons Rodlaue 28/ 92 ste~r
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