Amtsblatt der Stadt Steyr 1998/3

Verantwortung für die Gesundheit übernehmen Ich habe Angst vor anderen Menschen berechtigtes Lob/Kritik annehmen zu lernen, selbst Lob, Kritik , Forderungen auszuspre- chen, Schüchterne Menschen gab es schon immer. In den letzten Jahren nimmt jedoch die Angst, in sozialen Situationen nicht bestehen zu können, zu. Den Alltag selbstsicher zu meistern, wird immer mehr zum Problem. Dieses Gefüh l ist grundsätzlich völlig normal. Wachsen sich die sozialen Ängste aber zu einem chronischen Problem aus, dann empfindet man andere Menschen und neue Situationen als Bedrohung und vermeidet sie nach Möglichkeit. ,,Mensch hat dann Angst": vor anderen das Wort zu ergreifen, vor gesellschaftlichen Anlässen, fremde Menschen zu treffen , vor dem anderen Geschlecht, vor den Augen anderer zu essen. Kurz: ,,Menschenängstliche" haben Angst, von anderen wahrgenommen und beachtet zu wer- den. Sie fürchten, Fehler zu machen und sich zu blamieren. Sie denken ständig daran, was andere von ihnen erwarten, glauben dabei aber nur, Mißerfolg und Ablehnung zu ernten. Be- drohlich erleben sie aber zuerst nicht die inne- re Gedankenwelt, die sie auf das Gefühl zu ver- sagen hin progammiert, sondern körperliche Symptome, wie Herzrasen, Zittern, Schweiß- ausbrüche, Schwindelgefühle. Zur Angst, andere richten die Aufmerksamkeit auf sie und sie könnten den Erwartungen nicht entsprechen , kommt die vor einem eventuellen körperlichen Zusammenbruch. Eine junge Frau ist nur mehr beherrscht von Gedanken, wie „Ich wollte, meine Hände wür- den nicht so zittern", ,,Was sage ich nur als nächstes", ,,Wie schaffe ich es heute bloß, mei- ne Arbeit zu tun". Ihre extreme Selbstüber- wachung hat dazu geführt, daß sie Opfer des Zwangs zur optimalen Selbstdarstellung, dem fast alle Menschen in unseren Breitengraden ausgesetzt sind, wurde. gelstorfer, 73; Herta Leopoldine Wolfinger, 69; Hildegard Moser, 85; Maria Fröhli ch, 94; Ro- bert Bernhart, 80; Theresia Palmetshofer, 87; Josef Schlader, 89; Friederica Klingele, 69; Lud- wig Josef Schedlberger, 77; Josef Franz lvicic, 67; Josef Adolf Schleyer, 75; Josefa Hawlicek, 93; Dora Maria Anna Weinrother, 95; Margare- ta Maria Fuka, 69; JosefBrunmayr, 47; Erich Johann Prisching, 69; Engelbert Döllinger, 63; Alois Riesner, 71 . .. .ein starkes Stück Stadt Kaum kam ihre Vorgesetzte zur Tür herein, quälte sie sich mit negativen Gedanken: ,,Sie wird mich bei einem Fehler ertappen". Schweißausbrüche und heftiges Herzklopfen waren ständige Folge ihres inneren Monologs. Daraufhin litt sie auch unter zunehmender Schlaflosigkeit und hatte immer mehr Angst davor, ihre Wohnung zu verlassen und unter Menschen zu sein. Es kostete sie auch viel Energie, die tiefe Selbstunsicherheit zu verber- gen. Äußerlich versuchte sie ruhig und kompe- tent zu wirken, in Wirklichkeit fühlte sie sich ihrer Angst hilflos ausge liefert, klein und unbe- deutend. Auch privat zog sie sich immer mehr zurück: blieb mit ihrer Angs t und ihrem Leid allein. Als fortgesetzte Erschöpfung zu ver- mehrten Krankenständen führte und ihre be- rufliche Exis tenz dadurch bedroht war, suchte sie schließlich ihren Arzt auf, dem sie ihre so- matischen Beschwerden erzählte - weil orga- nisch kein Befund erhoben werden konnte, riet er ihr zur Psychotherapie. Sozial ängstliche Menschen sind ihre eigenen schlimmsten Kritiker. Sie geben sich in allen Belangen schlechte Noten: Ob es um ihr Aus- sehen geht, ihre intellektuellen Fähigkeiten oder ihre Beliebtheit, sie halten sehr wenig von sich selbst. Die oben erwähnte Frau war schon dadurch erleichtert, daß sie ihr Problem nun nicht mehr verbergen mußte. Sie entdeckte, daß ihre Lebensgeschichte vie l dazu beigetra- gen hat, daß es ihr mißlungen ist, ein stabiles Selbstwertgefühl zu entwickeln und ließ sieb während ihrer Therapie darauf ein, Versagens- muster zu entdecken, um ihren inneren „Angst- monolog" aufznlösen. Gleichzeitig reflektierte sie ihre aktuelle Lebens- situation: Für sie war es wichtig zu erkennen, wie sie eigene Bedürfnisse ausdrücken und durchsetzen kann, unberechtigte Kritik/Forderungen zurückweisen und daß sie Kontakt zu anderen herstellen und auch beenden konnte, daß sie sich Fehler erlauben konnte, und sich letztlich öffentlicher Beachtung aus- zusetzen, ohne durch die üblichen Angst- symptome behindert zu werden. Angst ist daher einerseits eine „Kindheits"- nnd auch „Pubertätsgeschichte". Es ist für eine sinnvolle Therapie aber auch wichtig, nicht nur die Vergangenheitsmnster neu zu verstehen, sondern für das Leben in der Gegenwart neue Kompetenzen zu entwickeln. Aber auch kriti- sche Lebensereignisse, wie Scheidung, Arbeits- losigkeit, Umzug in eine fremde Stadt, können aus einem aufgeschlossenen Menschen einen plötzlich sozial ängstlichen machen . Und hierin - in der hohen Mobilität unserer Gesellschaft, der Brüchigkeit von Beziehungen und dem un- sicheren Arbeitsmarkt - liegen möglicherweise Hauptgründe dafür, daß Sozialängste in den letzten Jahren immer häufiger zu beobachten sind. Neben all diesen Schwierigkeiten sind wir in unserer Leistungsgesellschaft gleichzeitig gefor- dert, das eigene Selbst möglichst effektiv zu vermarkten. Wir sind „Eindrucksmanager" in eigener Sache geworden - Einzelkämpfer, die immer eine gute Figur machen müssen. Diese ständige Exponiertheit macht uns unsicher und angreifbar, ,,nicht gut genug". Unser Wohlbefin- den wird stark davon abhängen, wie sehr es uns ge lingt, uns nicht von fremden Erwartungen leiten zu lassen, son- dern zu entdecken: „Wer bin ich?Und wie schaffe ich es, in einer sozialen Situa- tion ich selbst zu bleiben?" MMag. Beate Rodlauer-Aigner Beratung für pflegende Angehörige Das Seniorenservice Steyr (Redtenbacher- gasse 3, Zimmer l 0, Tel.: 575-449, -462 oder -469 Dw.) bietet jeden Dienstag in der Zeit von 14.30 bis 16.30 Uhr - begleitend zur ärztlichen Therapie - Rat und Information für pflegende Angehörige. Die Hauskrankenschwester des Magistrates, Elfriede Leitner, kann aufgrund ih rer lang- jährigen Praxis in der medizinischen Betreu- ung hilfsbedürftiger Steyrer Bürger auf zahl- reiche Erfahrungen zurückgreifen und steht für Ihre Anfragen zur Verfügung. 17/77

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