Amtsblatt der Stadt Steyr 1997/12

esundbleiben eraen Verantwortung für die Gesundheit übernehmen Psychosoziale Begleitung Absichten zu hegen scheint - auch die Stimmen sprechen nicht dagegen -, nimmt X. den Kaffee an. Er hat lange keinen frischen, warmen Kaf- fee getrunken. Als Y. vorschlägt, sich wieder zu treffen, akzeptiert X. diese Einladung. Dies ist ein Wagnis, denn oft genug ist er dadurch ver- letzt worden, daß man ihn als Spinner bezeich- net hat. Die beiden treffen sich nun von Zeit zu Zeit, nnd die Gespräche erweisen sich als unge- fährlich. Y. ist sogar ein angenehmer Gesprächs- partner, denn er hört gerne zu und verwickelt X. nicht in Debatten darüber, was „wirklich" ist und was „Einbildung". Mit der Zeit beginnt X., die Gespräche zu schätzen. Fallweise unter- stützt ihn Y. auch bei Erledigungen, die X. überfordern. Als er einmal Streit mit einer an- deren Hauspartei hat, vermittelt Y. - ohne sich in den Streit einzumischen. Es ist eine neue Er- fahrung für X., Vertrauen zu jemandem zu fas- sen. Er beginnt, Y. ein wenig an seinem inne- ren Leben teilhaben zu lassen. Das Leben von Herrn X. hat ein wenig Farbe gewonnen. Ei ne der Dienstleistungen der psychosozialen ill'ratungsstelle ist Begleitung. Die erfundene (;eschichte des Herrn X. soll als Beispiel dafür d1l' nen, was psychosoziale Begleitung sein k,1n n. Mit etwas Pech könnte es die Geschichte l'incs/einer jeden von uns sein. l lcrr X., 25 Jahre, war immer schon ein zurück- ha ltender Typ. Im Laufe der letzten Jahre hat t·1 sich verändert: Seine wenigen Freundschaf- tl'n sind eingeschlafen; seine Hobbies - viele ha tt e er nicht - hat er vernachlässigt. Dieser ltiickzug ist so langsam vor sich gegangen, daß n von der Umgebung unbemerkt blieb. Auf- 1ncrksam wird man in seiner Firma erst, als er tb rüber zu klagen beginnt, daß Schritte am Fl ur in bestimmter Weise bedeutungsvoll seien 11nd daß Türen absichtlich laut zugemacht wür- de n. Da diese Wahrnehmungen aber von nie- n1a ndem bestätigt werden können, einigt man ,ich bald darauf, daß er „spinnt". Dies erhärtet ,ich noch, als man gewahr wird, daß er manch- 1na l mit jemandem zu sprechen scheint, obwohl niemand anwesend ist. Man hätte ihn als harmlosen Spinner toleriert, aber offenbar klappt es auch mit der Arbeitsleistung nicht. l\1ner Verwarnung des Chefs folgt bald ein Ulti- 1natum. Beides scheint seine Arbeitsleistung nicht zu erhöhen, vielmehr seine Verstörung t'her noch zu verstärken. Er könnte einem leid tun, aber als schließlich die Lösung des Be- schäftigungsverhältnisses bekannt wird, ist man im Kollegenkreis auch ein wenig erleich- tert, war er doch in seiner Versponnenheit schon eine gewisse Belastung gewesen. Die Ab- tei lung kann sich auf kompetenten Ersatz freuen. X. wirkte zwar nach außen unberührt, aber die En tlassung scheint ihn doch erschüttert zu ha- ben: er wird, zu Fuß auf der Autobahn herum- irrend, von der Exekutive aufgegriffen. Ob er .1uf diese Weise sein Leben beenden wollte? Er wir<l in <lie Nervenklin ik eingewieseu. Als er von der mehrwöchigen Behandlung zurück- kommt, verhält er sich ganz normal, hat nur deutlich an Gewicht zugelegt. Da er nun ar- beitslos ist, werden ihm verschiedene Stellen zugewiesen, aber er wird nirgends genommen. Stellenangebote sind rar, und die Mitbewerber erweisen sich häufig als cleverer gegenüber dem etwas langsamen und unbeholfenen X. Er wird Notstandsempfänger und schließlich Pensionist „wegen Berufsunfähigkeit". Man könnte auch sagen, er wird Pensionist wegen Unfähigkeit der Arbeitswelt, ihm eine Nische einzuräumen. Wie dem auch sei, sein sozialer Tod vollzieht sich nun rasch und unspektakulär. Nachdem er mit dem Arbeitsplatz auch die letzten Kontak- te eingehiißt hat, verliert er rasch „den An- schluß". Er kümmert sich nur mehr um das Notwendigste, geht kaum mehr aus . Wohl kann er seine kleine Wohnung halten, aber ohne Arbeit, ohne Kontakte, ohne Zukunfts- aussichten engt sich sein Horizont mehr und mehr ein. Seinen Lebensentwurf, der einma l Partnerschaft, Familie, Eigenheim beinhaltet haben mochte, verliert er aus den Augen . Die Geräusche, die ihn quälen, und die Stimmen, die er fallweise hört, sind zwar durch Medika- mente auf ein erträgliches Maß gedämpft, aber in dem Maße, wie ihm die äußere Welt abhan- den kommt, bevölkert sich seine innere Welt mit Bedeutungen und Bezügen, die nur mehr ihn betreffen. Er bewegt sich zunehmend im Kreis seiner eigenen Gedanken. Ein Bekannter - einer der wenigen, die noch Verbindung ha lten - bringt ihn einmal mit Herrn Y., Mitarbeiter einer Sozialeinrichtung, in Kontakt. Y. interessiert sich für X., aber die- ser mißtraut jeder fremden Person, jedem neu- en Ges icht. Das Gespräch ist ihm mühsam und er verabschiedet sich, sobald er kann. Da aber der Bekannte immer wieder drängt, erklärt er sich zu einem zweiten Versuch bereit. Y. scheint sich über das Wiedersehen zu freuen und bietet Kaffee an. Da er keine bedrohlichen So oder ähnlich kann psychosoz. Begleitung verlaufen. Begleiterinnen müssen nicht unbe- dingt ausgebildete Psychotherapeuten sein, aber ein feines Gefühl für die Gestaltung einer Beziehung haben. Sie müssen imstande sein, behutsam die Isolierung zu überwinden - jenen Abstand, mit dem wir alle uns gegen das allzu Seltsame schützen, jene Einsamkeit aber auch, in die sich manche Menschen wie zum Schutz selbst einspinnen. Begleiterinnen dürfen nicht der allgemein gültigen „Wirklichkeit" verpflich- tet sein, sondern müssen in der Lage sein, sich in sehr „eigen-artigen" Welten zu bewegen. Sie müssen das richtige Maß an Fürsorglichkeit zwischen Zudringlichkeit und Vernachlässi- gung finden, den schmalen Grat zwischen zuwenig und zuviel Kontakt ent- langgehen können. Müs- sen Zuwendung unauf- dringlich anbieten, Rück- zug akzeptieren, Ge- <lul<l haben , nid1t verändern wollen. Eben Begleiten. • Dr. Thomas Hloch (Psychosoziale Beratungsstelle> Beratung und Hilfe f ür Hörbehinderte 1 )ie „Gehörlosen-Ambulanz" am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Linz bietet für liörbehinderte Menschen medizinische, soziale 1111d kommunikationstherapeutische Beratung 1111d Betreuung an. Zur sozialen Hilfestellung in starkes Stück Stadt zählt insbesondere die Arbeitsassistenz, die Ge- hörlose und Hörbehinderte im beruflichen Be- reich unterstützt. In der Gehörlosen-Ambulanz sind drei speziell ausgebi ldete Arbeitsassisten- ten tätig. Sie betreuen einerseits hörbehinderte Menschen, die arbeitslos sind und Unterstüt- zung bei der Suche nach einem neuen Arbeits- platz benötigen. Andererseits bemühen sie sich um die Erhaltung des Arbeitsplatzes; d. h., Kol- legen und Vorgesetzte werden informiert und dabei Ängste sowie Vorurteile auf beiden Sei- ten abgebaut. Die Beratung ist vertraulich und kostenlos. Nähere Informationen unter der Te- lefonnummer 0732/7897-4500, Sehreihtei.: 0732/7897-4505. 35/399

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