Amtsblatt der Stadt Steyr 1997/9

Gesundbleiben weröen Frau Y. kommt in meine psychotherapeutische Praxis wegen Schwindelgefühle, Schwächezu- stände und der Angst, ihre Füße könnten plötz- lich nachgeben. Nachdem sie im Krankenhaus gründlich durchuntersucht wurde und kein or- ganisches Leiden festgestellt werden konnte, kommt sie auf Anraten ihres Arztes in die Psy- chotherapie. Sie erzählt mir die Geschichte ih- res Leidens. Um den Sinn zu verstehen, den das Symptom für ihr Leben macht, bitte ich sie, mir von ihren Lebensumständen und ihrer Le- bensgeschichte zu erzählen. Frau Y.*, die eine sehr aktive und tatkräftige Frau ist, fällt es schwer, über sich zu reden. Ich lade FrauY. zu einem Experiment ein, das sie mit meiner Unterstützung macht: sie verge- genwärtigt sich das Befinden in ihrem Angst- und Schwächezustand und zeichnet dann mit einem Bleistift auf ein Blatt Papier ohne nach- zudenken, was gerade kommt. Es kann ein ge- genständliches Bild sein, es können aber auch nur Bewegungsspuren sein, die der Stift hinter- läßt. Nach ein paar Strichen ist das Bild von Frau Y. fertig. Sie bezeichnet es als „Chaos", mit dem sie nichts anfangen kann. Dann meint sie: ,,Die verbogenen Linien auf dem Bild gehö- ren schon irgendwie zu mir." Ihr fällt ihr mo- mentanes Leben ein und ihre Wünsche, die für sie „so verbogen sind, wie diese Linien". Frau Y. hat in ihrer momentanen Lebenssituation das Gefühl, nicht selbstbestimmt zu leben, was sie zu einer resignierten Haltung gegenüber dem Leben veranlaßt. Über die „verbogenen Linien" sind wir also zu Frau Y.'s Problem ge- kommen. Jetzt ist auch das Reden plötzlich leichter. Frau Y. kann im therapeutischen Ge- spräch zu ihren Wünschen und Bedürfnissen wieder Zugänge finden. In ihrem Fall geht es nicht darum, daß sich ihr Umfeld verändert (was manchmal auch not- wendig sein kann), sondern darum, daß sie an- fängt, zu sich selbst zu stehen und sich selbst ernstzunehmen. Also etwas Neues auszuprobie- ren: Frau Y. hat ein Leben lang (zu) gut gelernt, sich anzupassen und sich auf die Wünsche der anderen einzustellen. Dieses schrittweise Ar- beiten an sich selbst bewirkt bei Frau Y. eine Verein Drehscheibe Kind Promenade 12, Tel. 48099 Der Verein Drehscheibe Kind veranstaltet ab Oktober folgende Vormittags- und Nach- 30/290 Verantwortung für die Gesundheit übernehmen Stärkung ihrer Persönlichkeit. Sie faßt wieder Fuß und steht zunehmend mit beiden Beinen am Boden. Es kommt immer wieder vor, daß ich in meiner Arbeit als Psychotherapeutin „Medien", wie wir in unserer Fachsprache Stifte, Kreiden, Ton, Plastilin oder Musikinstrumente nennen, ver- wende. Für Kinder ist es etwas Selbstverständ- liches, daß sie eine Zeichnung machen oder mit Plastilin etwas formen, daß sie auf ein Mu- sikinstrument zugehen und es ausprobieren wollen. Wir Erwachsenen haben da schon eher Hemmungen. Wir haben in der Schulzeit meist zu gut gelernt, ,,schön" zu zeichnen und „rich- tig" zu singen, und so ist vielen von uns die Lust vergangen am kreativen Ausdruck. Absichtsloses Zeichnen ·in der Therapie ist nichts anderes als Ausdruck, der aus dem Kör- per kommt. Wir wissen mehr über uns, als wir wissen. Dieses unbewußte Wissen befindet sich in unserem Körper, in den sich alle unsere Er- fahrungen einprägen. Es ist aber oft nicht so ohne wei teres zugänglich und schon gar nicht in Worten zu fassen . Erst wenn wir uns inten- siv mit unseren Gefühlen, mit dem, was uns ein Symptom mitteilen möchte, oder mit den Bildern und Vorstellungen, die aus uns aufstei- gen, befassen, können wir zu diesem Wissen einen Zugang finden. Therapie ist, die Räume in uns, die versperrt oder verstellt sind, die bisher nicht zugänglich waren, gemeinsam mit einer Person zu entdek- ken, zu der Vertrauen da ist und die uns in un- serer Art grundsätzlich annimmt. Auch wenn ich etwas noch so gut vergesse oder verdränge und es in mein persönliches Keller- abteil stecke, entfaltet es von dort aus eine Wir- kung auf mich. Oft ist es dann unser Körper, der uns aufmerksam macht, daß da etwas ist, wo wir vielleicht genauer hinschauen sollten. Lisa (19) kommt nach dem Urlaub wegen wie- derkehrender Anfälle von Atemnot in die The- rapie. Die Untersuchung beim Internisten war ohne Befund. Nachdem wir ein paar Monate mitsammen gearbeitet hatten, kam sie mit ei- ner Erinnerung in Kontakt: Sie wäre als Fünf- jährige beim Schwimmenlernen in einem Bach beinahe ertrunken. Das Erlebnis war für sie so erschreckend, daß sie es so schnell wie möglich . vergessen wol lte. Für Lisa bedeutete es eine spürbare Erleichterung, dieses traumatische Er- · eignis in ihrer Kindheit mit ihrer Atemnot in Beziehung zu bringen. Dennoch brachte diese Erkenntnis alleine nicht sofortige Heilung mit sich. Lisa hat - indem sie den Atem blockiert - ge- lernt, ihre Gefühle zurückzuhalten und um den Preis ihrer Lebendigkeit ein harmonisches Fa- milienleben aufrechtzuerhalten. Oder, wenn sie unter Druck steht, ganz flach zu atmen. Ein Ziel für sie besteht darin, das Atmen wieder zur Energiequelle werden zu lassen, sich mehr und mehr ihrer Gefühle bewußt zu werden und ihren persönlichen Gefühlsausdruck zu finden. In Lisa's Fall ging es darum, zu schauen: worauf macht mich mein Körper aufmerk- sam? wie kann ich das, was ich in der Therapie entdeckt oder gelernt habe, in mein Leben umsetzen? Ich verstehe Psychotherapie ähnlich wie die Ar- beit einer Hebamme. Die/der Psychothera- peutin stellt ein förderndes Umfeld und sich selbst als „Geburtshelferin" zur Verfügung. Sie/ er unterstützt den Prozeß der/des Klientin/en. Das, was heraus möchte, weil es belastet, drückt, schmerzt, wird mit ihrer/seiner Hilfe zum Ausdruck gebracht. Wenn plötzlich etwas verstanden wi rd, wenn neue Zusammenhänge gesehen werden, kann an einer Neuorientie- rung des Lebens und an konkreter Veränderung gearbeitet werden. Voraussetzung ist aber, daß die Person, die die psychothera- peutische Praxis auf- sucht, um eine Therapie zu ma- chen, das von sich aus tut. * die Fallbeispiele sind anonymisiert Dr. Sabina Kieninger (Psychotherapeutin) mittagskurse sowie Spielgruppen für Kinder: Spielgruppen zum Eingewöhnen in den Kin- dergarten für Kinder ab 2 Jahren. Spielgruppen für Kinder ab 3Jahren, die noch keinen Kindergartenplatz haben und gerne mit Gleichaltrigen spielen wollen. Englischsprechende und -singende Spiel- gruppen für Kinder von 3 bis 5Jahren und Kinder von 5 bis 7Jahren. Musikalische Früherziehung für Kinder von 3 bis 4,5 Jahren und Kinder von 4,5 bis 6Jahren. ste~r

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