Amtsblatt der Stadt Steyr 1997/2

Als die aufregendste Vorstellung unseres Le- bens aber möchte ich die „Fledermaus" be- zeichnen (Glücklich ist, wer vergißt). So ein- fach aber, um zu vergessen und glücklich zu sein, war das aber nicht, für uns gab es eine Doppelpremiere: Wir wurden ein Elternpaar! Wenn ich mir das heute vorstelle: Er, ein Ver- triebener; sie, elternlos und da setzt man ein Kind in die Welt... Nicht alle Kollegen hatten Verständnis dafür, manche ließen uns ihr be- greifliches Unverständnis auch merken, einige junge sogar zynisch: ,,schöner Siegesmund schwängert Jungfrau von Orleans" und andere apercu' s mußte ich über mich ergehen lassen. Auf der Generalprobe „Fledermaus" (Haupt- proben durften wegen Stromersparnis nur nachts stattfinden) unterbrach Treuberg unver- mutet das Finale und rief: ,,Papa Roßmann, es muß doch schon soweit sein, habt' s überhaupt schon Windeln?" Mehr hätte der Gute nicht sa- gen zu brauchen! Alles starrte auf den Papa in spe, der wie wildgeworden auf seine steife Frackbrust hämmerte und schrie: ,,Wenn die heut abend aus Gips ist, dann bin ich Vater!" Mit diesen Worten rannte ich durch den frosti- gen Morgen nach Hause. Emmy saß schon mit Mantel und Kopftuch auf dem Bett, sah mich groß an und lächelte matt: ,,Im Frack?" Im trüben Wintermorgen stapfte ich, vom Spi- tal kommend, durch hohen Schnee bei eisiger Kälte und voll wirrer Gedanken erst einmal in die Stadtpfarrkirche. Stille Messe - das tat mei- nem Adrenalinspiegel wohl! Dort dachte ich an das alte Sprücherl „Gibt Gott das Haserl, gibt er auch das Graser!" ... Und so war es auch! Und mich erschüttert heute noch diese Welle von Zuwendungen, dieses rührende Verständ- nis unserer heiklen Situation: Als wir ein paar Tage mit dem Butzi nach Hause kamen, hatten wir alles in doppelter Ausführung, sogar zwei Wäschekörbe, der eine gefüllt mit Windeln und Babywäsche, der andere als Bettchen herge- richtet. Und das alles in Zeiten des Elends und der Not ... Am Tage meiner „Doppelpremiere" hatte Dr. Ender eine kleine Show arrangiert: Bei meinem Liedchen „Werd ich dich als Freund und Vater unterbringen am Theater" gabs eine Cäsur hin- ter „Vater" - ich schaute verwirrt ins Publikum und nahm einen minutenlangen Beifall entge- gen. Unvergessen, diese Überraschung! (Das „Haserl" absolvierte Germanistik und ist heute Lehrerin in Berlin). „Anno Domini, am 16. März 1796 wurde das ausgebaute Theater zu Ehren des Fürsten Lamberg eröffnet", heißt es in den Annalen. In unseren persönlichen heißt es: Treuberg hat, uns zu erfreuen, nach der Geburt unserer Toch- ter Angelika die Komödie „Ein Mann mit Herz angesetzt" und die „Steyrer Zeitung" schrieb damals: ,,Das Publikum zog Parallelen aus dem 24/52 Privatleben der beiden Hauptdarsteller und amüs ierte sich köstlich. Irgendwie amüsant fanden wir auch den Bericht in der genannten Zeitung: ,,Der einmalige Reiz ihrer (d.h. der Sarnek) Rollengestaltung besteht darin, daß sie die letzte charakterliche Nuance der darzustel- lenden Persönlichkeit erfaßt, sodaß z.b. nach dem ersten Akt des Dramas „Die andere Mut- ter" der Theaterarzt mit allen Anzeichen des Entsetzens in ihre Garderobe kam - er glaubte sie ernstl ich krank" und dabei hatte sie nichts anderes getan als die „conditio sine qua non" eines ernsthaft bestrebten Schauspielers erfüllt: sie war „in eine andere Haut geschlüpft". Aber jene Kollegen mit dem Heldenfach haben meist nicht nur edle, sondern auch schaurige Dinge auf der Bühne zu vollbringen. Auch in der letzten Spielzeit, die vorn 15. Juli 47 bis 30. Juni 48 dauerte, war unser Komödi- antenstadl oft auf Rädern unterwegs: Bad Hall, Wels, Krems, Freistadt, Gmunden u.a . In den Ferien war ich mein eigener Direktor und ar- rangierte Tourneen durch Oberösterreich (die gute Mutti Sklenka, Großmutter des jetzigen OFR-Reporters Herbert S.) war unsere liebe Kinderfrau. Letzte Spielzeit 26. September 1947 bis 30. Juni 1948 war dramatisch im ne- gativen Sinn . Der Betrieb kam in die gefürchte- ten roten Zahlen, somal es schon wieder eini- ges fürs Geld gab. Beim Kammerhofer z.B. eine „Dürre" und beim Optiker in der Enge sogar Brillenfassungen aus - Laubsägenholz - das klingt wie ein Witz - der krasse Gegensatz zu heute, wo viele Menschen zuviel von dem be- sitzen, was sie damals zu wenig oder gar nicht besaßen ... Die ideenreiche Direktion hatte infolgedessen eine ganz besonders „attraktive Gala" ange- setzt: Kaimans zugkräftige und beliebte „Gräfin Mariza", und tüchtig werbegetrommelt: „Mariza wird das Ereignis des Tages" u.s.w. Es wurde auch eins, jedoch ein sehr betrübliches, denn am Abend vorher war der neue Tenor aus Wien stockheiser. Treuberg verlor beinah die Nerven und beschwor mich: ,,Roßmann, Sie müssen einspringen, ich kann die Vorstellung nicht absetzen, wir sind ausverkauft! Sie müs- sen uns helfen , koste es w~s rs wolle!" Es ko- stete mir Nerven, die schwere Partie von heute auf morgen zu lernen, ich büffelte bis 4 Uhr früh und fiel todmüde ins Bett - und hatte ei- nen Alptraum - glaubte ich - es war jedoch bru- tale Wirklichkeit. 6 Uhr früh trommelte es vor meiner Wohnungstür „Das Theater brennt!" Bühne und Zuschauerraum blieben aber zum Glück verschont, Garderoben und Nebenräume wurden ein Raub der Flammen. Doch der ge- schockte Direktor wa r unerbittlich: ,,Heute abend wird gespielt, und wenn nötig auf der Gassen! Jetzt sofort eine Probe und dann kommts geschminkt in euren Privatklamotten ins Theater. Und so zogen brave Komödianten am 15. April 48 abends durch das Spalier beifallspendender, jubelnder Theaterfreunde! Es stank im verrauchten Zuschauerraum zwar wie in einer Selchkammer, ,,Gräfin Mariza" aber feierte Triumphe. ,,Allen Gewalten zum Trutz sich erhalten", wie der Weimaraner es sagt. Unvergeßlich! 149 Vorstellungen gab es 1945 bis 1948. Man- che Hits liefen 25 Mal. Wieviel Auftritte wir hatten, wieviel mal wir auf Bühne und Podium in Steyr standen? Bitte, ersparen Sie mir, das auszurechnen! Schulinspektor Kolbe vermittelte uns an fast alle Schulen des Bezirkes und die erste unver- gessene Kulturbetreuerin Fräulein Moser ar- rangierte Dichterlesungen mit uns in der Sch loßkapelle. Wir werden machrnal gefragt: ,,Gabs nicht auch Stolpersteine in eurer Lang- zeitehe mit 2 Töchtern und 4 Enkeln?" Ich sage: ,,Und ob! Aber wir sind halt drüber ge- sprungen! Alfred Polgar, der große Kenner der „Szene" fragte manchmal, warum er gerade bei Schauspielern dem Wunder eines physischen und seelischen Sieges über alle Tücken des Al- ters begegnet. - Weil keine andere Menschen- kaste in die Arbeit, in die Pflicht ihres Lebens so inbrünstig, so unbeschreiblich treu und när- risch verliebt ist, wie es die Schauspieler sind. - Und ich frage mich: Warum immer nur „Seiten- blicke?" Warum nicht auch mal Rückblicke? Und die 50 Jahre nach Steyr?Das ist eine an- dere Geschichte ... 4.500 Interessierte bei „Lamberg' sehen Krippenfiguren 11 Die vom Museum der Stadt Steyr erstmals vollständig gezeigte Sammlung der Lam- berg' sehen Krippenfiguren entwickelt sich zu einem Besuchermagnet: Seit 1. Dezem- ber des Vorjahres besichtigten bereits 4.500 Besucher diese außergewöhnliche Ausstellung im Innerberger Stadl. Die über 200 Figuren. die Gräfin Anna Lam- berg 1914 dem Steyrer Museum als An- denken an ihren verstorbenen Gemahl ge- schenkt hatte, stammen aus mehreren Krippen und spiegeln - vom Barock bis ins Biedermeier - ein farbenprächtiges Bild ih- rer Zeit wider. Die Lamberg'schen Krippenfiguren sind Mi - So von 10 bis 16 Uhr, ab April Di - So und ab November wieder Mi - So, jeweils von 10 bis 16 Uhr, im Mu- seum der Stadt Steyr, Grünmarkt 26, zu besichtigen. ste■r

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