Amtsblatt der Stadt Steyr 1995/5

Vor 50 Jahren ging der Zweite Weltkrieg zu Ende Vor 50 Jahren, am 8. Mai 1945, ging das Völkerringen mit all seinen schrecklichen Auswirkungen zu Ende. Steyr war nie eigentliches Kampfgebiet, wenn man von den Bombenangriffen der Alliierten und den Ereignissen in den letzten Kriegstagen absieht. Doch waren die Leiden und Entbehrungen deshalb nicht viel geringer. Im folgenden Beitrag gibt Dr. Volker Lutz eine Darstellung des Kriegsendes in Steyr. Waren Österreich und Steyr schon durch die Bombenangriffe stark in Mitleidenschaft gezogen worden, wurde unser Bundesland erst in den letzten Monaten des sechs Jahre dauernden Kampfes eigentliches Kriegsgebiet. Das Völkerringen des Zweiten Weltkrieges sollte auch in Oberösterreich zu Ende gehen. Nach Oberösterreich marschierten nicht, wie ursprünglich angenommen, die im süddeut- schen Raum operierenden Truppen der 7. US- Armee, sondern die nördlich davon agierende 3. US-Armee unter General Patton. Diese hatte den Auftrag, "aus dem niederbayerischen ~aum parallel zur böhmischen Grenze nach Südosten vorzustoßen und im Bereich der Ennslinie mit der Roten Armee Verbindung aufzunehmen". Schon am 29. März 1945 waren die Sowjet- truppen an die ehemalige österreichische Grenze im Osten gekommen. Am 4. April besetzte der Marschall der Sowjetunion R. J. Malinovsky mit seiner 3. Ukrainischen Front Preßburg und stieß gegen Wien vor. Am 13. April war der Kampf um die "Gauhauptstadt" beendet. Westlich von St. Pölten blieb aber der russische Angriff lang liegen. Ursprünglich hatten die Amerikaner erwartet, die Sowjets im Raum Salzburg zu treffen. Später rechnete man mit einer Verbindungsaufnahme zwischen Linz und Salzburg. So standen seit Mitte April 1945 die Sowjets und seit Ende dieses Monats die Amerikaner vor den Grenzen Oberösterreichs. Anfang Mai betraten Soldaten des XII. US-Korps im Mühlviertel das Hundesland in Erwartung, auf die vielgenannte "Alpenfestung" zu stoßen, die gar nicht existierte. Bei der Realisierung dieses militärischen Planes wäre Steyr der nördlichste Punkt gewesen. Erst am 14. April 1945 war der Befehl zur Vorbereitung der "Alpenfestung" gegeben worden. Ihre Begrenzung war damals folgendermaßen angegeben: Steyr - Brücken- kopf Salzburg - Tegernsee -Murnau - Füssen - die Allgäuer Alpen - Valluga - Arlberg - Nauders - Stilfser Joch - Ortler - Adamello - Gardasee - Feltre - Karfreit -Karawanken - Unterdrauburg - die "Gunther-Stellung" - Leoben -Dürnstein -Waidhofen/Ybbs - Steyr. 14/ 130 Mit der Verteidigung des oberösterreichischen Raumes seitens der deutschen Wehrmacht war die 487. Ersatz- und Ausbildungsdivision unter Generalmajor Paul Wagner beauftragt worden. Sie unterstand dem stellvertretenden General- kommandoWehrkreis XVII Wien und in weiterer Folge der Heeresgruppe Süd. Am 20. April bildete Wagner fünf Regiments- gruppen, die jeweils ein bis drei Infanterie- bataillone, Volkssturmeinheiten, schwere Infanteriewaffen, lnfanteriepioniere und Infanterienachrichtenzüge umfaßten. Die dritte Regimentsgruppe unter Major Schlesinger stand imRaume Steyr. Insgesamt betrug die Gefechtsstärke der 487. Division - ohne Volkssturm - ca. 10.000 Mann. Erinnerung an das Kriegsende in Steyr Den Deutschen gegenüber stand die 3. US- Armee unter General Patton. Diese verfügte über zwei Armee-Korps, und zwar über das XII. nördlich der Donau und über das XX. Korps südlich der Donau. Dem XX. Armeekorps (Generalleutnant Walton H. Walker) waren die 65. Infanterie- division (Generalmajor Stanley E. Reinhart) und die 71. Infanteriedivision (Generalmajor Willard G. Wyman), die 80. Infanteriedivision (Generalmajor Horace L. McBride) und die 13. Infanteriedivision (Generalmajor John Millikin) unterstellt (insgesamt 120.000 Mann). Die 71. und 65. Infanteriedivision waren bei der Eroberung Oberösterreichs südlich der Donau maßgeblich beteiligt. Für die Amerika- ner waren der Inn und die Salzach die letzten ernsten Hindernisse gewesen. Die Eigenart der genannten Truppenkörper war es, auch in unverteidigte Orte hineinzuschießen, um - so General Patton - "den Beweis zu hinterlassen, daß die 3. US-Armee durch die Stadt gezogen ist"! (Third Army War Memorial.) Die Angriffsrichtung der 71. US-Division war Reichersberg, Obernberg, Ried im Innkreis, Haag am Hausruck und Kematen. Am 4. Mai wurde Wels erreicht, tags darauf die Traun überschritten und Steyr kampflos genommen. In und um Steyr waren vorher ausgedehnte Schanzarbeiten vorgenommen worden, denn den Angreifern sollte der Eingang in die "Alpenfestung" verwehrt werden. Am 2. Mai war aber beschlossen worden, den heranrük- kenden amerikanischen Truppen keinen Widerstand zu leisten und die schon an den Brücken befestigten Sprengladungen zu entfernen. Die 65. US-Division kam dagegen über Schärding, Waizenkirchen, Eferding und Traun an die Enns. Im Unterschied zum Gebiet nördlich der Donau, dem Bereich des XII. US-Korps, waren die Kampfhandlungen südlich des Stromes verhältnismäßig gering. Das XX. US-Korps verzeichnete in der ersten Maiwoche vierzig Gefallene, machte aber in dieser Zeit 323.840 Gefangene. Der 5. Mai war für Oberösterreich der letzte Tag des zweiten Weltkrieges. Die beiden US- Divisionen hatten die Enns erreicht. Am gleichen Tag war der Kommandeur der deutschen 487. Ersatz- und Ausbildungs- division, General Wagner, wegen des Verdach- tes der Zusammenarbeit mit einer österreichi- schen Widerstandsbewegung seiner Funktion enthoben worden. Er kam dann mit seinem Stab bei Waldneukirchen in amerikanische Gefangenschaft. In Steyr war der Befehl vom 2. Mai der kampflosen Übergabe geändert worden. Das sich in der Artilleriekaserne befindliche Militär sollte die Stadt verteidigen. Aus Molln wurde die Panzer-Ausbildungskompanie 130 und das Infanterie-Ersatz-Bataillon II/130 wiederum nach Steyr in Marsch gesetzt. Beide Verbände kamen in Steyr nicht an. Beim Schloß Lamberg, am Ennskai und in der oberen Ölberggasse wurden zusätzliche Panzersperren angelegt. In Stadelkirchen und auf dem Tabor waren Bunkergruben und Schützengräben vorbereitet. Diese sollten mit Volkssturm- einheiten besetzt werden. Volkssturmmänner wurden auch nach Waldneukirchen und nach Aschach/Steyr entsandt, doch wurden sie von den anrückenden Amerikanern entwaffnet und nach Steyr zurückgeschickt. Nach einem Kommandowechsel in Steyr wurde der sinnlose Befehl der Verteidigung zurückgenommen und militärischer Widerstand endgültig untersagt und die Sprengladungen an den Brücken restlos beseitigt. Am Vormittag des 5. Mai 1945 fuhren Schützenwagen und Panzer der 71. US- Division, vom Landeskrankenhaus kommend, in Steyr ein. Die Übergabe der Stadt an einen amerikanischen Offizier erfolgte in der Sierninger Straße durch Bürgermeister Hans Ransmayr, der sich geweigert hatte, die Stadt zu verlassen . Ransmayr geleitete die amerika- nischen Truppen in die Stadt. Im Rathaus ste■r

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