Amtsblatt der Stadt Steyr 1995/4
Arbeitstraining im Wirtshaus Pro mente infirmis, eine Gesellschaft, die sich mit der Betreuung und Wiedereingliederung psychisch Kranker und Gefährdeter beschäf- tigt, eröffnete am 5. April an der Haratzmüller- straße das Cafe und Gasthaus Seidl-Bräu als Arbeitstrainingszentrum. In Steyr gibt es seit 1989 in der Gleinker Gasse eine offene Be- triebsküche als Arbeitstrainingseinrichtung. Räumliche Enge machte eine Übersiedlung in die Haratzmüllerstraße notwendig. Prim. Dr. Werner Schöny, Obmann von Pro mente infirmis, freute sich, ,,daß im Seidl-Bräu optimale Bedingungen gegeben sind, um den von uns betreuten Personenkreis wieder an die Lebensrealität heranzuführen. Wir wissen, daß es gerade die Gruppe der psychisch beeinträch- tigten Personen im Leben sehr schwer hat. Die Behinderungen sieht man ihnen nicht an und daher werden sie oft mißgedeutet mit Faulheit, intellektueller Beeinträchtigung oder Wider- spenstigkeit. In der Region Steyr ist in den letzten Jahren sehr viel geschehen und dank des Entgegen- kommens von Stadt, Arbeitsmarktservice, aber auch den zuständigen Stellen im Land kann man diese Region als Vorbild bezeichnen, was nicht heißt, daß nicht auch hier noch Lücken im psychosozialen Netz bestehen. Es ist jedoch bereits geplant, in absehbarer Zeit die Möglich- keit für stationäre psychiatrische Betreuung in Steyr anzubieten. Weiters sollen Personen, die aus der Großregion hilfsbedürftig sind, auch nahe an ihrem Wohnbereich adäquate Wohn- angebote und Hilfen erhalten, um ihren Tages- ablauf zu gestalten." Frau Vizebürgermeister Friederike Mach, Sozi- alreferentin der Stadt Steyr, würdigte das ,,Trainingszentrum Küche" als aktive und pra- xisnahe Hilfe zur Selbsthilfe und dankte allen Mitarbeitern von Pro mente infirmis für das vorbildliche Engagement. ,,Die öffentliche Hand", sagte Frau Mach, ,,kann Rahmenbedin- gungen schaffen, daß das soziale Netz mög- lichst eng geknüpft wird. Ohne die Unterstützung und die Aktivitäten von Verei- nen und Organisationen, wie Pro mente infir- mis, die konkrete Problemfelder aufgreifen, sich spezieller Gruppen annehmen und diesen Menschen aktiv Hilfe anbieten, wären die Auf- gaben, die sich in diesem Bereich für die öffent- liche Hand ergeben, längst nicht mehr in dem erforderlichen Ausmaß zu bewältigen. Als Sozialreferentin bekenne ich mich daher zu einer entsprechenden Förderung der im Sozial- bereich tätigen Vereine und zur Unterstützung von konkreten Sozialprojekten." Das Arbeitstraining beginnt mit drei Probemo- naten und dauert anschließend 14 Monate. Im Rahmen des Arbeitstrainings soll ein Betriebs- 18/ 98 Frau Vizebürgermeister Friederike Mach dankte namens der Stadt mit herzlichen Worten für die Initiativen von Pro mente infinnis. - Das Gasthaus Seidl-Bräu soll mit seiner traditionellen österreichischen Küche und Gastlichkeit ein Anziehungs- punkt für viele Gäste sein, der ortsansässigen Bevölkerung als gemütliches Kommunikationszentrum dienen und verschiede- nen kulturellen Aktivitäten Raum geben. Fotos: Hartlauer praktikum absolviert werden, das bis zu 4Mo- nate dauern kann. Während dieser Zeit sind die Teilnehmer(innen) weiterhin über das Ar- beitstrainingszentrum bzw. das Arbeitsmarkt- service versichert. Voraussetzung für die Aufnahme ins ATZ ist ein Gespräch mit der je- weiligen Werkstätte sowie eine Antragstellung bei der zuständigen Wohnsitz-Arbeitsmarktser- vicestelle. Die Finanzierung erfolgt durch das Sozialmini- sterium, das Arbeitsmarktservice, die Sozialver- sicherungsträger und die Landesregierungen OÖ und NÖ. Das Personal wird nach einem vereinseigenen Gehaltsschema entlohnt. Die Teilnehmer(innen) am Arbeitstraining erhalten eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhal- tes, Verpflegs- und Fahrtkosten und sind während des Arbeitstrainings voll versichert. Stiften statt stempeln Am Beispiel der 1993 gegründeten „Offenen Arbeitsstiftung Steyr" als Modell der aktiven Zusammenarbeit von Arbeitnehmern und Ar- beitgebern kann man sehen, daß gezielte Hil- festellung mit Aus- und Weiterbildungsprogrammen ein effizientes Instrument zur Bekämpfung von Arbeitslosig- keit ist. BMW, Ennskraftwerke, GFM, Steyr- Daimler-Puch, SKF, Steyr-Nutzfahrzeuge, Steyr Wälzlager und Solvay Ebensee zahlen in einen Fonds. Mit diesem Geld und finanzi- eller Hilfe durch das Arbeitsmarktservice wird Menschen, die ihren Arbeitsplatz verlie- ren, geholfen, einen Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu finden. Stiftungsteilnehmer finden schon am ersten Tag nach Beendigung eines Dienstverhältnisses folgende Kahmen- bedingungen vor: Eine bessere finanzielle Ab- sicherung durch das Ausbezahlen eines monatlichen Stipendiums zum Schulungsar- beitslosengeld und die Finanzierung von Qialifikationskosten. Strategien zum Finden eines Arbeits- oder Ausbildungsplatzes, die in Gruppen erarbeitet werden. Individuelle Um- schulungsschritte und Strategien können mit Unterstützung von Trainerinnen durchge- führt werden. Die Stiftungsprogramme wer- den von Teilnehmern unter betriebsähnlichen Bedingungen absolviert. Unter dem Motto ,,Stiftungszeit ist Arbeitszeit". Die bisherigen Ergebnisse können sich sehen lassen: Die Zahl der Teilnehmer erhöhte sich von März 1994 auf Februar 1995 von 193 auf 376. Gestiegen sind die Austritte aus der Stif- tung von 25 Personen im März 1994 auf 127 bis Februar 1995, wobei hier Austritt aus der Stiftung heißt, daß 95 Prozent in ein Dienst- verhältnis eingetreten sind. An Aktiven be- fanden sich mit Februar 1995 249 Personen in der Stiftung. Für 1995 wird mit einem Zu- wachs von 100 Personen gerechnet. Im Rah- men der „Offenen Arbeitsstiftung Steyr" sind bisher zwei Firmengründungen hervorge- gangen: 1Elektrounternehmen (3 Arbeitsplät- ze) und ein Fahrradhandel mit Reparatur (2 Arbeitsplätze). In Stiftungsbetreuung sind derzeit vier Personen, die ihr eigenes Unter- nehmen konzipieren und aufbauen: eine ge- werbliche Schlosserei, ein Markisen- und Lichtschutzhandel, ein Unternehmen für Wartung und Reparatur industrieller Maschi- nen und ein Elektrounternehmen. Sehr erfolgreich ist auch die Frauenstiftung Steyr: Seit Beginn der Stiftung im Jahre 1993 wurden von 166 Frauen bereits 101 vermit- telt. Die Stiftung betreut Frauen ohne oder ohne verwertbare Berufsqualifikation. ste■r
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