Amtsblatt der Stadt Steyr 1994/11

Liebe Steyrerinnen und Steyrer, zur Halbzeit der Funktionsperiode des Ge- meinderates möchte ich in wenigen Zeilen dar- an erinnern, was wir in den letzten dreiJahren an Initiativen und Projekten aufden Weg ge- bracht haben. Vor dem Hintergrund des Ver- lustes von 7000 Industriearbeitsplätzen und der höchsten Arbeitslosenrate im Land muß- ten wir aus dem Stadtbudget gigantische Be- trägefür Wirtschaftiförderung aufwenden, um im Konkurrenzkampfder Regionen als Wirt- schaftsstandort überhaupt bestehen zu können. Millionen gingen an Steyr-Nutifahrzeuge, BMW, Steyr-Antriebstechnik und eine Reihe mittelständischer Betriebe. Wir haben eine Wohnbau-Offensive mit dem Ziel der Errich- tung von 1300 bis 1400 Neubauwohnungen in sechsJahren gestartet. Zur Halbzeit können wir den Neubau von 800 Wohnungen vor- weisen. Hinter diesen nüchternen Zahlen ste- hen Zuschüsse von bis zu 75 Mill. Saus dem Stadtbudget und der geglückte Versuch, alle Wohnbauträger der Stadt undprivate Unter- nehmen an einen Tisch zu bringen, um ge- meinsam das grefse Aufbauwerk zu realisie- ren. Mit allem Nachdruck haben wir die Ver- kehrsprobleme angegangen: Aufder Grundlage eines umfassenden Generalver- kehrskonzeptes bauen wir in Zusammenarbeit mit Land und Bundesbahnen ein Parkdeck beim Bahnhef, das neben der Funktion als Parkraum zur Drehscheibefür den gesamten öffentlichen Busverkehr werden wird. Mit pausenlosen Interventionen und Vorleistungen aus dem Stadtbudget haben wir erreicht, daß '95 mit dem Bau der Nordspange begonnen wird - ein Projekt, das den innerstädt. Ver- kehrsring massiv entlasten und den Anschluß im Norden an das internat. Verkehrsnerz bringen wird. Wir sanieren und erneuern Brücken (Wiesenberg), nehmen durch den Bau der Gußwerkstr. den Schwerverkehr von der Haager Straße, mit Citybus-Linien wird der öffentliche Nahverkehr ausgebaut und zu- dem wird in Wohngebieten viel in die Ver- kehrsberuhigung investiert. Wir haben einen hoch angesehenen Universitätsprofessor mit der Erstellung eines Stadtentwicklungs-Kon- zeptes betraut. Alle Weichenstellungenfür die Zukunft orientieren sich an dieser Studie. Mit dem Ankaufdes riesigen Stadtgut-Areals, den in bester Wohnlage liegenden Knoglergründen Dieseite ..des . t urgerme1s ers und dem Kaufder ehemaligen Haupt- reparaturwerkstätte der Steyr-Werke zur Er- richtung eines Kommunalzentrums wurden optimale Optionenfür die Zukunftgenutzt. Weil nur in einer bestimmten Zeitphase - und die warjetzt - der Zugriffzu solchen Liegen- schaften möglich ist, mußten wir Hunderte Millionen für Projekte investieren, die weit in das dritteJahrtausend hinein wirken. Weil nur innovative Ausbildung im Hinblick aufWettbewerbifähigkeit in einem weltweiten Verdrängungswettbewerb sinnvoll ist, haben wir mit aller Energie das Forschungszentrum für Arbeit und Wirtschaft aufgebaut. Ich fand zunächst nur wenige Mitarbeiter, die an das Projekt glaubten, heute ist das FAZATeine Einrichtung mit internationalem Standard. In der„ Vereinigung zur Modernisierung der Produktionstechnologien in Österreich" arbei- ten in Steyr Fachleute von Weltrang. Wir ha- ben auch alle Weichen gestellt, daß in Steyr der Fachhochschulstudiengang „Produktions- und Managementtechnik" möglich wird. Ein Schwerpunkt unserer Bemühungen war und ist der Ausbau der sozialen Sicherheit. Ein Jahrzehnt war von der Notwendigkeit einer Geschützten Werkstätte die Rede. jetzt haben wir sie. Wir haben das Einsatz-Zentrum des Roten Kreuzes neu gebaut, die Heim- und Hauskrankenpflege ausgebaut. Im Alten- und [Jlegeheim Tabor werden 65 Mill. S für ein Modernisierungs- und Sanierungsprogramm investiert. Durch einen Beitrag der Stadt in Höhe von sechs Millionen Schilling war es möglich, ein neues Heimfür die Lebenshilfe zu errichten. Viele Millionen flossen in die Siche- rung der städtischen Mülldeponie. Steyr ist ei- ne der wenigen Städte in Österreich, die hier aufjahrzehnte Vorsorge getroffen hat. Wir in- vestieren laufendfür die Sicherung der Trink- wasserqualität und sind beim Ausbau eines flächendeckenden Abfallsystems aufdem mo- dernsten Stand. Ich habe hier einige Schwerpunkte aufgezählt. Mit der Erinnerung an das Aufbauwerk der letzten dreiJahre möchte ich Ihnen sagen, daß wir im Hinblick aufeine verantwortliche Zu- kunftsplanung immer wieder im Zugzwang waren, die günstige Gelegenheit zu nutzen, wie zum Beispiel im Falle des Kommunalzen- trums oder der Stadtgut-Gründe. Wir müssen Geld aufdem Kreditmarkt lei- hen, weil es sich in einigen Fällen um unwider- bringliche Gelegenheiten handelt. Diefinanzi- elle Krise ist vor dem Hintergrund zu sehen, daß Steyr 7000 Industriearbeitsplätze verloren und die marode Industrie 10Jahre keine Ge- werbesteuer gezahlt hat. Die Stadt mußte aber Hunderte Millionen aus dem Budget-Topf nehmen, um überhaupt Betriebsgründungen zu bekommen. Dieses Geldfehlt uns sehr. Denn Wirtschaftiförderung ist nicht Sache der Stadt, sondern des Landes. Das ist aber noch nichtgenug: die neue Steuerreform mindert unsere Einnahmen um 35 Mill. S. Noch nie war die Erstellung eines Budgets so schwierig wiefür 1995. Wir müssen uns dem Diktat der leeren Kassen beugen. Ich bitte nur um Verständnis, wenn vieles nicht mehr im der- zeitigen Ausmaß möglich ist. Wenn auch mo- mentan diefinanzielle Situation schwer drückt, bin ich zuversichtlich, daß auch wieder bessere Zeiten kommen. Steyr hat in seiner 1000jährigen Geschichte Krisen stets gemei- stert. Zum Schluß noch ein Wort in eigener Sache: Ich bin tief betroffen über das Kesseltreibenge- gen meine Person im Zusammenhang mit dem Kaufeines Hauses im Wehrgraben, in dem ich seit 18Jahren wohne und das nun vom Eigentümer aufgrund der Schätzung ei- nes gerichtlich beeideten Sachverständigen zum Kaufangeboten wurde. Das im Hochwasser- bereich liegende Haus mußmit Millionenauf wand von Grund aufsaniert werden, damit ich mit meiner Familie überhaupt noch weiter drinnen wohnen kann. Was für jeden anderen Bürger ein normaler Vorgang ist, wird in mei- nem Fall aus politischen Gründen zu einer medialen Schmutzkübel-Kampagne benutzt, die nur möglich ist, weil politische Mandatare die Verleumdung heftig schüren. Ich wünsche mir im zwischenmenschlichen Umgang doch ein Mindestmaß an Fairnef?, die man viel- leicht auch dem Bürgermeister zukommen las- sen könnte.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2