Amtsblatt der Stadt Steyr 1994/5

Aufschwung für alle Wirtschaftsbereiche Die österreichischen Eisenstraßen-Vereine haben am Institut für Tourismus der Wirt- schaftsuniversität Wien eine Studie in Auf- trag gegeben, die die Möglichkeiten und Chancen dieses Projektes genauer untersu- chen sollte und gleichzeitig Organisations- und Förderungsstrukturen für eine erfolg- reiche Umsetzung erarbeiten sollte. Diese Studie wurde in Form eines Projektsemi- nars entwickelt. Dieses Projektseminar hat einen zentralen Stellenwert in der Ausbildung der Studen- ten des Instituts für Tourismus und Frei- zeitwirtschaft, da hier wissenschaftliches Arbeiten und Managementfähigkeiten an einem realen Projekt trainiert werden kön- nen. Die Zusammenarbeit mit der Wirt- schaft ermöglicht den Studenten, ihr Wis- sen auf eine konkrete Problemstellung anzuwenden, Unternehmen profitieren hin- gegen vom wissenschaftlichen Zugang der Studenten zur Aufgabenstellung. Die Auseinandersetzung mit dem Drei- Länder-Projekt Eisenstraße war für das In- stitut eine besonders reizvoJJe Aufgabe, weil dieses Projekt hinsichtlich seiner Di- mension und der involvierten Wirtschafts- bereiche und Organisationen einzigartig in Österreich ist. Es handelt sich bei diesem Projekt nicht nur um ein touristisches Ent- wicklungsprojekt, sondern es soll damit die wirtschaftliche Belebung einer ganzen Region erreicht werden. Ziel des Projektseminars war es, die Rah- menbedingungen für das Drei-Länder-Pro- jekt zu analysieren und entsprechende Empfehlungen für die Realisierung des Projekts abzugeben. Die Studenten be- schäftigten sich dabei vorwiegend mit organisatorischen Fragen, aber auch För- derungsmöglichkeiten für das Projekt wur- den durchleuchtet. Eines der Studenten-Teams suchte, analy- sierte und bewertete vergleichbare Projek- te im In- und Ausland (v.a. Themen- Regionen in Deutschland und Großbritan- nien). Gegenstand der Analysen waren die Entwicklungsgeschichte, Ziele, Aufbau- und Ablauforganisation sowie Marketing- aktivitäten dieser Projekte. Dabei zeigte sich, daß klar formulierte Zielsetzungen und eine straffe Organisation mit klaren Kompetenzen für den Erfolg eines Projekts maßgeblich sind. Als erfolgreiche Projekte vergleichbarer Größenordnung sind hier der Emscher Park (Deutschland) und Iron- bridge (England) zu nennen. Die bestehenden Organisationsstrukturen der drei Eisenstraßen-Vereine in Nieder- österreich, Oberösterreich und der Steier- mark sowie der Arbeitsgemeinschaft Österreichische Eisenstraße bildeten den Schwerpunkt genauer Untersuchungen ei- ner weiteren Studentengruppe. Darüber hinaus untersuchten die Studenten auch die informellen Systembeziehungen sowie Ideenfindungs- und Entscheidungsprozes- se mit Hilfe von Experteninterviews mit STEYR Vertretern aller beteiligten Organisationen. Deshalb beschäftigten sich die Studenten sehr ausführlich mit der Einbettung eines derartigen Projektes in das System Frem- denverkehr und mit theoretischen Ko- operationsmodellen. Abgeleitet von der NATO bzw. OECD (Koordinationstheo- rie) sowie der ILO (International Labour Organisation, Harmonisierungstheorie) wurde versucht, ein "theoretisches Ideal- modell" für die Organisation des Projektes Eisenstraße zu entwerfen. Die Studenten- gruppe kommt dabei zu dem Schluß, daß eine formelle, übergeordnete Institution - mit Entscheidungsbefugnis und den entsprechenden Sanktionsmöglichkeiten - notwendig ist. Daraus läßt sich ableiten, daß jetzt in die Entstehung/Ausgestaltung einer derartigen Stelle investiert werden muß, um in Zukunft immer wieder auftre- tende Diskussionen und daraus entstehen- de Verzögerungen zu vermeiden. Dies entspricht theoretisch dem Modell der Ko- ordinationstheorie, die zu Beginn bei der Entstehung der übergeordneten Institution langwierig sein kann, aber in Folge effizi- entes, langfristig ausgerichtetes Arbeiten ermöglicht. Auch analysierten die Studenten mögliche Förderungen für das Projekt und hier kam die Problematik der lntransparenz und Kompetenzüberschneidung zwischen Bund und Ländern in der österreichischen Förderungslandschaft voll zum Ausdruck. Ein bereichsübergreifendes Projekt, das noch dazu mehrere Bundesländer invol- viert, stößt auf fast unüberwindliche Schwierigkeiten. Häufig ist die simultane Förderungszusage von mehreren Ministeri- en und Landesabteilungen notwendig, was unweigerlich zu einem "Spießrutenlauf' zwischen den betroffenen Stellen führen muß. Die Studenten kommen zum Schluß, daß in dieser Situation Gemeinden und Länder gemeinsam für das Projekt Druck erzeugen müssen und sich geeignete Pro- motoren suchen müssen, die gute Kontakte zu den informellen Kanälen in den Mini- sterien haben. Nur so kann eine rasche Ko- ordination der einzelnen Ministerien vor- angetrieben werden. Vor allem "ad hoc- Förderungen", wie z.B. die "Strukturmilli- arde" müssen durch persönliches Engage- ment ausfindig gemacht und akquiriert werden. Region und Geschichte Ist von der Österreichischen Eisenstraße die Rede, sind drei Bundesländer ange- sprochen - Niederösterreich, Oberöster- reich und Steiermark. Historisch genau ge- nommen zieht die Eisenstraße vom Steirischen Erzberg nach Süden ins Murtal und nach Norden zur Donau - nicht als Li- nie, sondern als verästelte Lebensader durch das Land der "Eisenwurzen". Der Erzabbau, die Verhüttung des Eisener- zes, Transport, Lagerung, Handel und Ver- arbeitung zu vielerlei Werkzeug und Waf- fen, die Nutzung der Wasserkraft, die Gedruckt auf umweltfreundlichem. chlorfrei gebleich1em Papier BereitsteJJung von Holzkohle für die Rad- und Hammerwerke und nicht zuletzt der Proviant von den Bauern im Alpenvorland - aJJ das griff eng ineinander und prägte ei- nen geschlossenen Wirtschafts- und Kul- turraum. Am Beispiel der Stadt Steyr und ihrer Umgebung ist die ganze Bandbreite vom kleinen Eisenverarbeiter (Steyrdorf) über die weitreichenden Handelsverbin- dungen (Stadtplatz) bis zur beginnenden (Groß)Industrie (Steyr-Werke) abzulesen - aber auch die Tatsache, daß die eisernen Produkte nicht alle gleich gut leben ließen und natürlich nicht immer nur für fried- liche Zwecke hergestellt wurden. Erst mit der beginnenden Industrialisie- rung erlosch die Zeit der "schwarzen Gra- fen", wie die großen Hammerherren in der Eisenwurzen einst genannt wurden. Ge- blieben sind die Denkmäler dieser eisernen Vergangenheit, manchmal nur noch als Ruinen, aber sehr oft - für viele vielleicht überraschend - noch als aktive Betriebe. Geblieben ist viel von dieser Baukultur, vom einfachen Bauernhaus über stattliche Hammerherrenhäuser oder die charakteri- stischen Kästen, die ehemaligen Getreide- und Eisenspeicher, bis zu den großartigen Fassadenpromenaden der Städte. Mit dem Niedergang der wirtschaftlichen Monokultur Eisen geriet auch die Identität der ganzen, riesigen Region mehr und mehr in Vergessenheit. Abgesehen von vielfältigen wirtschaftlichen Nöten führt die Eisenstraße formal heute nur mehr als B 115 von Steyr nach Leoben, die Einhei- mischen leben im Ennstal, in der Statutar- stadt Waidhofen oder im Bezirk Liezen, und ihre Gäste machen Ferien in Pyhrn-Ei- senwurzen, im Ötscherland oder in den Wildalpen. Die Region besitzt einen faszi- nierenden Landschaftsrahmen zwischen den Eisenerzer Schieferbergen und den Hügeln des Mostviertels, der Karstwüste des Toten Gebirges und der Waldwildnis am Ötscher. Die ganze Entwicklung dieser Region hat unbezahlbare Chancen hinterlassen: das Gebirge mit seinen Bodenschätzen, Was- ser und Wald mit ihren Energiereserven und ein faszinierend vernetztes Stück Wirtschaftskultur und Wirtschaftsstruktur. Das Ende der "großen Zeit" ersparte der Eisenstraße das Umwelt-Schicksal vieler jüngerer Industriegebiete. Die einst inten- siv genutzten Waldreviere wie etwa das Reichraminger Hintergebirge oder das Salzatal blieben (oder wurden wieder) großflächige, weltentlegene und fast unbe- siedelte Naturreservate, die es teilweise schon zur Nationalparkwürdigkeit ge- bracht haben. Das Wasser blieb ursprüng- lich, die Orte der Gegend treu, die Bauern seßhaft und der Tourismus natur- und menschenkonform. Auf diesen Chancen aufbauend, ent- wickeln die Eisenstraßen-Vereine ihre Ak- tivitäten und Projekte, die zusammen ein einzigartiges Regional-, Wirtschafts-, Kul- tur- und Tourismusprojekt bilden. 21/133

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