Amtsblatt der Stadt Steyr 1993/5

,,Bit" - Die Maß- einheit der Informa- tionsgesellschaft Die Ausstellung "Info. Eine Geschichte des Computers" zeichnet die Konturen des Menschheitsprojekts der globalen Digitalisierung nach - vom Protocom- puter, der Fähigkeit der ganzheitlichen Wahrnehmung und Bildung der Zähl- einheiten über einen stufenweisen Abstraktionsprozeß bis zur universellen zahlenmäßigen Auflösung der Wahr- nehmung in die binären Zeichen O und l der virtuellen Realität, vom archai- schen Kerbholz bis zum Bit, der ' Maßeinheit der Informationsgesell- schaft. Die Geschichte des Rechners präsentiert sich hier nicht als eine spezi- elle Technikgeschichte, als der im nach- hinein folgerichtig konstruierte Verlauf einer als beständig, geradlinig gedach- ten Weiterentwicklung von Technolo- gie, sondern als die komplexe Geistes- geschichte einer fundamenten Idee: der Idee der Formalisierung, der Trennung von Syntax und Sematik, der Kalküli- sierung des Denkens. In der abendländischen Zeitmessung sehen wir in musterhafter Weise die Mechanisierung einer Idee, wie sie im Zahlendenken selbst schon angelegt ist: die Konstruktion der Uhr - dem Proto- typen der informationsverarbeitenden Maschine - exemplifiziert die Ideenge- schichte einer aus dem Zahlendenken heraus entstandenen Modellbildung, die sich in der Entwicklung der Rechenau- tomaten als Ideengeschichte der Infor- mationsverarbeitung schlechthin wie- derholt. Der Computer wie auch die Uhr sind nicht bloß Werkzeug, einfache Hilfsmittel zur Erleichterung des Lebens - sie definieren in hohem Maß unsere ökonomische, soziale, kulturelle Realität. Mit der konsequenten Digitali- sierung aller Lebensbereiche entsteht eine maschinell kalkulierte Wirklich- keit, ein syntaktisch geformtes Welt- bild, dessen Struktur - wie könnte es anders sein, wo doch gilt. "the medium is the message" - auf Art, Inhalt und Wertigkeit der reflektierten Sinneszu- sammenhänge zurückwirkt. Mit der Elektrifizierung der Rechen- technik sind die plumpem, klappernden, nach Öl riechenden Rechenmaschinen ihrer bescheidenen Rolle als Golem, als dienstbarer Knecht, entwachsen und haben, für manche zumindest, schon die Gestalt eines Zauberlehrlings angenom- men, der uns - den digitalen Spiegel des Narziß vorhaltend - mit der Frage konfrontiert: Sind wir Menschen wirk- lich mehr als nur komplexe Automaten? Die Ausstellung im Museum Industriel- le Arbeitswelt, Steyr, Wehrgrabengasse 7, ist täglich außer Montag von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Voranmeldung für Führungen unter Tel. 07252/67351.

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