Amtsblatt der Stadt Steyr 1991/6

Vizebürgermeister Hermann Leithenmayr gab als Sprecher der sozialistischen Ge- meinderatsfraktion im Steyrer Gemeinderat folgende Stellungnahme zum Thema Volks- hilfe. Im folgenden auch Zitate der anderen Fraktionssprecher des Gemeinderates. "Ich möchte diese Aktuelle Stunde dazu be- nützen, um eigentlich auf einen Umstand hin- zuweisen, der gar nicht aktuell ist und ich erlaube mir, das ein wenig zu begründen. Es geht um die Problematik rund um die Volkshilfe und um die Zeitungsmeldungen, die diesen Problemkreis immer wieder zur Diskussion stellen und natürlich für eine ge- wisse Pseudo-Aktualität sorgen. Ich möchte ganz kurz sagen, daß der Verein Volkshilfe in Steyr einen Vorläufer hatte. Man muß dies aus historischer Sicht betrachten. In den 30er Jahren ist aus der Not in unserer Stadt und in unserem Bezirk eine Selbsthilfeorganisation, die sogenannte sozialistische Arbeiterhilfe, entstanden. Steyr war und ist teilweise beson- ders stark von diesen wirtschaftlichen Schwierigkeiten geprägt. Daher war diese Selbsthilfeorganisation auch in ihrem Um- fang sehr stark. Die SAH hat während der ganzen ersten Republik bestanden und nach 1945 ist dieser Verein wieder gegründet wor- den. In den Jahrzehnten seither sind immer mehrere hundert Personen tätig gewesen und haben versucht, Geld zu sammeln, um es jenen Menschen, die unverschuldet in Not geraten waren, zukommen zu lassen. Dieses Sammeln ist übrigens während der ganzen Zeit unter der Fahne der Volkshilfe von sozialistischen Vertrauenspersonen durchgeführt worden, und zwar ausschließ- lich von diesen. Niemand anderer hat in Steyr für die Volkshilfe gesammelt. In den letzten Jahren istdie Umgliederunge1folgt. Die SAH, die sozialistische Arbeiterhilfe, ist in der Volkshilfe aufgegangen und man hat hier, weil .die Arbeit von denselben Funktionären erledigt wurde, eigentlich kaum Veränderun- gen innerhalb dieser Organisation wahrneh- men können. Es waren die handelnden Perso- nen die gleichen sowie Art und Methode der Sammlung blieben gleich. Das gesammelte Geld ist ähnlich wie vorher an unschuldig in Not geratene Mitbürgerinnen und Mitbürger verteilt worden. Es wurden aber auch einige soz ial e Aktionen von Organisationen mitunterstützt. Die Funktionäre, die diese mühselige Sammeltätigkeit und Verteilungs- tiit igkeit übrigens durchwegs ehrenamtlich vorgenommen haben, haben sich beim Spen- den an das Bibelwort gehalten, daß die eine l lamJ 11id1t wisse11 sull, was die a11Liere tut. Eigen tlich ein sehr guter Grundsatz. Man soll ja niemandem vorwerfen, was man ihm gege- ben hat. Es hat aber auch andere gegeben, die das nicht so gesehen haben. Und die haben , während die anderen gesammelt haben, um den unschuldig in Not geratenen Mitbürgern helfen zu können den Statuten der Volkshilfe eine enge Auslegung verpaßt. Und sie haben geschrien und geschrieben und das bis zum heutigen Tag, es sei hier eine Parteien- finanzierung imGang. Das ist das Vehikel,auf dem das Ganze transportiert wird. Seither wird wöchentlich über die Volkshilfe und über unseren Bürgermeister Schwarz ge- schrieben. 8/156 Obwohl der Rechnungshofbericht nicht vor- liegt und auch sonst kein Beweis, daß sich unser Bürgermeister Schwarz unehrenhaft verhalten hätte, gegeben ist, meinen manche Journalisten - und auch manche Politiker - Schwarz sollte zurücktreten. Bürgermeister Schwarz hat aber bei den Vor- wahlen zur Kandidatenerstellung für die Gemeinderatswahl 96,5 Prozent der Stimmen erhalten. Das ist ein Beweis für seine Popula- rität. Diese Zustimmung der Basis haben wir auch versucht, den Medien näher zu bringen. Dieser Erfolg konnte trotz dieser Kampagne, die stattfindet, erreicht werden. Wir haben aber trotz Presseaussendung nicht erreichen können, daß dieses gute Vorwahlergebnis unseres Bürgermeisters berichtet worden ''Aktuelle Stunde" zum Thema Volkshilfe im Gemeinderat wäre. Jedenfalls in den meisten Zeitungen nicht. Im Steyrer Gemeinderat - das möchte ich hier besonders erwähnen - haben ÖVP und KPÖ unseren Bürgermeister niemals attackiert. Wir stellen allerdings fest, daß hier der FP-Landesobmann Gugerbauer und der Grüne Anschober ständig den Rücktritt unse- res Bürgermeisters verlangen und dies, ob- wohl eigentlich, was mich freut , unsere Kolle- gen Eichhübl und Holub unisono und aus- drücklich erklärt haben, daß sie gegenwärtig - so habt ihr damals gesagt, - keinen Grund für einen Schwarz-Rücktritt erblicken. Was an Fakten übrigbleibt, das sollten wir uns doch einmal vor Augen führen und auch den Medien deutlich darlegen . Wir als Gemeinde spenden nämlich für die notle idenden Kurden, für die Rumänen und die Bedürftigen in der Sowjetunion. Ich finde es auch gu t und richti g, nur für unse re a1111en Mitbrüder auf der Ennsleite und für die a1111en Mitschwestern in Münichholz, für die haben wir kein Geld mehr zur Verfügung. Es wird nämli ch aufgrund der Med ienhetze nie- mand mehr sammeln gehen. Der Vorstand der Volkshilfe hat sich nicht davongeschlichen, wie das geschrieben wurde, sondern ist attackiert und diffamiert worden. Und die Mitglieder des Vorstandes haben ordnungs- gemäß bei einer Generalversammlung ihre Funktionen zurückgelegt. Bisher hat sich lei- der niemand gefunden, der diese undankbare Aufgabe wahrnehmen würde. So schaut es in Wirklichkeit aus. Aufgrund dieser Meldun- Gedruckt auf umweltfreundlichem. ch lorfrei geble ichtem Papier gen, die ständig transportiert werden, will auch niemand mehr spenden. Das bedeutet in Wirklichkeit und das ist das Faktum, daß diese Selbsthilfeorganisation, diese Nachbar- schaftshilfe, von der viele sprechen, eigentlich zu Fall gebracht worden ist. Es ist meiner Meinung nach ein Scherbenhaufen, der übrig- geblieben ist und ich glaube, daß er in Wirk- lichkeit einzuordnen ist unter die Kategorie billigster Wahlkampf. Und zwar auch deswe- gen, weil nicht nur versucht wird, dem Spitzenkandidaten der sozialistischen Frak- tion, Bürgermeister Schwarz, sondern auch dem Spitzenkandidaten für die Landtagswahl, dem Landesrat Klauberger, der nie mit dieser Sache befaßt war und daher auch niemals Empfängereines Rechnungshofberichtes sein konnte, dem wird auf einmal auch unter- schoben und unterstellt, er würde einen Rechnungshofbericht geheimhalten und ihn in derLade haben. Daraus leitet sich eigentlich ab, was nicht aktuell ist. Damit komme ich schon zum Schluß. Bürger- meister Schwarz wird wegen solcher durch- sichtiger Wahlkampfmanöver sicher nicht zurücktreten. Ich möchte bei dieser Gelegen- heit auch im Namen der sozialistischen Gemeindefraktion sagen, aber auch im Na- men der sozialistischen Partei, daß die sozia- listische Fraktion im Steyrer Gemeinderat mit Bürgermeister Schwarz an der Spitze in die- sen Gemeinderatswahlkampf hineingehen wird. Ich zweifle auch nicht daran, daß er nicht nur die Zustimmung der Sozialisten und deren Sympathisanten in diesem Bereich, sondern auch anderer breiterer Bevölkerungs- schichten finden wird. Weil er dafür steht, daß jeder, der zu ihm um Hilfe und um Rat kommt, seine Unterstützung findet. Er ist für jeden bereit, sich einzusetzen und daher ein wirklich ausgezeichneter, ein guter Bürgermeister für alle Steyrer." Vizebürgermeister Karl Holub (VP): "In Anbetracht der Attacken - da sage ich auch sehr geehrter Herr Bürgermeister - gilt für mich ein Rechtsgrundsatz, der in Österreich der unumstrittenste sein soll, den es gibt: die Unschuldsvennutung. Darum schließe ich mich an die Attacken auf Bürgermeister Schwarz nicht an und darum hat sich auch die Österreichische Volkspartei an diesen Attacken nicht beteiligt. Darum! Nicht weil - w,e ich es einmal in einer netten Flugschntt gelesen habe - wir alle "verpackelt" sind, son- dern darum, weil der oberste Rechtsgrundsatz für alle Menschen gelten muß. Auch für die erste Person des großen Wettbewerbes im politischen Leben. Ich lehne es ab, in der zweiten Republik Österreich von politischen Feinden zu sprechen. Und wenn ich das ableh- ne davon zu sprechen, dann muß ich auch versuchen danach zu leben. Vielleicht erreicht man damit nicht die großen Schlagzeilen. Vielleicht erreicht man damit nicht die lär- mende Propaganda. Aber vielleicht wird es einem dadurch möglich, der Politik ein Ge- sicht zu geben, das trotz all der Widerwärtigkeiten, die es auch in der Politik STEYR

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