Amtsblatt der Stadt Steyr 1991/4

Man erfährt aber auch vom Einsatz der Kir- che imKampf um größere soziale Gerechtig- keit in aller Welt und im eigenen Land, vom Widerstand mutiger Christen gegen Unrecht und Diktatur, vom Eintreten der Kirche für die Rechte der benachtei ligten und Schwä- cheren in der Gesellschaft. Der Besuch der Ausstellung wird allen Gä- sten, welcher politischen und weltanschaul- ichen Position sie immer nahestehen, eine Fülle von Anregungen, Fragestellungen und neuen, sicher oft überraschenden Gesichts- punkten vermitteln. Und vielleicht findet mancher Besucher sogar zum persönlichen Engagement für die Zukunft unserer ge- meinsamen Welt, die Engagement möglichst vieler verantwortungsbewußter Menschen auch dringend nötig hat. Wenn das gelingt, wäre es der schönste Erfolg der Ausstellung. Sonderausstellung ZEIT-GERECHT im Museum Industrielle Arbeitswelt, Wehr- grabengasse 1 - 7, 4400 Steyr, Tel.: 07252/ 67351 Wissenschaftliche Leitung: P. Alois Riedls- perger, Emmerich Talos. - Künstlerische Ge- staltung: Hans Hoffer. - Dauer der Ausstel- lung: 12. April bis 31. Dezember 1991. - Öffnungszeiten: Di - So, sowie an Feiertagen, von 10 bis 17 Uhr. - Eintrittspreise: Einzel- person: S 50.-; Familien (Eltern, Kinder bis 14 Jahre): S 90.-; Gruppen ab 8 Personen, pro Person: S 40.-; Schülergruppen, pro Person: S 15.-; Ermäßigungskarte für Schüler, Studenten, Pensionisten, Arbeitslo- se, Versehrte, Präsenzdiener, Zivildiener: S 30.-. Ausstellungsführung: (2 Stunden, max. 25 Personen je Gruppe) S 300.-. Ort des Nachdenkens Das Museum Arbeitswelt in Steyr hat sich bei seiner Gründung 1987 zum Ziel gesetzt, ein Ort des Nachdenkens über das Woher und Wohin der Industriegesellschaft zu sein. Mehr als eine halbe Million Menschen haben seither unsere verschiedenen Ausstellungen besucht. Eine Vielzahl von Veranstaltungen, Symposien und Tagungen diente der kultu- rellen und intellektuellen Auseinanderset- zung. Unser Anliegen ist es, fernab tagespolitischer Rücksichtnahme und regionaler Begrenzt- heit, auch ein Ort des Dialogs und der Dis- kussion zu sein. Es ist nicht nur das Jahrhundertjubiläum von "Rerum novarum", das eine intensive Beschäftigung mit der katholischen Soziallehre nahelegt. Gerade in Zeiten des Umbruchs und der Verunsiche- rung, wie wir sie gegenwärtig erleben, hat die katholische Kirche außerordentlich We- sentliches zu fragen. Der Sozialhirtenbrief der österreichischen Bischöfe ist ein Doku- ment, dessen Bedeutung über unsere Zeit hinaus reichen wird. Der Geschichte und STEYR damit auch der Wandlungsfähigkeit der Ka- tholischen Soziallehre im Verlauf eines Jahrhunderts will sich unser Haus öffnen. Wir haben ein Team von kritischen und en- gagierten Wissenschaftern gefunden, das versucht, unvoreingenommen Bilanz zu zie- hen. Wir freuen uns aber auch über die vielen Mitstreiter in Hierarchie und Struktur der beteiligten Diözesen Linz, Salzburg und St. Pölten. Diese Zusammenarbeit ist nicht nur für das Gelingen der Ausstellung von Bedeu- tung. Sie ist auch ein Zeichen dafür, daß sich neben der erstarrten politischen Kultur in dieser Republik auch neue Perspektiven der Bewältigung der gegenwärtigen Probleme abzeichnen. JOSEF WEIDENHOLZER Kurzbiographie: Univ.-Prof. Dr. Josef Weiden- holzer, geb. 1950 in St. Florian am Inn, lebt in Linz. Seit 1983 a. o. Univ .-Professor für Gesellschaftspolitik und Sozialpolitik an der Jo- hannes Kepler Universität Linz. Leiter des Forschungsinstituts für Sozialplanung an der Uni- versität T ,in7,, das sich mit Fragen der Zukunft der Arbeitnehmer beschäftigt. - Vorsitzender des Vereins Museum Arbeitswelt, Steyr; Vorsitzen- der der oberösterreichischen Volkshilfe. - Autor zahlreicherPublikationen zur politischen Theorie, Sozialpolitik und Geschichte der Arbeitswelt, u. a. "Auf dem Weg zum neuen Menschen" (1981), "Der sorgende Staat" (1985), "Der österreichische Weg - Einsichten, Aussichten" (1989). ZEICHEN-LESE Auf dem Weg nach Steyr Stephansdom, Innenstadt, Karlskirche, Palais Schwarzenberg, Haashaus, Adelspaläste, Kirchenpaläste, Konsumpaläste - Ge- schwindigkeitsbegrenzungen - Stadtausfahrt Wien-West, Villen, Schrebergärten, Auto- stopper, Tankstellen, Autobahnauffahrt, Ge- schwindigkeit 130 km/h... Auf der Autobahn wurde der Titel der Aus- stellung geboren: Zeit-gerecht - und dieser Vorgang erscheint mir wahrhaft zeitgerecht. Auf den Autobahnen ist man Gott nahe, sie werden befahren, um Zeit zu gewinnen, und der Gerechtigkeitssinn wird anhand fehlen- der Fairness, forcierter Geschwindigkeiten und der Verkehrsregeln herausgefordert. Titelfindung als "Autobahnspiel" im mobi- len Büro, nicht als Seminar in Findungs- kommissionen. Ein Spiel, ein vergnügliches sogar, soll auch der Ausstellungsbesuch werden, kein didak- tischer Lehrpfad, kein trockener Weg der Schulmeisterei, sondern ein funkelnder Kri- stall mit assoziativen Feldern der eigenen Phantasie, in den geschliffenen Flächen bricht sich die Wirklichkeit. Draußen entschwindet die Landschaft, drinnen im Auto wächst das Gedankenspiel, die Wahrnehmung verlagert sich nach innen. Außenbilder - Innenbilder, Exil Melk, das prachtvoll-barocke Benedik- tinerstift, wo wohnt Gott? Der ganz reale Kampf der Priester in Län- dern der sogenannten Dritten Welt fällt uns ein, das politische Engagement der Katholi- ken in Polen, wo "wohnt" Gott mehr? Im Blick nach draußen: die Donau, der alte Fluß, darüber Maria Taferl, später Enns, St. Florian, überall die Kirchen als beeindruk- kende Zeichen in der Landschaft, auch alt- gewordene Zeichen in unserer spät- industriellen Gesellschaft; daneben die Si- los, Siedlungsbauten, Industrie... Steyr dann, Annäherung von oben, das Klo- ster, die Kirchtünne und Dachlandschaft, die Schlote und Werke ragen heraus, unten dann geduckt die Arbeiterhäuser, der Wehrgraben und endlich die industrielle Arbeitswelt, museal in der ehemaligen Fabrik. Gott in die Fabrik, ins Museum tragen oder aufspüren? Die Zeichen mischen: Fabrikshalle wird Kathedrale, Barock wird Industriedesign, Schweißtuch wird Schweißtisch, Hammer wird Kreuz, Kreuz wird Mensch, Mensch wird Stahl und ragt aus der Mitte des Flusses, sein Herz ist eine Digitaluhr... HANS HOFFER Kurzbiographie: Hans Hoffer, geb. 1948. - Studi- en an der Akademie für Musik und darstellende Kunst, der Akademie der bildenden Künste in Wien, sowie an der Akademie in Nizza, Frank- reich. Arbeiten in der Wiener Avantgarde und für viele große europäische Bühnen und Opernhäuser; seit ca. 10 Jahren verstärkte Auseinandersetzung mit Ausstellungs- und Museumsinszenierungen, so- wie mit Architektur. Die Besonderheit liegt hier auf dem inneren Erle- ben der Besucher, bzw. der Zuschauer, dieser wird zum Akteur seiner eigenen Phantasie erklärt, die Inszenierung soll lediglich eigene Bilder in Bewe- gung setzen. Hans Hoffer schuf z. B. die künstlerische Urkonzeption des Museums Industrielle Arbeits- welt, er inszenierte zuletzt "Salome" als Gesamt- kunstwerk im Brucknerhaus und aufder Alhambra in Spanien. In Vorbereitung sind: Die Klangwolke 1991 Linz, ein großes Landschaftstheater in der Schweiz, ein Musilmuseum, die Landesausstellung OÖ 1992, Elektra von Richard Strauß wieder mit Hildegard Behrens und Franz Weiser-Mösl. Hans Hoffer lebt in Wien und in einem ehemaligen Kloster an der Donau. UM KINDER UND JUGENDLICHE an die Problemstellungen kathol ischer Soziallehreheranzuführen, bietetdie päda- gogische Abteilung des Museums umfang- reiche und individuelle Betreuung für Schulklassen und Jugendgruppen. Das Angebot reicht von lernzielorientierten bis zu kommunikativen und offenen, didak- tischen Modellen. 13/101

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