Amtsblatt der Stadt Steyr 1991/1
Prioritäten setzen VizebürgermeisterKarl Holub (VP) verlangte in seiner Budgetrede die Erstellung einer Prioritätenliste für kommunale Projekte und dazu ein Investitions- und Finanzie- rungskonzept sowie genauer Untersuchung der Folgekosten. Dazu Holub wörtlich: "ln Anbetracht der aufgezeigten Schere zwischen der Finanzkraft und der Ausgabewucht wird es immer notwendiger sein, eine Kosten-Nut- zen-Gewichtung darzustellen und auch eine Ausgabenprognose aus der getätigten Investition anzustellen....Es wäre ein völlig falscherBegriffvon Gemeindeautonomie und Liberalität, würde man annehmen, daß man im Erstellen von Grundsätzen seine eigene Handlungsspielweise oder seinen eigenen Handlungsspielraum einschränken könnte. Im Gegenteil , nur dann, wenn wir in Zukunft die Kosten einigermaßen abschätzen können, wird es uns gelingen, den verbleibenden Freiraum auch konzeptiv zu gestalten und nicht von einem fast unfinanzierbaren Vorhaben in das andere hineinzutaumeln. Die Schere, die sich vor uns auftut, zeigt dieGefahr. lch sage nicht, daß sie schon real existiert, aber die Gefahr besteht und nur mit vernünftigen Konzepten und sehr kaufmännischem Verhalten werden wir uns hier richtig in die Zukunft bewegen können.... Dieses Budget zeigt keine beeindruckenden Ansätze für neue Strategien. Im wesent lichen wird Kanalbau und damit zusammenhängend der Straßenbau weitergemacht, und im we- sentlichen werden Pflichtausgaben aus dem Sozialbereich, die immer erdrückender wer- den, weitergeschrieben. Die eigentliche Auf- gabenstellung in diesem letzten Jahrzehnt des letzten Jahrtausends erfüllen wir aber mit die- sen Budgetstrukturen durchaus nicht, nämlich die Aufgabenstellung, die heißen müßte, neu ordnen. Wir haben jetzt in dieser Zweiten Republik nach dem Krieg jedenfalls 45 Jahre Frieden in einem System, das sicherlich auch der Selbstkontrolle bedarf.Nicht im Sinne von Kontrollamt und Rechnungshof, natürlich, das sind nützliche Sachen, aber auch im Sinne der Selbstkontrolle der Funktionsträger, die sich fortwährend fragen müssen, sind unsere Mechanismen, sind unsere Hand- laungsspielräume, sind unsereDenkensweisen noch immer strukturangepaßt den Bedürfnis- sen der Gegenwart? Da werden wir auch eine Antwort finden, wenn wir das kritisch tun, warum uns so viele jungeMenschen den Weg in die Politik erstens nicht verzeihen, zweitens ihn auch nicht mitgehen wollen, weil wir zum Teil Ri tuale abwickeln, die längst überholt STEYR VP-Sprecher Vizebürgermeister Karl HOLUB sind und weil wir zum Teil uns in dem Drang, uns gegenseitig eine Ohrfeige zu geben, er- stens über den guten Geschmack hinaus- schießen und zweitens über die Sachdebatte hinaus unter Umständen zwar momentan Ge- lächter erreichen, aber auf der anderen Seite das staunende Publikum nur abstoßen. Politi- scheKulturwürde ich das nennen,man schreibt sie nicht in Budgetzahlen fest, das weiß ich schon, politische Kulturen lebt man in der Gemeinschaft, ih Budgetzahlen selbst schreibt man aber fest, obman diekommunalpolitische Kultur ernst nimmt. Zur kommunalpolitischen Kultur gehört insbesonders auch die städti- sche Raumordnung, die wir laufend berar- beiten müssen und dabei fehlt auch im Haushaltsvoransch lag einiges ....Zur politi- schen Kultur gehört auch die Bewäl tigung des Problems Altstadt. Diejenigen, die schon län- ger im Gemeinderat sind, werden sagen, dem fällt auch nichts Neues ein, immer wieder predigt er von Altstadtrevitalisierung, immer wieder predigt er von der Nutzung der Infra- struktur in den städtischen Zentren, die so schlecht genutzt wird, weil die Altstadt zu Büro- und Verwaltungsvierteln umfunktio- niert wurde und die so schlecht ausgenutzt werden, weil in den Häusern soviel ungenutzter Freiraum ist, insbesonders in den Dachgeschoßen cier alten Häuser. Also die Altstadt-wiederbelebung müßte noch deutli- cher im Haushalt erkennbar sein, wenn man tatsächlich neu ordnen will und wenn man tatsächlich auch hier die Wege in die Zukunft weitergehen will. Die Schlagworte von Steyr 2000 alleine zu hören, ohne tatsächlich die Wege aufzuzeigen bzw. mitgestalten zu kön- nen, befr iedigt weder den politischen Mandatsträgernoch den Bürgerder Stadt Steyr. Die Altstadtwiederbelebung spielt sich nicht nur an der Fassade ab, sondern sie spielt sich im wesentlichen ab im Einbau von Wohnun- gen in die Altstadt, sie spielt sich aber nur mit Hilfe von öffentlichen Förderungen ab, weil das sonst nicht machbar wäre. Ich glaube, es wäre noch viel notwendiger, städtische Förde- rungen in diese Revitalisierungsmaßnahmen der alten Häuser zu geben. Es istgut, daß es mit Land und Bund diese gemeinsame Aktion Steyrdorf gibt. Was täten wir ohne sie? Ich bin sehr froh und glücklich, daß diese Dingemög- lich sind, daß bei gleichem Volumen es mög- lich ist, dreimal soviel zu tun auf dem Sektor der Denkmalpflege. Aber die Sanierungs- konzepte sollten auch nicht zu kurz kommen. Ich glaube, wir sollten zum Erstellen der Sa- nierungskonzepte in Zukunft auch Geld in die Hand nehmen, daß wir hier nicht von überfor- derten Einzelbeamten im Rathaus abhängig sind, - ich meine wirklich überfordert. Die Leute, die mit Altstadterhaltung zu tun haben und genau so mit der städtischen Raum- ordnung, sind überfordert, weil sie einfach zu wenigMitarbeiterhaben, und weil dieMaterie viel zu komplex ist, als daß sie einer alleine bewältigen könnte....Ich hoffe sehr, daß wir in der Zukunft - im Budget kann man das leider nicht erkennen - doch dazu übergehen, für die Wiederbelebung unserer Altstadt, die ja auch den Reichtum unserer Stadt darstellt, wissen- schaftliche Konzepte zu erarbeiten bzw. erar- beiten zu lassen." Ausführlich befaßte sich Vizebürgermeister Holub auch mit dem Zentralaltersheim, das bereits ein Ausgabenvolumen von 90 Millio- nen Schilling erreicht hat und sagte u. a.: "Die Finanzierung der Ausgaben und die Pflege der Senioren wird immer schwieriger. Das Alters- heim wird immer mehr zum Intensivpflege- heim. Diese intensive Pflege kostet ungeheuer viel Geld und wir werden als Vertreter der Parteien, die uns in den Gemeinderat entsandt haben, alle übergeordneten Stellen massiv auffordern müssen, dahin zu wirken, daß die Pflegekomponente im Zentralaltersheim auch in einer überregionalen Kostentragung mit ihre Konsequenz findet, weil aus eigenerKraft auflange Sicht hin das Problem des zentralen Altersheimes und der Pflegeheime nicht zu bewältigen sein wird, auch wenn die" imHaus- Pflege" hier wertvolle Entlastungen bringt, auch wenn hier persönlich Gutes amMenschen getan wird. Aber derjenige, der trotz Heim- pflege dann nicht mehr heimpflegefähig ist, kommt in einem wesentlich schlechteren Ge- sundheitszustand und wesentlich pflegebe- dürftiger als früher ins zentrale Altersheim. Wir werden im zentralen Altersheim nichtnur mit dem Problem fertig werden müssen, daß immer mehr Menschen immer älter und dabei immer ungesünder werden, sondern auch mit dem zweiten Problem fertig werden,daß unse- re Mitarbeiter im zentralen Altersheim vor dieser Belastung teilweise resignieren. Wir haben ein echtes Personalproblem im zentralen Altersheim, das sich mit mehr Ge- halt wohl kaum alleine beheben wird lassen. Man wird die nötigen sozialen Strukturen auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Zentralaltersheim finden müssen. Ich er- wähne nur beispielhaft das Wort Supervision. Für die, die sich im sozialen Bereich ein wenig engagieren, sagt Supervision etwas. Ich glau- be, daß der Bedarf nach einer Supervision im Altersheim anerkannt ist. Ebenso wie der nach Diätassistenten oder nach physikotherapeu- tischer Betreuung. 7
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