Amtsblatt der Stadt Steyr 1990/2

Darüber hinaus soll auch der an einen anderen Standort in Steyr zu verlagernde und den zukünftigen Erfordernissen anzu- passende Werkzeugbau durch Investitio- nen modernisiert werden. Die entspre- chende Planung wird unverzüglich in An- griff genommen. Sollte die Stückzahl der verkauften M !-Motoren die Einrichtung einer eigenen mechanischen Fertigung notwendig werden lassen, so wird diese im Werk Steyr erfolgen. 3. Montag früh wird die Arbeit wieder aufgenommen. Ich darf sagen, daß wir uns darauf geeinigt haben, daß alle Anwesenden die- ses Protokoll unterschrieben haben, der Konflikt ist beigelegt worden und es ist auch so, daß am Montag sofort nach Betriebsversammlungen - wie die Ausein- andersetzung begonnen hat, wurde sie auch beendet - die Arbeit wieder aufge- nommen wurde. Ich zweifle nicht daran, daß es in kurzer, Zeit möglich sein wird, allfällige Produktionsausfälle wieder her- einzubringen, so daß hier ein Schaden auf den Märkten aus meiner Sicht jedenfalls ausgeschlossen werden kann. Um zu den Interpretationen noch etwas zu sagen. Es ist hier von links bis rechts jede Interpreta- tion zu hören, die einen sagen, der Streik war nicht sinnvoll, er hätte nur der Profi- lierung einiger Personen gedient. Persön- lich kann ich mir nicht vorstellen, daß hier die größten Gewerkschaften des Landes, wie die Gewerkschaft Metall/Bergbau/ Energie und die Gewerkschaft der Privat- angestellten bis hin zum Gewerkschafts- präsidenten, sich mit uns solidarisieren, wenn sich nur einige Leute hätten profilie- ren wollen. Es ist auch so, daß andere sagen - das sind die extrem anderen -, man hätte viel früher hier den Streik ausrufen müssen und man hätte den Ar- beitskampf schon viel früher einleiten sol- len. Man kann natürlich verschiedener Ansicht sein und ich möchte hier doch sagen, daß ich glaube, daß das Ergebnis zählt. Die Kündigungsliste, die sehr unso- zial war in ihrer Struktur, wurde zurückge- zogen. Es bleibt der Werkzeugbau in Steyr erhalten und damit auch eine qualitative Zukunft für unsere zukünftigen Produkt- generationen. Wir werden 700 Millionen Schilling Investitionen im März beschlie- ßen und wir haben zumindest die Option, wenn dieser M !-Motor tatsächlich aus der Kleinserienproduktion in eine Großse- rienproduktion geht, wenn also dieser Mo- tor nicht nur in der Marine zur Verwen- dung für Bootsmotoren Fuß fassen kann, sondern auch in Pkw eingebaut wird, was wir uns wünschen, dann wird es auch wirtschaftlich interessant sein, eine Motor- tei le-Produktion zu errichten, welche jetzt vereinbarungsgemäß in Steyr stattfinden wird. Wir haben als Belegschaft viele Opfer bringen müssen aufgrund der wirtschaftli- chen Situation. Ich verweise darauf, daß wir verzichtet haben auf Lohnerhöhungen, also KV-Lohnrunden, ein eigener Kollek- tivvertrag ist abgeschlossen worden für die Steyr-Daimler-Puch AG. Das trifft für die Gehälter genauso zu. Wir haben viele unserer Sozialleistungen abgeben müssen, wir haben Sonderschichten gemacht, mei- ne Da~en und Herren. Sechs Samstage ohne Uberstunden haben wir gemacht, das gehört in diesem Zusammenhang auch gesagt, damit hier die Dinge im Lot blei- ben. Wir haben die Umstrukturierung mitgetragen hier vor Ort in Steyr, was alles andere als populär gewesen ist. Wenn ich an die Auseinandersetzungen und auch an die Berichterstattung und auch an die Diskussionen hier im Gemeinderat erin- nern darf. Gestern, meine Damen und Herren, war der Neujahrsempfang der neuen Steyr-Nutzfahrzeug AG. Der Herr Bürgermeister, der Herr Magistratsdirek- tor, der Herr Vizebürgermeister Holub waren bei diesem Neujahrsempfang anwe- send, es waren die Behördenleiter und viele Honoratioren aus Steyr und Umge- bung geladen und haben dort gehört, was die Vorstandsriege zum Ausdruck ge- bracht hat. Sie haben uns sicherlich klar- gemacht, daß hier eigentlich eine neue Situation, ein neuer Beginn vorhanden ist und daß hier Optionen vorliegen von diesem Unternehmen, und daß hier ge- plant ist, eine große Anzahl von Lkw in Zukunft zu produzieren. Wir haben gehört, daß 2600 Beschäftig- te nahezu übernommen wurden. Das ist viel mehr als ursprünglich geplant war und wir sind sehr froh darüber. Wir haben gehört, daß statt von einer Milliarde Schil- ling lnvestitionen jetzt schon von 1,4 Mil- liarden Schilling Investitionen geredet wird. Wir haben gehört, daß 10.000 Fah- rerhäuser in Steyr erzeugt werden sollen, etwa 5000 Lkw ausmontiert werden sollen, daß 33.000 Achsen gebaut werden sollen und daß weiter Steyr-Lkw für die Schwer- punktmärkte, wie China, Saudi-Arabien, die Schweiz und natürlich auch den öster- reichischen Markt erzeugt und vertrieben werden sollen. Das ist hier der wesentliche Unterschied gewesen, den wir jetzt haben. Wir haben im Vergleich zu vorher, wo Unsicherheit geherrscht hat, wo die Köpfe in Wien nur mehr vom Konkursgedanken erfüllt waren, jetzt wieder eine gewisse Perspektive in die Zukunft. Soweit man das in der Wirtschaft überhaupt sagen kann. Ich möchte auch noch sagen zu denen, die meinen, wir hätten früher strei- ken sollen. Im Jahre 1986 hatten wir drei Kündigungen, meine Damen und Herren, aber wir hatten keine Arbeit. Wir haben damals 2700 Lkw erzeugt, jetzt erzeugen wir 4000 Lkw, die Auftragsbücher sind voll. Man kann nicht Arbeit herbeistreiken und wir sind auch der Meinung, daß man Verluste nicht wegstreiken kann, die ha- ben wir nämlich auch gehabt, und zwar in Milliardenhöhe. Daher war es uns nicht möglich, hier einen Arbeitskampf zu füh- ren. Wir verstehen alle, wenn es keine Arbeit gibt, sind leider Kündigungen un- ausweichlich. Jetzt war eben eine wesent- lich andere Situation. Ich möchte im nach- hinein sagen, daß wir damals im Septem- ber als Insider natürlich informiert waren über das Vorhaben dieser MAN-Gesell- schaft. Wir wußten, welche Optionen hier gegeben wurden. Das ist auch keine Si- cherheit, aber es zeigt sich jetzt, daß sich eine positive Wendung zumindest im Be- reich SNF, Steyr-Nutzfahrzeuge AG, erge- ben hat, daß dort die Hälfte der Beleg- schaft viel sicherer in die Zukunft blickt. Aus meiner Sicht und aus der Sicht des Arbeiterbetriebsrates war es für uns auch wichtig, dem neuen Management von MAN ein Signal zu geben, daß wir gewillt sind als Belegschaftsvertretung, diese Op- tionen zu akzeptieren und als Alternative zum Konkurs hier diesen neuen schwieri- gen Weg zu gehen. Gefühlsmäßig war es fruchtbar schwer, und ich gebe zu, daß es uns nicht ~?glich war, diese Argumente auch in die Offentlichkeit zu bringen. Für den zweiten Teil der Steyr-Daim- ler-Puch AG haben wir, glaube ich, durch diesen Arbeitskampf, durch unsere Bemü- hungen einen guten Schritt getan. Wir haben hier die Erhaltung des Werkzeug- baues durchgesetzt. Es wird dieses Investi- tionsprogramm kommen mit der Verein- barung, daß M-1-Motorteile in Steyr ge- fertigt werden, wenn wirtschaftliche Los- größen erzielt sind. Damit haben wir einen wichtigen Schritt der Absicherung des Standortes Steyr und zur Beschäftigungssi- cherung zustande gebracht. Mit der ersatz- losen Zurücknahme der unsozialen Kün- digungsliste wurde auch in aller Öffent- lichkeit deutlich, daß man sich über be- rechtigte und schutzwürdige Dienstneh- merinteressen in Öslern:ü;h nkhl hinweg- setzen kann. Das war auch einmal wichtig, nicht nur für die Steyr-Werke, sondern für die Dienstnehmer in diesem Land. Meine Damen und Herren, der Konflikt ist somit beigelegt. Wir sind gut beraten, wenn wir wieder gemeinsam an die Arbeit gehen. Im Werk oben ist es auch gesche- hen und ich hoffe, daß alle, die auch als Meinungsbildner der Stadt und darüber hinaus auftreten, auch in diese Richtung gehen. Im Bewußtsein, daß nur durch eine vernünftige harmonische Gestaltung der Arbeitsvorgänge, wo es keine Sieger und keine Verlierer geben soll, sondern Part- ner, am besten der wirtschaftliche Erfolg erzielt werden kann, nur dann sind auch in diesem Betrieb die Arbeitsplätze wieder sicher." Die Steyr-Nutzfahrzeuge AG wird in den kommenden Jahren aufgrund jüngst abgeschlossener Vereinbarungen ihr Chi- na-Geschäft erheblich ausweiten. Wurden von Steyr im Rahmen eines langjährigen Know-how- und Teilezulieferungsvertra- ges in fünf betreuten Fabriken 1989 400 Lkw und 1100 Steyr-Motoren produziert, soll der Ausstoß stufenweise 1990 auf 1000 zwei- und dreiachsige Steyr-Lkw über 16 Tonnen angehoben werden. 1991 sind 2200 Lkw geplant, 1993 und 1994 in Summe 7000 Lkw. Bei den Motoren steigt der Ausstoß von heuer 2000 Stück 1991 auf 4200 und 1992/93 auf in Summe 5000 an. Dann sollen Steyr-Lkw in China im Schwerla- sterbereich Marktleader sein. 7/43

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