Amtsblatt der Stadt Steyr 1990/2
n der „Aktuellen Stunde" des Ge- meinderates gab Vizebürgermeister .Hermann Leithenmayr aus der Sicht des Arbeiterbetriebsratsobmannes eine umfassende Darstellung des Arbeitskon- fliktes in den Steyr-Werken. Da die Me- dien nur zum Teil oder verzerrt über die Hintergründe dieses Streiks berichteten, bringen wir im folgenden Leithenmayrs Erklärungen wörtlich, damit sich die Bür- ger unserer Stadt ein Bild machen können, worum es wirklich gegangen ist. ,,Wir haben uns gefreut", begann Leithenmayr, ,,daß sich die Stadt hinter die Beleg- schaftsvertretung gestellt und sich mit ihren Zielen identifiziert hat" und führte dann weiter aus: „Für die Mitglieder des Aufsichtsrates der Steyr-Daimler-Puch AG und für den Vorstand ist dieser Arbeitskonflikt nicht so überraschend gekommen, wie das manch- mal von dieser Seite zum Ausdruck ge- bracht wurde, weil wir alle Konfliktpoten- tiale, um die es jetzt gegangen ist, in diesem Arbeitskampf wiederholt in Auf- sichtsratssitzungen angesprochen haben, und zwar Kollege Pimsl, Kollege Tatzrei- ter und meine Person. Es ist auch so, daß es einen Vorläufer gegeben hat zu diesem Arbeitskampf, einen Warnstreik am 8. Jänner im Werkzeugbau, wo es den Kolle- gen darum gegangen ist, hier ihre Zukunft, ihre Existenz zu sichern. Wobei es uns dort nicht um die etwa 150 Arbeitsplätze gegangen ist, sondern um die strategische Position, die ein Werkzeugbau für ein Unternehmen oder für die Nachfolgege- sellschaften der Steyr-Daimler-Puch AG hat. Hier geht es um die Qualität, die uns ausmacht, die uns immer ausgemacht hat und die wir auch für die Zukunft benöti- gen, wenn wir Produktgenerationen mit der gebotenen Qualität auch wiederum zustande bringen sollen. Auslöser für den Konflikt war aber die üherraschend uns zugemittelte Ki.indi- gungsliste, und nicht nur die Liste an sich, sondern die Struktur dieser Liste. Erstens keine Begründung in Form von Arbeits- mangel, wie das bei vorausgegangenen Kündigungen und Personalabbau der Fall war, sondern nur eine lapidare Feststel- lung, daß sich das Unternehmen gezwun- gen sieht, Kündigungen auszusprechen. Auf dieser Liste waren halt dann, wie berichtet, die Alten, die Invaliden, die Schwerstkranken, die frei gewählten Ver- treter der Belegschaft und auch Gemein- deräte aus unserem Kreis hier. Wir haben uns beraten und haben einstimmige Be- schlüsse gefaßt im Arbeiterbetriebsrat. Zu Beginn, als wir diese Beschlüsse beraten 6/42 Hermann Leithen- rnayr: ,,Keine Sie- ger und keine Ver- lierer." Foto: 1/art/auer und gefaßt haben, war bereits hier die Zentralstelle unserer Gewerkschaft Metall, Bergbau, Energie mit integriert und der Zentralsekretär Riepl, ein Kollege, der auf dem Gebiet sehr viel Erfahrung hat, aus Wien war hier zugegen. Es hat uns auch ge freut , daß sich sofort die Angestelltenbe- triebsräte mit diesen Zielen und mit dieser Beschlußfassung solidarisiert haben. Wir haben beschlossen, nicht nur diese Liste 1.u bceinspruchen, wie es das Arbeitsver- fassungsgesetz vorsieht, sondern in Anbe- trai;ht dieser Provokation, die damit zum /\usdruck gebracht wurde, daß wir hier Kampfmaßnahmen ins Auge fassen. Wir haben das seit langer Zeit nicht getan. Wir haben mit Punktstreiks am Montag, 22. Jänner, 9 Uhr, nach einer Betriebsvollver- sammlung mit den Belegschaftsmitglie- dern eingesetzt. Es waren zu Beginn 177 direkt streikende Kollegen, diese Zahl wurde im Laufe von drei Tagen auf 309 direkt Streikende erhöht. Indirekt waren als Auswirkung dieses Streiks rund 700 Kolleginnen und Kollegen betroffen. Der gesamte Arbeitskampf hat eine Woche gedauert und ist am Freitag am Abend zu Ende gegangen bei einem Gipfelgespräch, bei einer Schlußverhandlung in der CA im Beisein des Vorsitzenden der Gewerk- schaft Metall/Bergbau/Energie Nürnber- ger, aber auch von der GPA war der Präsident Freyschlag anwesend. Selbstver- ständlich waren auch die Kollegen Pimsl und Tatzreiter sowie meine Person bei dieser Verhandlung zugegen. Nach wirk- lich nicht einfachen Verhandlungen, die sieben Stunden gedauert haben, und unter einem enormen Druck durch die Ereignis- se, die hier in Steyr stattgefunden haben, wurde ein Einvernehmen erzielt zwischen den Parteien und es wurde ein Protokoll verfaßt, welches jetzt von mir zur Verle- sung gebracht wird, damit sich keine Le- genden bilden und hier die Interpretation dieses Ergebnisses vielleicht etwas einfa- cher wird auch in der Öffentlichkeit. In diesem Protokoll heißt es: 1. Die Kündigungsliste wird zurückge- zogen. Zwischen dem Vorstand und dem Betriebsrat werden unverzüglich Verhand- lungen über die aus den wirtschaftlichen Notwendigkeiten erforderlichen Maßnah- men aufgenommen. Dazu gehört u. a. auch die Erstellung eines Sozialplanes. Erläutern möchte ich, meine Damen und Herren, daß keine Kündigungen geplant sind, dal5 wir auch nicht über Namen auf dieser Kündigungsliste, wie das schon wie- der in Zeitungen gestanden ist, diskutie- ren. 2. Die Steyr-Daimler-Puch AG erarbei- tet zur Zeit im Zusammenhang mit der Neustrukturierung ihres Werkes in Steyr einen umfassenden Investitionsplan. Die- ser wird voraussichtlich Investitionen in Höhe von ca. 700 Mill. S beinhalten und dem Aufsichtsrat im März 1990 zur Ge- nehmigung vorgelegt werden. In der neu einzurichtenden Fabrik sollen Traktoren- triebwerke, Verteilergetriebe für Lkw und andere Fahrzeugkomponenten hergestellt werden.
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