Amtsblatt der Stadt Steyr 1989/10
Übernahme der Steyr-Lkw-Sparte durch MAN „Die Übernahme der Lkw-Sparte der Steyr-Daimler-Puch AG durch MAN wird in Zukunft auch für die kommunale Ent- wicklung der Stadt große Bedeutung ha- ben", sagte Bürgermeister Schwarz im Ge- meinderat, ,,da zu diesem Problemkreis in der Bevölkerung große Unsicherheit be- steht, erscheint mir die direkte Wi ederga- be einer Information des Zcntralbetriebs- ratsobmannes und Abgeordneten zum Na- tionalrat, Hermann Leith enmayr, sinn- voll" und führte wörtli ch aus: „Dun.:h den Besc hlul.l d1.:s /\ufsid1tsrates am 12. Sept ember 1989 kommt es zur ·inschn cidcnst · 11 Veründerung der Be- lr ichss lr uldur seil Kriegsende. Die jahre- lange Sud1 e na ·h Pa rtn ern ist damit, zu- mindes t fl'rr den Lkw-Bereich, beendet. Cl lx:rra s<.:hend ist für alle, daß die fast perfekte Kooperation in der Traktorsparte 1111 letzten Moment geplatzt ist und daß am Lkw-Sektor di e hektischen Verhand- lungen , welche in den letzten Monaten mit DAF und MAN geführt wurden, letztlich früher als erwartet zu einem Abschluß gebracht wurden. Über Wunsch der MAN AG wurde der Abschluß unter großem Zeitdruck, unmittelbar vor der Internatio- nalen Automobilausstellung in Frankfurt, im Aufsichtsrat der Steyr-Daimler-Puch AG bestätigt. Weil das Münchner Unternehmen das bessere Angebot gelegt hatte, zog der holländische DAF-Konzern .sein Offert zurück. MAN räumt, wie der Vorstand im Aufsichtsrat berichtete, Steyr im Konzern mehr Selbständigkeit ein, als. DAF zu geben bereit war. Durch die Übernahme von MAN werden sich in bezug auf die zukünftigen Produktionsverhältnisse und die Produktion wesentlich weniger V~rän- derungen ergeben, als dies bei einer Über- nahme durch DAF der Fall gewesen wäre. Dies ist auch einer der Hauptgründe, warum sich der Steyr-Eigentümer, die CA, für MAN als Käufer entschieden hat. Belegschaften werden mit allen Rechten und Pflichten übernommen. Der Lkw-Pro- duktions-, Entwicklungs- und Vertriebsbe- reich soll vorerst mit rund 2200 Beschäftig- ten weitergeführt werden. Nach erfolgter Umstrukturierung, welche im Jahre 1993 abgeschlossen sein soll, werden 1600 bis 1900 Arbeiter und Angestellte mit Stand- ort Steyr bei der MAN-Steyr-Nutzfahr- zeug AG, wie der neue Name lauten wird, beschäftigt sein . Noch im Herbst des heu- rigen Jahres soll von Steyr eine eigene Steyr-Nutzfahrzeug AG gegründet wer- den. Am 1. Jänner 1990 wird Steyr die Lkw-Sparte in diese neue Gesellschaft einbringen. Zum gleichen Termin wird die MAN AG 80 Prozent der Anteile dieser Gesellschaft käuflich erwerben. Bis Okto- ber des heurigen Jahres werden, nach Auskunft des Generaldirektors Voisard, alle Beschäftigten, welche von der neuen Gesellschaft übernommen werden, von dieser Übernahme in Kenntnis gesetzt. Die Übernahme der Belegschaft mit allen Rechten und Pflichten bedeutet, daß es im Zusammenhang mit dem Wechsel der Be- sitzverhältnisse in der neuen Gesellschaft zu keinen Kündigungen der durch die Übernahme betroffenen Dienstnehmer kommen wird. Unter Beibehaltung der Rechte und Pflichten wurde auf mehrfa- ches Befragen durch die Belegschaftsver- treter im Aufsichtsrat, durch den Vorsit- zenden Generaldirektor Schmidt-Chiari definiert, daß darunter die Beibehaltung des gesamten Lohnes, Gehaltes und so- zialrechtlichen Besitzstandes verstanden wird. Mit dieser Form der Übernahme ist gewährleistet, daß Massenkündigungen sowie Kürzungen von Lohn oder Soziallei- stungen hintangehalten werden. Zukünftiges Produktionsprogramm Das derzeitige Steyr-Lkw-Angebot wird weiter so lange gefertigt, als dies wirt- schaftlich erfolgreich erscheint. Jedenfalls wurde vereinbart, daß die schwere Lkw- Reihe mindestens noch zweieinhalb Jahre, die Steyr-Mittelklasse vier Jahre erzeugt werden soll. MAN beabsichtigt, wesent- liche Fertigungen an den Steyr-Standort zu verlagern. Unter anderem soll die Mon- tage der mittleren MAN-Lkw-Reihe mit einer Jahresstückzahl von rund 3000 Ein- heiten in Steyr montiert werden. Für die neue leichte MAN-Fahrzeug-Generation soll unser Erzeugnis Steyr-Mittelklasse- Fahrerhaus adaptiert und in einer Stück- zahl von 10.000 Einheiten ab 1993 gefer- tigt werden. Weiters sollen alle MAN-Vor- derachsen zukünftig in Steyr produziert werden. Dabei handelt es sich nach heuti- gem Planungsstand um 33.000 Stück. Rund 120 Mitarbeiter sollen im Rahmen der neuen Gesellschaft Entwicklungsauf- gaben für MAN sowie für andere Fahr- zeughersteller wahrnehmen. Mit Hilfe die- 4/280 ser Entwicklungsmannschaft sollte es auch möglich sein , die beschäftigungsmäßige Zukunft des Standortes Steyr im Lkw-Be- reich abzusichern . Zur Modernisierung verschiedener Produktionsbereiche, insbe- sond ere im Bereich der Montage, der Lackierung, der Kaltverformung und der Achscnfcrllgung wird es in den nächsten Jahren zu Investitionen im Ausmaß von mehr als einer Milliarde Schilling kom- men. Jtas bleibt von Steyr? Aufgrund der Übernahme der Lkw- Sparte und der Auslastungsmöglichkeiten, die durch MAN gegeben erscheinen, kann die Zukunft dieses Bereiches zumindest mittelfristig als gesichert betrachtet wer- den. Etwas mehr als die Hälfte der gegen- wärtig bei Steyr-Daimler-Puch Beschäftig- ten bleiben jedoch in der Steyr-Daimler- Puch AG, aus der nun auch definitiv die Sparte Landmaschinen mit 1. Jänner 1990 ausgegliedert wird. Die Sparte Landma- schinen wird die Endmontage, den Ver- trieb und die Entwicklung von Traktoren umfassen. In der Steyr-Daimler-Puch AG verblie- be also nach heutigem Wissensstand die Produktion von Traktor, Motoren, Getrie- ben, Hinterachsen sowie die Produktion von Verteilergetrieben. Zudem das Guß- werk, der Werkzeugbau, die Modelltisch- lerei, die Kunststoff-Fertigung sowie di- verse Hilfsbetriebe und Verwaltungsein- heiten. Nachdem die geplante Kooperation auf dem Traktorsektor mit KHD nicht zustan- de gekommen ist, verbleibt die Traktor- produktion in Form der von manchen so sehr gewünschten ,österreichischen Lösung' in unserer Hand. Bedauerlicher- weise meinen nun viele, darunter auch jene, die nach der österreichischen Lösung gerufen haben, daß der Traktor in dieser Form nicht überleben kann, daß das Guß- werk ein Verlustbringer sei und daß Werk- zeugbau, Modelltischlerei, Kunststoff-Fer- tigung, Verwaltungseinheiten u. a. im Zu- ge von Restrukturierungsmaßnahmen neu geordnet werden müßten . Berechtigte Besorgnis Tatsächlich ist große Besorgnis ange- bracht, wenn man sich mit der Zukunft von Steyr-Neu, dies ist der Arbeitstitel, den der Vorstand für den Rest von Steyr erfunden hat, betrachtet. Durch die Schaf- fung einer eigenen Lkw-Firma und die Ausgliederung der Steyr-Landmaschinen- Gesellschaft werden viele Fäden des einst- mals gemeinsamen Unternehmens zer- schnitten oder zerrissen. Manche wichtige Abteilungen können für sich allein nicht existieren oder werden nicht mehr ge- braucht und sind daher von einer Schlie- ßung bedroht. Aus diesem Grund hat ZBRV Leithen- mayr bei der Aufsichtsratssitzung für den Bereich Steyr-Neu einen Wirtschaftsplan gefordert und darauf hingewiesen , daß nicht kurzfristig und aus bilanzpolitischen Gründen wertvolle Ansätze für eine neue wirtschaftliche Entwicklung vernichtet oder wegrationalisiert werden dürfen. Namhafte Kapitalvertreter im Steyrer Aufsichtsrat, wie Siemens-Generaldirektor Dr. Wolfsberger und auch der Aufsichts- ratsvorsitzende Generaldirektor Schmidt- Chiari, haben sich dieser Forderung an- geschlossen und den Vorstand beauftragt, einen solchen Wirtschaftsplan zu erstellen. Über diese Forderung nach einem Wirt- schaftsplan hinaus, hat Leithenmayr den Aufsichtsratsvorsitzenden aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, daß für den Bereich Steyr-Neu ein geeigneter Topmanager ge- steyr
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