Amtsblatt der Stadt Steyr 1989/9
Hans Hoffer (rechts im Bild), genialer Gestalter des Inszenariums, läßt die Besucher der Ausstellung, nachdem sie die Wohnlandschaft des anonymen Bauens verlassen haben, vor einen Spiegel der Probleme treten: Sie selbst sind es, die die neuen Aufgaben stellen und sie gleichzeitig in Angriff nehmen müssen. Fotos: Hartlauer Bühnenbildner Hans Hoffer über seine Arbeit im Museum Arbeitswelt Bei Entwurf und Einrichtung der Ausstel- lung „Arbeit - Mensch - Maschine" 1987 gab es für mich eine besondere Herausforderung: Neben der temporär geplanten Ausstellung hatte ich auch schon das Museum Industriel- le Arbeitswelt mitzudenken und zu inszenie- ren. Ein grundlegender Gedanke schien mir dabei besonders wichtig: Das Museum sollte nicht ein kostbares Etui für einige ausgewähl- te Gegenstände werden, sondern ein wandel- barer Ort der diskursiven Auseinanderset- zung mit Situationen, die im Zusammenspiel mit der persönlichen Erfahrung der Besucher zu spielerisch-vergnüglichen Lernbeispielen werden können. Museum also einmal nicht als monumentale Manifestation von Vergan- genheit, sondern vielmehr als eine Art von ,, Phantasiemaschine" von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Nun muß zum ersten Mal bei dieser Ausstellung die Beweg- lichkeit des Musums unter Beweis gestellt werden. Der Blick der Besucher soll durch Veränderungen der vorhandenen Installatio- nen bzw. technischen Einrichtungen sowie durch kleine Zubauten auf einen bestimmten geschichtlichen Ausschnitt gelenkt werden. Ich möchte dazu drei lnszenierungsbeispiele anführen : Vom Umgang mit veränderter Bedeutung Die „Lebensader" des Museums, das die gesamte Mittelhalle durchfließende Wasser Maschinell gesteuertes Freizeitvergnügen in der Kulturlandschaft. der Steyr - Antriebsquelle der frühen Indu- strialisierung - wird nun überdeckt durch ein Sinnbild d_er Bewegung: Ein Schienen- strang durchdringt, von außen kommend, die Ausstellung; vor dem Eingang tragen die Schienen auf einem Transportwagen das Be- tonmodell eines Dorfes. Der Besucher geht auf den Schienen, wenn er die Ausstellung betritt. Die grundsätzliche, auch in der Archi- tektur geplante Bedeutung der Mittelachse wurde erhalten, der dramaturgische Inhalt jedoch abgewandelt: Der Schienenstrang wird in einem nächsten Abschnitt Baustelle und später zum Erinnerungsbild an die To- deszüge in den Konzentrat ionslagern. Vom Umgang mit dem inszenierten Raum Die Mittelhalle, bisher eine „ transparente Kathedrale" der sogenannten Leitmotive Wasserrad, Dampfmaschine und E-Werk, wird nun, dem Thema entsprechend, in klei- nere Einheiten zergliedert, die man nachein- ander begehen und erfahren soll. Die Leit- motive werden nur noch ikonografisch zitiert. Lediglich von oben - zugleich den histori- schen Abstand symbolisierend - entschlüsselt sich das System. Ohne großen Aufwand erreichen wir einen völlig neuen Raumein- druck und zugleich die geänderte Besucher- bewegung. Vom Umgang mit der inszenierten Fläche Eine Plankenwand aus alten Baubrettern trägt Tafeln aus verzinktem Industrieblech, au f diesen Flächen finden sich noch viele Schichten von Papier. Diese „Zeitschichten" oder „Schieh tlinien" (stilisierte Landschaf- ten) wurden abgehoben und geben den Bl ick frei auf Biluer ue~ vergangenen länulichen Lebens. Diese historischen Milieuaufnahmen erscheinen nun ausgegraben und freigelegt durch eine Art von „Papierarchäologie". Die- se drei kleinen Beispiele stehen für den Versuch, in die Struktur des · bestehenden Museums ein Thema als temporäre Ausstel- lung zu integrieren, ohne die Grundsubstanz zu zerstören. Ein Rückbau oder Weiterbau ist jederzeit ohne großen Aufwand möglich. Durch neue Akzentsetzung wurde versucht, einen erlebbaren Weg mit integrierter Infor- mation für den Besucher herzustellen. Das Ende dieses Weges mit seinen Lebensbildern, seinen akustischen Feldern soll nachdenklich stimmen und Fragestellung nicht verdecken, sondern offenhalten. Am Ausgang der „Kunstform"-Ausstel- lung erwartet uns keine Illusion, sondern der Spiegel der uns umgebenden Wirklichkeit. 11 /259
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