Amtsblatt der Stadt Steyr 1989/5

kehrte in den väterlichen Betrieb zurück und führte diesen gemeinsam mit seiner Mutter bis zum Jahr 1862 weiter. Der Ausbruch des amerikanischen Sezes- sionskrieges löst bei Josef Werndl rege Akti- vitäten aus. Er reiste nach England zur Besichtigung von Waffenfabriken und zu Verhandlungen mit amerikanischen Agenten, denen er kurz entschlossen in die neue Welt folgte. Bei Colt in Hartford und in der Remington'schen Gewehrfabrik in Illinois vervollkommnete er seine Kenntnisse weiter und lernte gleichzeitig die neuesten Maschi- nen und Produktionsmethoden kennen. Aus Amerika zurückgekehrt, gründete er am 16. April 1864 die Firma „Josef und Franz Wernd l und Comp., Waffenfabrik und Säge- werk", in welcher sein Bruder Franz die büromäßigen und Josef die technischen Be- lange vertrat. Der wirtschaftliche Erfolg trat aber erst nach der verlorenen Schlacht bei Königgrätz im Krieg gegen Preussen im Jahr 1866 ein. Unter dem Eindruck der Niederla- ge entschied sich die k. k. Hinterladungskom- mission für das von Werkmeister Karl Holub mit Werndl entwickelte Hinterladermodell. Die daraufhin einsetzende Expansion des Unternehmens überforderte Werndls finan- zielle Kräfte, so daß es schließlich 1869 mit Hilfe der Bodenkreditbank zur Gründung Kranzniederlegung am Werndl-Denk- mal durch die Ver- treter der Stadt Steyr, der Steyr Mann/icher Gesell- schaft und des Steyr- Werke-Be- triebsrates, die auch Gedenkworte spra- chen. Den Ehren- salut schoß das Bürgerkorps Re- gau. Es musizierte die Militärmusik Oberösterreich. SU')l' -11111 II .. II der „Österreichischen Waffenfabriksgesell- schaft" kam, der Werndl bis zu seinem Tod im Jahr 1889 als Generaldirektor vorstand. Das Unternehmen breitete sich im Bereich des Wehrgrabens rasch aus und bewies auch großen wirtschaftlichen Weitblick, als er im Jahr 1881 eine Elektroabteilung gründete. Er wollte wegen der Unsicherheit des Waffenge- schäftes das Unternehmen auf ein zweites Standbein stellen. Die von ihm 1884 errichte- te Straßenbeleuchtung blieb aber nur eine Episode, denn nach Einlangen großer Waf- fenaufträge ließ der Verwaltungsrat die zu- kunftsträchtige Abteilung wieder auslaufen. Man könnte es sich nun leicht machen und sagen, ,,Werndl war eben ein erfolgreicher Unternehmer", aber damit würde man seiner Persönlichkeit, die in der Stadt deutliche Spuren hinterließ, nicht gerecht. Werndl war von seiner politischen Einstellung her ein Liberaler, der zwar mit dem Klerus nicht immer einer Meinung war, aber dennoch in allen Lebenslagen dem Grundsatz „leben und leben lassen" huldigte. Daher verschloß er sich als freisinniger Mensch nicht dem öffentlichen Leben und nahm auch am kom- munalen Geschehen regen Anteil. Als Mit- glied des Gemeinderates war er an zahlrei- chen Initiativen, wie zum Beispiel an der Zuschüttung des Stadtgrabens und der Neu- gestaltung des Platzes maßgeblich beteiligt. Er erwies sich auch großzügig, wenn es um die Renovierung von Straßen und Brücken ging, wenngleich auch der unmittelbare Nut- zen für das Unternehmen nicht zu übersehen war. Aus solchen Überlegungen finanzierte er I 866 die Renovierung der Steyrbrücke, 1867 den Bau der Gsangbrücke und 1876 die Regulierung des Leitnerberges. Werndl war zweifellos ein harter Arbeitge- ber und führte im Betrieb ein strenges Regi- ment. Zum Beispiel verfügte er, als er sich in zähen Verhandlungen den 11-Stun<len-Tag abringen ließ, gleichzeitig eine neue Mittags- pause und verbot gleichzeitig, daß während der Arbeitszeit gegessen wird. Ihm ist aber andererseits ein starkes soziales Empfinden nicht abzusprechen, wenn auch hinter allen Aktionen der Nutzen für das Unternehmen erkennbar ist. Die Expansion der Waffenfabrik löste schon Ende der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts eine Wohnungsnot aus, die letztlich bis zum heutigen Tag nicht behoben werden konnte. Er initiierte daher im Eyns- feld eine Wohnbauaktion, die insofern unge- wöhnlich war, als sich die Arbeiter durch Beiträge von ihren Löhnen gewissermaßen das Wohnrecht erkauften. Nicht zu überse- hen ist, daß sich dadurch Werndl bei der starken Fluktuation der Arbeitskräfte die wichtigsten Mitarbeiter an das Werk band. 1876 war er im Zuge der Gründung der „ Waffenfabriksarbeiter-Krankenkasse" an einer deutlichen Verbesserung der bereits bestehenden Krankenversicherung maßgeb- lich beteiligt. Eine wahrhaft soziale Tat setzte Wemdl im Herbst 1884 nach umfangreichen Entlassun- gen, als er am 24. Oktober verfügte, daß die zwischen dem 1. Oktober und 30. November entlassenen verheirateten Arbeiter ab dem 1. November eine Arbeitslosenunterstützung erhalten sollten, sofern sie sechs Jahre im Betrieb gearbeitet hatten. Die Unterstüt- zungsdauer war zwölf Wochen, die Höhe nach der Kinderzahl gestaffelt. Werndl machte sich aber auch um die Freizeitgestaltung der Arbeiter Gedanken. [n Erinnerung zu rufen wäre, daß Werndl die ,,alte Schwimmschule" im Wehrgraben er- richten ließ. Er war aber auch bei der Grün- dung eines der ersten Arbeiterbildungsverei- ne des Landes aktiv beteiligt. Bereits 1868 trat er einem vorbereitenden Komitee zur Gründung eines Arbeiterbildungsvereines in Steyr bei und ein Jahr später, bei der offiziel- len Gründung des Vereines finden wir ihn als 5/125

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