Amtsblatt der Stadt Steyr 1989/5

J osef Werndl, dessen Todestag sich am 29. April zum 100. Mal jährte, gründete am 16. April 1864, vor 125 Jahren, die Firma „Josef und Franz Werndl & Comp. Waffenfabrik und Sägemühle in Oberletten" mit Sitz in Steyr. Diese Firmengründung ist die Keimzelle der heutigen Steyr-Daimler- Puch AG. Die aus der Werndl-Gründung gewachsene „Steyr Mannlicher GesmbH" lud anläßlich ihres 125-Jahr-Jubiläums zu einem Festakt in das Alte Theater, bei dem Direktor lng. Heinz Hambrusch eine Rück- schau auf 125 Jahre industrielle Waffenpro- duktion in Steyr gab. Bürgermeister Heinrich Schwarz skizzierte die Persönlichkeit von Josef W erndl. Als historisches Umfeld für die Waffenpro- duktion in Steyr vor Werndl sieht Direktor Hambrusch bereits die Zeit um die Jahrtau- sendwende „als die Steyrer in ihren Haus- hämmern Hieb-und Stichwaffen schmiede- ten", oder im 16. Jahrhundert auf Betreiben eines Steyrer Eisenobmannes Thüringer Be- reitmeister und Feuerknechte in die Stadt geholt wurden und sich die „Gesellschaft der Rohr- und Büchsenhandlungen zu Steyr" bildete. Wemdls Waffenfabrik schaffte be- reits im Gründungsjahr mit der Erfindung des Tabernakelverschlusses für Hinterlader- gewehre den großen Durchbruch und erzielte ab 1867 bereits eine Produktion von 5000 Gewehren pro Woche. Das „Deutsche Kriegsministerium" bestellte eine halbe Mil- lion Reichsgewehre Mod. 1871 (System Mau- ser), Werndl forcierte den „Austauschbau" und erntete damit Aufträge aus aller Welt. Direktor Hambrusch erinnerte an Werndls Der Festakt „ 125 Jahre Stey rer Mannlicher " wurde von einer Bläser- gruppe der Militär- musik Oberöster- reich, dem Rag/- Quartett, dem Be- zirkschor St. Veit/ Glan und der Jagd- hornbläsergruppe Garsten musika- lisch gestaltet. Wal- ter Radmoser las Erinnerungen an Josef Werndl. Rechts im Bild: Bürgermeister Schwarz bei seiner Ansprache. Fotos: Kranzmayr fen nach dem Frieden von St. Germain bedeutete Tausende Arbeitslose in Steyr. Es folgte nun die Errichtung einer Automobil- produktion. 1920 kam das neue österrei- chische „Waffenauto" mit Sechszylindermo- tor auf den Markt. 1922 folgten Last~agen. 1926 wurde als Rechtsnachfolger der Osterr. Waffenproduktionsgesellschaft die „Steyr- Entwicklungen zu internationaler Bedeutung geführt. 1987 wurde die Produktsparte Waffe aus der Steyr-Daimler-Puch AG ausgeglie- dert und in die selbständige Konzerngesell- schaft Steyr-Mannlicher GesmbH umgewan- delt. Im Jahr des 100. Todestages von Josef Werndl stehen die Steyr-Werke wieder vor JosefWemdl prägte Steyr de nkwürdigen Satz, gesprochen im Jahre 1880 bei der 900-Jahr-Feier der Stadt Steyr: „Dun;h unsere technische Leistung stehen wir in der Qualitä t der Waffen unerreicht da und haben dort, wo di e Qualität entscheidet, kein e Konkurren z zu fürchten ", eine Aussa- ge, di e bis heute für j edes Produkt Gültigkeit ha t. Als um 1882 fast alle europäischen Heere mit Hinterladern ausgerüstet waren und die Aufträge zurückgingen, befaßte sich Werndl mit der „Umwandlung der Energie fließen- den Wassers in Strom mittels eines Dyna- mos". In Steyr gab es die erste elektrische Straßenbeleuchtung. - Es folgte die Massen- produktion von Repetiergewehren. 1889 wur- den von I0.000 Arbeitern 13.000 Gewehre pro Woche hergestellt. Inmitten größter Aktivität, am 29. April 1889, ereilte Josef Werndl, 58jährig, der Tod. Die großen Werksanlagen - 14 in Steyr und 10 in Letten - waren auch in den Jahren nach Werndls Tod zunächst ausgelastet. Es gab aber dann auch Rückschläge. 1894 be- gann mit der Produktion des „Steyrer Waf- fenrades", das ein großer Erfolg und später noch im Grazer Puch-Werk weitergebaut wurde. 1912 begann der Bau des neuen Hauptwerkes, der 1914 abgeschlossen wurde. Der erste Weltkrieg ließ die Belegschaft auf 14.000 Arbeiter steigen. Täglich wurden 4000 Gewehre und MG erzeugt, außerdem Mili- tärfahrräder und ab 1916 auch Flugmotoren . Das Verbot der Herstellung von Kriegswaf- 4/124 Werke AG" gegründet. Die Waffenproduk- tion spielte in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg und vor dem zweiten Weltkrieg nur mehr eine sehr geringe Rolle. Schwer- punkt war weiterhin der Bau von Personen- wagen und Lastwagen. Erfolgreiche Kon- struktionen, wie der Pkw Type 30 und der Lkw Type 40 stammen aus der kurzen Zeit der Tätigkeit von Dr. Ing. Ferdinand Porsche für die Steyr-Werke. 1934 erfolgte die Ko- operation mit den Konkurrenten „Austro- Daimler" und den „Puch Werken AG", die seit 1928 unter „Austro-Daimler-Puch AG" firmierten, zur Steyr-Daimler-Puch AG. Steyr begann mit der Produktion von gelän- degängigen Lkw und brachte das damals revolutionäre „Steyr-Baby", ein Kleinwagen der Type 50, auf den Markt. Die politischen Ereignisse des Jahres 1938 brachten auch für Steyr die Wende. Der Bau von Pkw endete 1941. Die Fabriken wurden auf Kriegsproduktion umgestellt. Das Werk Steyr produzierte bis Kriegsende etwa 20.000 Geländewagen, Raupenschlepper und lnfan- teriewaffen. 1945 begann in den zerbombten Hallen unter schwierigsten Bedingungen die Produktion von Lkw und Traktoren. 1946 verließen die ersten serienmäßig gebauten Lastwagen des Typs 370 das Werk, 1947 wurden die ersten Dieseltraktoren des Typs 180 ausgeliefert. Personenautos wurden keine mehr erzeugt. 1950 wurde die traditionelle Waffenferti- gung wieder aufgenommen und mit neuen großen Herausforderungen zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und der Arbeitsplätze. ,,Keiner hat eine Epoche der langen Ge- schichte unserer Stadt so sehr geprägt und weit über seinen Tod hinaus so entscheidend beeinflußt, wie Josef Werndl", sagte Bürger- meister Schwarz in seiner Ansprache, in der er über den Lebensweg Werndls u. a . sagte : „Am 26. Februar 1831 schlug im Haus Steyr, Wieserfeldplatz 37, di e Geburtsstunde des Mannes, dem man später die Beinamen ,,Kaiser von Steyr" oder „Vater der Arbeiter" gab. Sein Vater Leopold Werndl betrieb bereits in Letten eine Fabrik für Waffenbe- standteile, die in guten Zeiten schon 400 bis 500 Menschen beschäftigte. Dadurch war Josef Werndls beruflichc::r Lebensweg vorge- zeichnet, wenngleich er auch später nicht ganz nach den Vorstellungen des Vaters verlief. Nach seiner Kindheit und dem Be- such der Pflichtschule erlernte er in der Gewehrfabrik Fruhwirt in Wien das Büch- senmacherhandwerk und arbeitete anschlie- ßend in der staatlichen Waffenfabrik in Wäh- ring. Sein rastloser Geist brachte den Hünen von Gestalt, er maß stolze 2,06 m, mehrmals mit seinem Vater in Konfliktsituationen, die dazu beitrugen, daß er nach Kärnten und Thüringen zur Perfektionierung seiner Kenntnisse ging und nach seiner Rückkehr eine eigene Polier- und Schleiferwerkstätte mit zwölf Arbeitern gründete. Der Tod seines Vaters am 4. Dezember 1855 gab seinem Leben eine entscheidende Wendung. Er

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