Amtsblatt der Stadt Steyr 1988/3

1938 Fünfzehn Steyrer Widerstandskämpfer hingerichtet Mit der deutschen Wehrmacht marschier- te auch das System des NS-Terrors in Österreich ein. Bereits in den ersten Tagen wurden Tausende von der Gestapo ver- haftet und ins KZ verschleppt. Am 8. August 1938 kamen die ersten Häftlinge in das KZ Mauthausen . Insgesamt wurden hier bis 5. Mai 1945 122.767 Menschen umgebracht. Österreichische Opfer der nationalsoziali- stischen Herrschaft : 2.700 wurden von der Nazijustiz hinge- richtet 16.493 starben im KZ 9.687 in den Gefängnissen der Gestapo 6.420 in anderen Gefängnissen Europas 65.459 österreichische Juden wurden er- mordet 380.000 Soldaten fielen für die Expan- sionspläne des Dritten Reiches . In Steyr wurden als aktive Widerstands- kämpfer hingerichtet: Brandtner Johann Buchholzer Johann Dertlinger Friedrich K isely Alois Gruber Willy Koller Anton Konrad Rupert Palme Johann Pensl Otto Pettinger Josef Punzer Karl Riepl Johann Schweiger Herta Siegmund Ferdinand Ull ram Josef Bert/ Konrad (rechts) mit seiner Familie. Der 1898 geborene Schlosser Rupert (Bert!) Konrad , ehemals Obmann der Kinderfreunde, bis 1933 Obmann der so- zialdemokratischen Parteisektion Aichet und Bezirkspropagandaleiter. Er wurde bereits vom Mai bis September 1934 1m austrofaschistischen „Anhaltelager" Wöl- lersdorf wegen seiner Gesinnung inhafti~rt und am 21. Oktober 1944 als Kommunist von den Nationalsozialisten im KZ Maut- hausen ermordet. Der kommunistische Widerstand~kämpfer Otto Pensl ll'urde 1•ier Tage 1·or Kriegsende hingerichtet. Briefan die Gattin vor der Hinrichtung Willy Gruber, ein junger Steyrer Fa- milienvater, lausch- te am Radio aus- ländischen Sen dungen. Ein Ver- brechen, welches die Nationalsoziali- sten mit dem Tod bestraften. Von ihm ist ein Abschiedsbrief an seine Frau und se ine beiden Kinder vom September 1944 erhalten. Meine geliebte. gute Mitzi! Heute. wenn die Sonne ihre letzten Strahlen über die vom Krieg zerrissene Erde versendet. ist mein Leben erlo - vchen. Gerade heute erwartete ich Dei- nen liehen Besuch. Auch der war mir nicht mehr vergönnt. aber dafür trage ich Dein Bild und das Bild unserer lieben Kinderchen bis zu meinem letzlen Atem::ug an meiner Brust. Ich danke Dir (ur alle Deine Liehe. Güte und Treue. die Du mir während der ach so kur::en Zeit unserer jungen Ehe erwie- sen has/ . Er::ieh unsere Kleinen zu an- ständigen. aufrechten und braven Men- schen. damit sie als vollwertige Staats- bürger in eine neue und hoffentlich bessere Zukunft hineinwachsen. So grüße und küsse ich Dich zum letz ten Mal in meinem Leben. Meine Sehnsucht his ::um letz ten Atemzug bis Du. Dein unglücklicher Willr Viele. viele Bussi (lir meinen Sonnen- schein Harald und Brigitte. Gruber wurde am 19. September 1944 in Wien hingerichtet. 1945 1945 - Befreiung Nach der Befreiung - am 5. Mai 1945 besetzten amerikanische Truppen zen- trale Punkte der Stadt, am 8. Mai traf die sowjetische Armee ein - lief das Leben beschwerlich an. Es fehlte an allem. In den durch Bombenangriffe schwer beschädigten Fabrikshallen der Steyr-Werke wurde versucht, mit pri- mitivsten Mitteln die Produktion wie- der in Gang zu bringen. Bis November 1945 wurden die ersten l00 „Friedens- Lkw" zusammengebaut. Sehnsucht nach Rot-Weiß-Rot Der letzte von der NSDAP verfaßte Stim- mungsbericht vom 23. April 1945: ,, Immer wieder kann die Feststellung gemacht wer- den , daß die nationale Einstellung ver- schiedener deutscher Kreise der der Aus- länder weit zurücksteht. Man läßt sich durch die sehr aktive Feindpropaganda immer mehr in das bolschewistische und plutokratische Fahrwasser ziehen._ So schenkt man dem Märchen von einem se lbständigen Österreich einschließlich der deutschsprachigen Gebiete im Süden voll- ends Glauben ... Auch in Steyr sol.l man sich schon teils auf die Ankunft der Rus- sen freuen und weiße Tücher bereithalten . . . Etwas Interessantes konnte in den letzten Tagen in Münichholz beobachtet werden. Dort wurde von der vorwiegend tschechenfreundlich eingestellten Firma ,Kraus und Schober' (Angeste llte größten- teils Tschechen) Krepp-Papier in den ver- schiedensten Farben (Rot, Weiß, Blau etc.) an die Bevölkerung verkauft. Es konnte festgestellt werden, daß mit Vorlie- be weißes und rotes Papier verlangt wurde und diese Farben auch bald vergriffen waren. Während sich Kinder a us brau- nem, blauem und grünem Papier kleine Fähnchen machten, behielten die Erwach- senen das rote und weiße Papier (ehemali- ge österreichische Farben) zurück."

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