Amtsblatt der Stadt Steyr 1988/3
1938 Sadismus und qualvoller Tod Konzentrations- und Arbeitslager in Steyr-Münichholz Neben den Bevölkerungsgruppen, die in Steyr eine neue Heimstätte fanden, gab es aber noch ei ne anonyme Masse von Men - schen, die hier, größtenteils unheachtet von der Bevölkerung, ihr Leben fri,ten mußten. Die Ärmsten der Armen waren di · !"au senden Fremdarbeiterinnen und arbeitcr, die im Rüslungsbetrieh einge,et1l warcn, sowie die Gefangenen des Ko111c11lra ti ons la gers Steyr- M ü nichhol1. Daß in Oherfolerrcich dn:r .lahrc nach der Errichtung von Maulha11,c11 drc meisten Korv.cnlralion, und /\ rhcrhlagcr 1111 ge samten (irol.\deul\chen Rerch errichtet werden . hilngt erner,crh 11111 der stark au,ge\\Cilclcn dculwhcn Ru,1ungsindu- \lrie 1u,a111men . andnL· r,ert, damit, daß die O,trnar 1,. durL·h den e111,ct1enden Bom- benl,.r reg 1111 hl'\or1ugten Rüstungs- ,chmrede Dc111,d1l.111d, wrrd . Vom I agcr Mauthau,en au, werden 47 Lager 1111 llererch der (htrnark , davon 20 im (,au Ohcrd1111au . c rrr chlct. Da-, iiltcslc der I crllagcr von Mauthausen ist da, von Steyr Milnr ·hhol1. welches am 14. Mi111 1942 err rchtct wurd •. Die er,tc l'rhaltcn · Standmeldung slarnrnl vorn 14. 1-' cbr uar 1944 und nennt 1022 l lüftlin •i.:. 1)re lklc •\l;ir l,.c er hiihte sich laufend. bi.:trug Im l'r1de 1944 knapp 2()()() Per,oncn , ,,111k dann h" /\nl'an • /\pril 1945 wieder auf etwa 12(X) und '1reg 1n der 1: ndpha,c de, 1 agci, hnlrngl durl'11 drc l:\al,.ureru11g,1ra11,pw1e au, anderen I a gern . die nach Stevr fuhr ten nochmal, hedeutcnd an . ll öcll,ts tand am 25 . /\pri l 1945: 1090 l lüf'tlingc . lelltcr gemeldeter Stand , 29 . /\pril 1945 : 29 18 l liifllingc . Zum größten Teil befanden \Ich rnssische, jugoslawische und polni,che l läftlinge im Lager sowie fran1.füische und spanische Freiheits- kämpfer. Die wichtig'1en Funktionen im Lager (La- gerältester und Capos) versahen fast durchwegs deutsche kriminelle l läfllinge. Die Gefangenen wurden direkt in der Rüstun gsindustrie cingesclzl, in die sie jeden Morgen 111 i I Lastzügen gehrach L wurden. sowe it sie nicht im nahen Wälzla- gerwerk eingesetzt waren . Sie wurden in der Produktion von Maschi- nengewehren. Maschinenpistolen. Flug- zeugmotoren (Flumo), Fluv-cugkabinen und -fahrgestellen von M 109, ME 110 und ME 323 (Gigant), von Lastkraftwagen sowie Kugel- und Wälzlager eingesetzt. Aber ebenso wurden die Häft linge beim Hallen- und Straßenbau im Werk ge län- de, bei der Erstellung von Luftschutzbun- kern und -Stollen für die Stadt Steyr und vereinzelt auch bei Siedlungsbauten einge- setzt. Während diese r Außenarbeiten kam es wiederholt zu Mißhandlungen durch die Begleitpersonen und die Vorarbeiter, ebenso zu „Erschießungen auf der Flucht". Di e Sterbequote war besonders in der /\nf'angszcit äußerst hoch . Eine Historike- rin gib t die Toten in der Zeit vom 14. 1:ehruar 1942 und 31. Dezember 1942 mit etwa 8800 (davon an 23 Tagen allein 917 Verstorbene, was eine tägliche Quote von mehr als 39 ergibt) an. Eine Typhusepide- mic im Sommer 1943 forderte weitere 1.ahlreiche Todesopfer. „ In den Nachbarhäusern des auf einem Platz eines Betonwerkes der Stadtgemein- de errichteten Konzentrationslager~ hör te man in der Früh oft schon die Liquida- tionsschüsse." Die Leichen wurden dann ins Krematorium durch das „Gesteau to" geführt. (,,Geste" = Städtische Unterneh- mungen der Stadt Steyr.) Im Krematorium von Steyr wurden in der Zeit von 1938 bis 1945 insgesamt 4595 Leichen eingeäschert, für deren Verbren- nung ein direkter Auftrag der Komman- dantur des Konzentrationslagers Maut- hausen vorlag. Ein Blick in die umfangreichen Listen zeigt, daß es sich bei den Häftlin gen, die in Steyr eingeäschert wurden , um Gefangene aus nahezu allen Ländern Europas gehan- delt hat. Als die häufigste Tode ur ache wurde „Herzversagen" angegeben. Im Bereich von Münichholz war seit 1939 eine Viel- zahl von weiteren Lagern errichtet wor- den. Einen besonderen Aufschluß über die Lagerinsassen erfahren wir durch die Auf- zeichnungen des Münichholzer Pfarrers, Pater Meindl: Im Stadtverwaltungslager, rechts der Hai- dershofnerstraße (Haager Straße), war zu- 1945 nächs t eine „Judenkolonie mit Stern un- tergebracht, sie sind bald verschwunden" und g ingen ihren schweren Weg in die Vernichtung. Später wurden hier verschie- dene Ausländer untergebracht: Griechen , Spanier, Italiener, slawi sche Völker, Dä- nen, Franzosen und Französinnen. Besonders in den letzten Kriegsjahren wurden viele hundert Ostarbeiter zunächst im Lager 81, dann im Lager 80 unterge- bracht. Es waren durchwegs Frauen im Alter von 16 bis 26 Jahren . In der Nähe der Ostarbeiterinnen war ein Männerlager für Ostarbeiter aus der Reithofferfabrik errichtet worden. ,,Es war sa tanisch , auf dieses Mädchenla- ge r ein Lager der Ostarbeiterburschen los- zulassen", bemerkte die Pfarrchronik. ,,Es mußte gegen Umbruch eine eigene Abtei- lung für Wöchnerinnen eingerichtet wer- den und nach der Entwöcherung kamen die Kleinkinder in ein eigenes Heim für Ausländerkinder, oweit nicht im Spital die Schwangerschaft unterbrochen wurde, mei s t gegen heftigen Kampf der Mutter." Ein weiteres Lager für Französinnen be- fand sich im Unterhuthof. Die Frauen lebten dort unter elendsten hygienischen Der let:te Rest des KZ Sterr-Münichhol:: die Kantine. · Fremdarbeiter mußten Waffen/ur ihre Peinif(er prod11:iere11. Verhältnissen. ,,Es waren oft recht elende zigeunerhafte Verhältnisse, ich mußte o ft die Tränen zurückhalten, Tränen des Lei- des über diese Familienverhältnisse. Für jedes Wort, für jede Zusprache waren diese ,Ausschußmenschen' dankbar. " Wenn auch für einen Großteil diese r Men- schen nicht die direkte Todesgefahr wie im Konzentrationslager bestand, so gehörten sie trotzdem zu den Gezeichneten des faschistischen Systems . Einschränkung der persönlichen Freiheit , ständige Bedrohun- gen, ein Leben unter unmenschlichen Ver- hältnissen ließen bleibende Spuren an die- sen vergewaltigten Mitmenschen zurück .
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