Amtsblatt der Stadt Steyr 1988/3

1938 1945 Steyrer Arbeiter stellten Gewissen über Leben und Broterwerb Stärkster Widerstand gegen den Nationalsozialismus Unter heu te unvorstellbar schweren Be- din gungen, inmitten einer verhetzten Um- welt. haben Männer. Frauen und Jugend- liebe den Kampf für die Beseitigung der deutschen Fremdherrschaft und die Wie- dererrichtung eines freien und unabhängi- gen Österreichs gewagt. Die meisten Opfer hatte die Kommunisti- sche Partei zu beklagen . Sie war die einzi- ge Partei, die bereits im März 1938 dafür ~!ntrat, daß „ein freies und unabhängiges Osterreich wiedererstehen" müsse. Das österreichische Nationalbewußtsein war Lugleich Motor und Ergebnis ihrer Wider- standstätigkeit. Gegen ihre Anhänger gingen die Natio- nalsozialisten besonders grausam vor. Es wurde ihnen vorgeworfen, ,,mit Gewalt ein zum Reich gehöriges Gebiet vom Reich losreißen" zu wollen. Im Oktober 1944 forderte Gauleiter August Eigruber bei der Amtseinführung des neuen Steyrer NSDAP-Kreis leiters brutal: ,,Weil es nur ein Großdeutsches Reich geben kann, so werden alle etwaigen Sonderbestrebungen und Abspaltungsversuche, die auftreten könnten, mit kompromiß loser Härte be- kämpft und jeder Verräter am Reich ver- nichtet. " Steyr hatte in Oberösterreich den größten Anteil an organisiertem Widerstand. Vor allem die alten , durch Jahrzehnte gewach- senen politischen Organisationen der Ar- beiterschaft bildeten hier das Rückgrat. In einem Stimmungsbericht der Gestapo vom Oktober 1938 hieß es, ,,daß im Werk Steyr 60 Prozent der Beschäftigten keine Nationalsozialisten wären" . Bereits im September 1938 meldete die SS, ,,daß sich in letzter Zeit unter den Arbeitern der Steyr-Werke eine besondere Unruhe be- merkbar mache". Dies zeige sich „in zahl- reichen Arbeitsverweigerungen, in offenen Beleidigungen führender Männer der (NS-)Partci, in offensichtlich provozieren- den Reibereien mit SA und SS-Angehöri- gen .. .". Die Steyrer Widerstandsgruppen sammel- ten Gelder zur Unterstützung der Fami- lien von Inhaftierten oder Hingerichteten im Rahmen der Solidaritätsaktion „Rote Hilfe" und verbreiteten Flugblätter, die über den von Nazideutschland entfachten Krieg aufklärten . Eine wichtige Arbeit bestand darin, Kontakte zu ausländischen Zwangsarbeitern aufzunehmen, Soldaten im antifaschistischen Sinn zu beeinflussen und gezielte Mundpropaganda zu streuen. Weitere Widerstandsaktionen reichten vom Abhören ausländischer Rundfunk- sendungen, um die Wahrheit über die Kriegs lage zu erfahren, bis zu Sabotage in kriegswichtigen Betrieben. Wer bei solchen Aktionen erkannt oder verraten wurde, hatte mit Strafen bis zur Hinrichtun.g am Schafott zu rechnen . Vie le aufrechte Osterreicher, auch in Steyr, ha- ben dennoch diesen Schritt ge.-:vagt. Sie legten Zeugnis für ein anderes Osterreich ab. Zum Dok11me11t 1111te11: Im Falle 1•011 a11ftrete11de11 U11r11he11 i11 de11 Sterrll'erken ll'ill der SS-Fiihrer mit dem I. St11rmha1111 einschreiten. / &toottJpoltJd J"fl . !in) o. O. tl.. ~,n 10. Oktober 1•1, 8. ßtaatspoli)tl,itllt (in) o. 0. tl. l'i?/58 g An den Führer der li-Totenkopfverbände und Konzentrationslager 0 ran i e n b ur bei Berli • Jn letzter Zeit mehren sich die ' e . ,ir der · Steyrwerke, scheinbar mit Absicht mit Angehöri urmbannee in Gasthäu- sern und auch auf der Straße Strei i 'e'l',:.11;;;.f(ngehörigen belei- digen und auch ganz offen Beleidig ·;, ffüfrende. Männer der Fa1·tei aussprechen. Jn den Steyr'ke ;;heii'~unter der neuein- gestell ten Arbeiterschaft auch noc ·e';Arizahl von Kommunisten beschäftigt ist kommen auch in letz ·:etehi,-:Arbeitsverweige- rungen usw. vor. Jn der Nacht · ~om',;ij~ -~Donnerstag vergangener v;oche erhielt ich die :\l!eldung;. _daß,llS n:":eine,· Versammlung abhal- ten wollten. Jch setzte in dieser/ Na ter°fülirer ', in Zivil als Streife ein, welche allerdings le . "' ' )ieiterverkehr in der t:acht im Arbeiterwohnviertel feststell r n1chts positives melden konnten. 4 ·. f i · ter Leite~ der Gestaposte!le Linz, ..·:geg ,ei:ii~s~at· Batz wurde des öfte- ! , ren von mir auf die kommunistischen.:Umtriebe in den Steyrwerken auf- / ; merksam gemacht, versprach auch für "Abhilfe ,·zu sorgen, doch ist ' scheinbar bis jetzt in dieser Angeleg"rui;ei·.·1; '.· seitens der Gestapo noch nichts erfolgt. -·-,'. .:' ·,· Ier Leiter des ,;·erkschutzes in den Steyrwe:rken war gestern bei mir und bat um Stel lungnahme, wie ich mich verhalten würde falls es nötig sein sollte die Hilfe des ·I.3turmbannes in Anspruch zu nehmen. .J~h bitte um grundsätzliche Entochcidung ob ich im Falle von auftre- tenden Unruhen in den Steyrwerken auf Anforderung des ',,erkschutzes bezw. der Polizei mit dem I.Sturmbann einschreiten kann und darf. Wie bereits eingangs erwähnt kommen in der letzten Zeit des öfteren :,:eutereien unter der I?elegschaft der Steyrwerke vor und es ist damit zu rechnen, daß in allernächster Zeit Sabotageakte größeren Umfangs bevorstehen. Der Führer des r.sturmbannes der 4, li-Totenkopfstandarte „03tmark" gez,. Quirsfeld • !!-St,irmbannführer

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