Amtsblatt der Stadt Steyr 1988/3

1938 .. ,...,, . - ~w;~~ ,' ~ 1943 gela11gte Österreich aucl, in Reichweite alliierter Streitkrii/ie. /11 Oherösterreic/1for- derte der /Jomhenkrieg rund 3000 Tote, das sind etll'a ~e/111 Pro~ent der für Oberöster- reich ge.1·c/1iit~te11 KriegHoten. Luftschutzstollen in das Tabormassiv und in den Felsen beim Teufelsbach geschla- gen. Die Steyr-Werke hatten Luftschutz- sto ll en in den Enns leitenhang getrieben. Weitere Luftschutzstollen entstanden im Schloßberg und im Hang der Lauberlei- ten. Münichholz erhielt Stollen im Fels- massiv an der Enns. Löschwasserteiche wurden angelegt. In den Häusern war Löschsa nd zu lagern. Handspritzen muß- ten angeschafft werden. Und schließlich wurden auch Erste-Hilfe-Kurse zur Her- anbildung von Sanitätshi lfspersonal unter dem Luftschutzperso nal , zu dem auch Frauen eingeteilt waren, abgehalten. Ich war dem Löschtrupp des Polizeireviers Sierninger Straße zugeteilt. Bombenan- griffe hatte ich schon an der Atlantikküste im Raum La Rochell e er lebt, sie waren daher für mich nicht neu. Der erste Fliegerangriff auf Steyr erfolgte in den Mittagsstunden des 23. Februar 1944. Der Schaden im Hauptwerk war verhältnismäßig gering, weil die mei sten Bomben in der Enns und vor der Einfahrt des Werkes einschlugen. Der Beobach- tungsposten am Pfarrturm berichtete von den ungeheuren Wassersäulen , welche die Einschläge ausgelöst haben. Die Innen- stadt wurde jedoch schwer in Mitleiden - schaft gezogen. Das Cafe Stark Uetzt Klei - derhaus Bauer) wurde zerstört, das Nach- barhaus zur Hälfte weggerissen. Der Luft- druck drückte Auslagen- und Fenster- scheiben ein. Das Haus Ennskai I wurde zerbombt, das Nachbarhaus brannte. Das Haus Mehlgraben 3 wurde vernichtet, sei- ne Bewohner waren tot. Insgesamt fanden bei dem Angriff 15 Menschen den Tod, 55 wurden verletzt. Der zweite Fliegerangriff - es war der schwerste - erfolgte am 24. Februar 1944, ebenfalls in den Mittagsstunden. Wir wa- ren beim Mittagessen, als die Alarmsire- nen heulten. Unser Mittagessen nahmen wir bei den Sehwiegereiten in der Schlüßl- hofäiedlung ein , da auch meine Gattin in Arbeit stand. Ich überlegte: Soll ich zum Einsatzplatz - soll ich nicht? So hatte ich viel Zeit verloren, als ich doch ging. Schon waren Flakfeuer und ferner Motorenlärm zu hören - ich lief, was ich konnte, es war der Lauf um mein Leben, denn kaum hatte ich die Tür des Polizeiwachzimmers geschlossen, da krachten schon die ersten Bombeneinschläge. In drei Wellen erfolgte der Angriff. Die Damberggasse, die Bahn- hofstraße , die Haratzmüllerstraße, die Jo- hannesgasse, der Ennskai und die Enge, das Hauptwerk und die Waldrandsiedlung wurden schwer getroffen. Das Wälzlager- werk hatte einen Zufall s treffer abbekom- men. Über dem Hauptwerk lag schwerer Rauch, das Direktionsgebäude stand in Flammen, in einem der beiden Schlote klaffte ein großes Loch. In die Michaeler- kirche schlug eine Bombe e in , die nur zur Hälfte geborsten war. Der ha lbe Mantel der Bombe ist oberhalb des Marienaltars liegen geblieben. Vor dem Luftschutzs tol- len beim Gymnasium, das auch beschä- digt wurde, lag ein Blindgänger. Das Möstlhaus und die angebaute Spitalmühlc wurden schwerst getroffen. Die Brücken blieben unversehrt. Bei der Ausschau nach Kleinbränden stellten wir fest , daß die Schlüßlhofgasse viele Bombensplitterspu- ren zeigte. Die Gründlervilla und das I laus gegenüber waren schwer beschädigt. Auch in der Schlüßlhofs1edlung hat eme Bombe in die Straße eingeschlagen. Mein Weg zum Einsatzplatz hätte für mich zur Straße des Todes werden können. Die große Tragödie des Tages war, daß sich in der sogenannten Anlernwerkstätte, dem Objekt X, italienische Kriegsgefangene be- funden haben , die beim Fliegeralarm ein- gesperrt waren und durch die Vergitterung der Fenster nicht flüchten konnten. Ein Bombentreffer schuf für sie das Inferno. 22 verkohl te Leiber wurden gezählt, und vie- le, viele waren schwerst verwundet. Unter den Gefangenen befanden sich auch ein Arzt und ein Priester. In der Waldrand- siedlung war auch das Wohnlager der französischen Zwangsarbeiterinnen, das 1945 ebenfalls in Flammen aufging. Und von jenen Französinnen, die sich in einen Bombentrichter geflüchtet hatten, fehlte durch eine nachfolgende Bombe jede Spur. In der Blumauergasse wurden das Haus Nr. 16, das Sichelwerk und das Pum- penwärterhaus weggerissen. Am 24. Fe- bruar erfolgte auch ein Nachtangriff auf Steyr. Nachdem der Kuckuckwarnruf im Radio durchgekommen war, kam der Flie- geralarm, es dürfte so um 20.30 Uhr gewesen sein . Die Brände ließen das Ziel auch aus 8000 Meter Flughöhe nur zu leicht erkennen. Entwarnung wurde kurz vor Mitternacht gegeben. !;'.rst bei Tages- licht konnte man einen Uberblick über das Ausmaß der Schäden erlangen. An diesem Tag kamen 155 Menschen ums Leben. 371 wurden verletzt. Tausend Per- sonen wurden obdachlos. 65 Häuser wur- den total zerstört und 445 beschädigt. In Münichholz, auf der Ennsleite und im Raum St. Ulrich waren Bombenschäden entstanden. Bei der militärischen Totenfei- er am 1. März 1944 wurden 160 Särge gezäh lt. Die Bestattung erfolgte gemein- sam . Der größte Luftangriff auf Steyr erfolgte am Palmsonntag, dem 2. April 1944. Aber- mals um die Mittagszeit griffen 250 „flie- gende Festungen", unter starkem Jagd- schutz, in fünf Wellen an. Seit geraumer Zeit wurde zum Schutz gegen Fliegeran- griffe bei Fliegeralarm vernebelt. So auch am besagten Tag. Westwind kam auf und trieb die kräftige Nebelschicht nach Osten in Richtung Kleinraming, Behamberg und Kürnberg ab. Dadurch wurde die Altstadt vor dem Schlimmsten verschont. Das Wälzlagerwerk und das Siedlungsgebiet der Fischhub wurden schwer getroffen. Durch den Bombenwurf in den Nebel wurden Fluren und Wälder schwer verwü- stet, Bauernhäuser gingen in Flammen auf. Der vierte und letzte Fliegerangriff erfolg- te am 17 . Februar 1945. Eine kleine For- mation von sieben Flugzeugen warf 45 Sprengbomben ab. Die meisten Bomben gin gen im Bereich der Haager Straße nieder, wo vier Häuser total zerstört und 5 1 beschädigt wurden. Am Palmsonntag waren 42 Tote zu beklagen. 41 Verwunde- te wurden gezählt. Insgesamt wu rden bei den Angriffen 112 Gebäude zerstört und 413 beschädigt. Die 7ahl der Obdachlosen war auf 16?.0 angestiegen. Nicht unerwähnt bleiben darf, daß Familien mit Kindern aus der Stadt in umliegende Landgebiete evaku- iert wurden. Kunstwerke wurden ins Salz- kammergut verlagert. Das Werndl- und das Brucknerdenkmal kamen in das Schloß Rosegg. Die wertvollen Kirchen- fenster der Stadtpfarrkirche brachte man nach Losenstein. Objekte aus dem Hei- mathaus und das Stadtarchiv fanden in Spital am Pyhrn Schutz. Wenn die Erinnerung an das furchtbare Kriegsgeschehen auch im Laufe der Jahr- zehnte zu verblassen beginnt, die Worte ,, Nie wieder Krieg" - sie dürfen nie ver- hallen. (Quelle: Stadtarchiv Steyr)

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2