Amtsblatt der Stadt Steyr 1987/5

Links oben: A rbeilerküche aus dem vorigen Jahrhundert. - Gleich einem Fließbandarbeiter erlebt der Ausstellungsbesucher mit eingeengtem Blickfeld die Montage eines Steyr-Autos. - Im Bild oben der „mechanische Mensch''. Er bewegt sich im selben Tempo wie die Maschinen. Technischer Fortschritt mit Auswirkung auf die Lebensgewohnheiten wird hier dargestellt. hundert Jahren eine entscheidende Rolle gespielt. Sie haben Lohn- und Arbeitsbe- dingungen entscheidend beeinflussen kön- nen, die soziale Wohlfahrt wurde auf alle Bevölkerungsschichten ausgedehnt. Es ist wichtig für ein gerechtes Urtei l, daß vor alJem unsere jungen Bürger in diesem Museum Arbeitswelt erfahren können, wie es einmal früher war. Die Vorbereitungen zu dieser Ausstellung haben auch zu ande- ren erfreulichen Aktivitäten geführt, uns mit der Geschichte der Arbeitswelt zu ut:~chäfligt:n. So hat die Aktion ,Grabe, wo du stehst', unter der dieses Museum gestartet wurde, viel Material aus lang vergangener Zeit für diese A1:1_sstellung gesammelt, und es gibt einen Uberblick über die Entwicklung der Produktion vom Gewerbe zur mechanisierten Industrie bis in die Mikroelektronik. All das auf diesem Raum zusammengeführt, ist eine unge- heure Leistung. Ich wünsche, daß viele Menschen als Besucher dieses Museums sich mit der Geschichte der .Arbeitswelt vertraut ma- chen, jung und alt, damit wir erkennen, was möglich ist, wenn Menschen sich bemühen, in einem Land gemeinsam zu wirken zum Wohle der Bevölkerung." steyr Fotos: Hartlauer „Die Maschine soll uns nicht versklaven" Landeshauptmann Dr. Josef RATZEN- BÖCK sieht diese Landesausstellung als den Einstieg in die Sozialgeschichte. ,, Bis jetzt Landeshauptmann Dr. Josef Ratzenböck. waren es Stifte und Schlösser, jetzt ist es ein Fabrik . Aber diese Fabrik und das Geschehen in den Fabriken haben dieses Land genauso geprägt und gestaltet und damit auch den Menschen. Müssen wir uns nicht auch damit beschäftigen? Diese Fabrik wird ja später auch genützt da- durch, daß ein Museum daraus wird, nachdem die Landesausstellung die Tore geschlossen hat. Wir erschließen mit den Landesausstellungen die Geschichte unse- res Landes. Vor allem deshalb, damit wir uns selber klar werden, wie die Geschichte und alles Geschehene auch den Menschen beeinflußt. Die Geschichte dieses Landes hat uns zum Oberösterreicher gemacht, so wie man uns jetzt erlebt. Zur Geschichte gehört nicht nur die Kulturgeschichte, sondern genauso die Geschichte der Ge- sellschaft. Die politische Geschichte, die Sozialgeschichte. Wenn man diese Lan- desausstellung besucht hat, dann weiß man über sich selbst ein bißchen mehr, weil das Geschehen uns mitgestaltet hat. Ich glaube, daß das eine Landesausstel- lung ist, die uns sehr nachdenklich ma- chen sollte. Nachdenklich über den Ein- fluß der Arbeitswelt und der Maschine auf uns. Die Maschine hat uns geholfen, die Erde uns untertan zu machen . Die Ma- schine hat die Welt umgestaltet und auch den Menschen. Wir sind die Herren der Welt geworden durch die Maschine, aber die Maschine hat auch viel von uns ver- langt, sie hat uns auch versklavt. Die Maschine hat unseren Lebensrhythmus bestimmt und das Arbeitstempo. Wir ha- ben uns der Maschine angepaßt. Wir ha- ben die Nacht zum Tag gemacht wegen der Maschine. Wir negieren die Feiertage, weil die Maschine das verlangt. Ich denke mir, wenn die Kaufleute am 8. Dezember arbeiten wollen, dann geht ein Aufschrei durch unser Land. Wir finden eine tiefe Kluft zwischen den Parteien und inner- halb der Parteien in den einzelnen Regio- nen, in den Kirchen. Aber am gleichen 8. Dezember arbeiten wir in vielen Berei- chen, weil die Maschinen das verlangen, und das nehmen wir zur Kenntnis, ganz klar. Das ist eine wirtschaftliche Notwen- digkeit, das muß geschehen, das ist eben so. Wir haben uns mit dem Diktat der Maschine abgefunden. Ich bin kein Tech- nikfeind, man solJte nicht glauben, das ist auch einer, der die Technik ablehnt. Nein, wir brauchen sie, wir haben unge- heuer viel von dieser Maschine bekom- men . Aber wir zahlen auch dafür. Wir sollen ein bißchen nachdenken über den Einfluß der Arbeitswelt auf uns, der viel- fach ist. Wenn ich überlege, wie lange die Leute früher gearbeitet haben und mit welcher Mühe, und wieviel weniger Zeit wir für unsere Arbeit aufzuwenden haben, was uns die Maschine an Dreckarbeit abgenommen hat - aber sind wir glückli- cher mir der Zeit, die wir gewonnen ha- ben? Haben wir nicht viel weniger Zeit als die Leute früher für die Gemeinschaft, für das Gespräch, für das Nachdenken? Wie verhalten wir uns so tagsüber, haben wir uns nicht den Maschinen angepaßt, fast ein bißchen automatenhaft? Frühmor- gens schalten wir uns ein, und einen Tag lang rast- und ruhelos sind wir tätig, bis wir uns ausschalten. Dann endet unsere Tätigkeit, körperlich und geistig. Darüber sollten wir auch nachdenken, wenn wir diese Ausstellung besuchen, und uns das Ziel vor Augen halten, uns zum Herrn der Maschine zu machen, die uns wirklich überall dienen soll. Mit unserer neuen Technik und Elektronik ist dieses Ziel greifbar nahe. Wir müssen nur verhindern, daß wir neuerlich versklavt werden ." 11/131

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